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# taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: All for all!
> Ein Journalist wird ermordet. Das Entsetzen ist groß – weil die Tat in
> einem EU-Land geschah. Oder sagt Ihnen der Name Pawel Scheremet etwas?
Bild: Vielleicht sollte man bei der Pressefreiheit genau hinsehen – nicht ers…
Ein bisschen Schwund ist immer. Folgt man dieser zugegebenermaßen zynischen
Aussage, dann ist es angesichts weltweit wachsender Gewalt nicht weiter
verwunderlich, dass es manchmal auch Journalisten erwischt.
Merkwürdigerweise scheint es jedoch von Belang zu sein, wo sich derartige
Tragödien abspielen. Der Springer-Verlag etwa hat seit der Freilassung
seines Türkei-Korrespondenten Deniz Yücel an seinem Berliner Verlagsgebäude
wieder eine freie Fläche und erinnert dort unter dem Motto „All for Jan“ an
den slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak. [1][Dieser und seine
Freundin Martina Kusnirova waren am 25. Februar in ihrem Haus in der
Westslowakei regelrecht hingerichtet worden.]
Seit diesem Doppelmord sorgt die Slowakei, für die sich die Medien
normalerweise mäßig bis gar nicht interessieren, für Gesprächsstoff. Dabei
speist sich das Entsetzen in erster Linie nicht aus der Tat an sich,
sondern aus dem Umstand, [2][dass so etwas in einem Mitgliedsland der
Europäischen Union möglich ist]. Hallo? Warum sollten Mordfantasien und
Rachegelüste gegenüber Journalisten, die korrupte Machenschaften
aufzudecken versuchen, ausgerechnet an den Türen der EU haltmachen?
Zu dieser bizarren Wahrnehmung passen die geringe Aufmerksamkeit und
mangelnde Solidarität mit Medienmachern in Ländern außerhalb des Brüsseler
Klubs. Beispiel Ukraine – ein Land, das gefühlt und real noch Lichtjahre
von der EU entfernt ist. Wer redet heute noch von dem Journalisten Pawel
Scheremet, [3][den im Juli 2016 eine Autobombe zerfetzte?]
## Polen, Ungarn und Bulgarien lassen grüßen
Klar, in der Ostukraine wird fast jeden Tag gestorben, business as usual
also. Nur: Scheremet wurde in Kiew getötet, und aus der Hauptstadt sind –
zumindest bis jetzt – keine Kampfhandlungen überliefert.
Apropos EU: Es muss ja nicht immer gleich Mord sein. Druck auf kritische
Journalisten, Behinderung der Arbeit von missliebigen Zeitungen und
Webseiten bis hin zur Schließung, kurzum: eine Medienlandschaft, die stetig
weiter an Vielfalt und damit auch ihre Kontrollfunktion einbüßt. Polen,
Ungarn und Bulgarien (um nur einige Beispiele zu nennen) lassen grüßen.
Wobei der einzig tröstliche Umstand ist, dass hier noch keine Menschenopfer
zu beklagen sind.
Noch nicht. Und so könnte eine Erkenntnis aus dem Mord in der Slowakei
sein: Vielleicht jetzt schon einmal genau hinsehen. Und nicht erst dann,
wenn es zu spät ist.
9 Mar 2018
## LINKS
[1] /Mord-an-slowakischem-Journalisten/!5486307
[2] /Medienrechtlerin-ueber-Journalisten-Mord/!5488273
[3] /Terror-in-der-Ukraine/!5320927
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Schwerpunkt Pressefreiheit
Investigativer Journalismus
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Daphne Caruana Galizia
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Ukraine
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Schwerpunkt Europawahl
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