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# taz.de -- Mord an slowakischem Journalisten: Es wird eng für Premier Róbert…
> Viele machen die Regierung und deren Verachtung für Medien für den Mord
> an Ján Kuciak mitverantwortlich. Es droht eine Regierungskrise.
Bild: 25.000 Menschen demonstrierten am Freitag in Bratislava in Gedenken an di…
PRAG taz | Bitter kalt war es in der vergangenen Woche in der Slowakei
gewesen. In der Hohen Tatra fielen angestammte Kälterekorde, während in
Bratislava Eisschollen die Donau entlangtrieben. Für diese Woche ist wieder
Tauwetter angesagt, bis auf frühlingshafte 16 Grad soll das Thermometer am
Wochenende steigen.
Ministerpräsident Róbert Fico muss sich allerdings weiterhin warm anziehen.
Das Eis, auf dem seine populistisch-sozialdemokratische Regierung sich
derzeit bewegt, ist verdammt dünn.
Viele Slowaken machen Fico und seine Regierungskoalition mitverantwortlich
für den kaltblütigen Mord an dem jungen Journalisten Ján Kuciak und seiner
Partnerin Martina Kušnírová. Beide waren Ende Februar in ihrem Haus in der
slowakischen Donautiefebene regelrecht hingerichtet worden.
Am 2. März demonstrierten 25.000 Menschen in Bratislava in Gedenken an Ján
und Martina. Auch wenn Präsident Andrej Kiska während seiner Rede betonte,
dass es sich um einen Gedenkmarsch und keinesfalls eine politische
Demonstration handelte, liefen die Vorwürfe gegenüber der Fico schweigend
mit.
Das Eis wird dünner
Immer wieder hat Róbert Fico die Arbeit von Journalisten mit vulgären
Aussprüchen delegitimiert und sie selbst entmenschlicht. Als „schmutzige
antislowakische Prostituierte“ hat der Ministerpräsident sie bezeichnet,
als „Hyänen“ und als „Schlangen“. Harte Worte.
Und plötzlich wird ein junger Journalist ermordet. Keine Schlange und keine
Hyäne – ein junger Mensch, der kurz vor seiner Hochzeit stand und mit
seiner Partnerin Martina ein Häuschen auf dem Land renovierte,
Familienpläne schmiedete.
In acht Wochen, am 5. Mai, wollten Ján und Martina heiraten. Er freue sich
so auf ihre gemeinsamen Tage, hatte Ján in seiner Hochzeitsrede
geschrieben, mit der er Martina während der Trauung überraschen wollte. Sie
wurde am Samstag an seiner Beerdigung vorgetragen. Beide wurden in ihren
jeweiligen Heimatorten bestattet. In ihren Hochzeitskleidern. Es ist die
Brutalität dieser Tragödie, die die Slowakei in Schock und Trauer versetzt
hat. Doch bald dürfte sich die Frage nach dem oder den Schuldigen stellen.
„Nach dem Mord ist die Slowakei anders als zuvor“ sagte der Chefredakteur
des slowakischen Nachrichtenmagazins Týždeň, Štfan Hríb, gegenüber der ta…
Die Regierung Ficos, so Hríb, habe mit dem Mord nicht nur ihre Legitimität,
sondern auch allen Respekt verloren. Und das nicht allein wegen ihrer
Worte, die möglicherweise die Tat gegen den Journalisten geebnet hatte.
Sondern auch wegen ihrer Taten.
Verwicklungen von Wirtschaft, Politik und Mafia
Denn Ján Kuciak war ein Journalist, der wusste, wie man recherchiert und
die einzelnen Fragmente zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Immer wieder
stocherte er dabei in dem Sumpf, in dem Wirtschaft und Politik zusammen vor
sich hin gären.
Er stieß auf Schaltstellen zwischen Wirtschaft und Politik, wo er auf
Steuertricks, Amigo-Deals und zuletzt auch auf Mafia in all ihren
verschiedenen Erscheinungen. Egal welche Krake es war, die Kuciak aus den
Tiefen des slowakischen Klüngels zog: ihre Fänge reichten immer bis ganz
nach oben ins Regierungsamt.
Marián Kočner, zum Beispiel. Dem Unternehmer hatte Kuciak im vergangenen
Jahr auf aktuality.sk – dem Webportal, bei dem er seit 2015 gearbeitet
hatte – ganze 29 Artikel gewidmet. Der Immobilienspekulant, der bis vor
Kurzem als Nachbar Ficos in einer Reichensiedlung in Bratislava lebte, soll
vor allem dank undurchsichtiger Geschäfte mit dem Staat zu seinem Reichtum
gekommen sein.
Als er Kuciak im vergangenen Sommer im Zusammenhang mit seiner Arbeit
bedrohte, erstattete der Journalist sogar Strafanzeige. Die, so fand
Kuciak, wurde aber nie von der Polizei bearbeitet.
Der Koalitionspartner fordert Rücktritte
Kuciaks letzte Recherche, die inzwischen posthum veröffentlicht wurde, legt
dar, wie eng Robert Fico und seine Mitarbeiter mit dem organisierten
Verbrechen verstrickt sind. Mit Ficos Chefberaterin Marie Trošková hatte
die italienische ’Ndrangheta direkten Zugang auf die Regierungsbänke.
Trošková, ein ehemaliges Playmate, war privat und geschäftlich mit dem
’Ndrangheta-Paten Antonino Vadala verbändelt.
Über gute Beziehungen zu Exwirtschaftsminister und Medienmogul Pavol Rusko
sowie zum Sekretär des staatlichen Sicherheitsrates Viliám Jasaň war die
Trošková in die unmittelbare Nähe von Róbert Fico vorgedrungen. Beide, wie
auch Kulturminister Marek Maďarič sind inzwischen schon zurückgetreten. Den
Slowaken reicht das nicht. Wer auch immer hinter dem kaltblütigen Mord
stecken mag, die politische Verantwortung schreiben die Slowaken Róbert
Fico und seinem Innenminister Robert Kaliňak zu. Die Rufe nach deren
Rücktritt werden immer lauter.
Am Wochenende sprach Präsident Andrej Kiska Klartext. Er werde mit den
politischen Parteien darüber reden, wie sie sich ihre politische Zukunft
vorstellen, erklärte Kiska. Er selbst sehe nur zwei Möglichkeiten: eine
neue Regierung, die die Gesellschaft nicht weiter polarisieren würde. Oder
Neuwahlen.
Fico hingegen will davon nichts wissen. Einen Rücktritt schließt er aus.
Wie lange noch, bleibt fraglich. Denn Ficos Koalitionspartner, die
ungarische Most-Hid-Partei, hat ihm das Messer an den Hals gelegt. Entweder
Innenminister Kaliňak trete innerhalb von sieben Tagen zurück oder die
Partei verlasse die Koalition. Dazu kommt der Unmut der EU. Die Kommission
kündigte an, den Strom von Fördermitteln ins Land zu prüfen.
6 Mar 2018
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
## TAGS
Ján Kuciak
Mord
Regierung
Auftragsmord
Journalist
Mafia
Slowakei
Schwerpunkt Pressefreiheit
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