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# taz.de -- Ruander verklagen Belgiens Regierung: „Offensichtlich krimineller…
> Völkermordüberlebende aus Ruanda verklagen Belgiens Regierung. Es geht um
> den Abzug von Blauhelmen vor einem Massaker im Jahr 1994.
Bild: Links: Der damalige belgische UN-Vizekommandant in Ruanda, Oberst Luc Mar…
Brüssel taz | Seit Freitag läuft in Brüssel ein Berufungsprozess gegen
Belgiens Regierung, angestrengt von drei Familien ruandischer
Völkermordüberlebender. Es geht um eines der schlimmsten Einzelmassaker des
Völkermordes in Ruanda, bei dem 1994 rund eine Million Menschen, zumeist
Tutsi, getötet wurden – und um den Vorwurf, belgische UN-Soldaten hätten
Opfer im Stich gelassen.
Rund 2.000 Menschen, darunter mehrere hundert Kinder, starben, als am 11.
April 1994 die Hutu-Miliz „Interahamwe“ die technische Oberschule ETO Don
Bosco in Ruandas Hauptstadt Kigali überfiel. Das Schulgelände war voll mit
Zufluchtsuchenden – fast alles Tutsi, aber auch prominente Hutu-Politiker
wie der ehemalige Außenminister Boniface Ngulinzira, der den
Friedensprozess mit Tutsi-Rebellen unterstützt hatte, um dessen Beendigung
es den Völkermordverantwortlichen ging. Denn es wurde von
UN-Blauhelmsoldaten geschützt. Das Massaker begann, nachdem die rund 100
UN-Soldaten aus Belgien das Schulgelände verlassen hatten.
Den Abzug hatte der belgische Oberst Luc Marchal befohlen, Nummer zwei der
UN-Mission in Ruanda. Laut Anklage wurden die Belgier abgezogen, um
stattdessen belgische Zivilisten zwecks Evakuierung zum Flughafen von
Kigali zu begleiten. Die Zufluchtsuchenden in der Schule wurden schutzlos
gelassen und fast alle massakriert – außer etwa 50 von ihnen, die sich
unter den Leichen der anderen verstecken konnten.
Vor Gericht geht es darum: Wer hat den Abzugsbefehl erteilt – die UNO oder
Belgien? Gegen eine erste Verurteilung im Jahr 2010 hatte Belgien Berufung
eingelegt. Die Kläger verweisen über ihren Anwalt Luc Walleyn auf das
Massaker an Tausenden bosnischen Muslimen durch die bosnisch-serbische
Armee in der UN-Schutzzone Srebrenica am 11. Juli 1995 trotz der
Anwesenheit niederländischer Blauhelmsoldaten. Im Juni 2017 hatte ein
Berufungsgericht in Den Haag geurteilt, dass die Niederlande
mitverantwortlich für den Tod von 350 bosnischen Muslimen seien, die aus
der niederländischen UN-Basis hinausgeworfen worden waren.
Ein anderer Anwalt der Überlebenden, Eric Gillet, sagt ebenfalls, dass
Brüssel und nicht die UN-Zentrale in New York den Abzug der belgischen
Blauhelme entschieden habe. Nach der Ermordung von zehn belgischen
UN-Soldaten durch ruandische Hutu-Soldaten am 7. April 1994 hätten die
Belgier keine UN-Befehle mehr angenommen. Es ist zu erwarten, dass die
Verteidigung diesen Punkt bestreitet. Der damalige belgische Außenminister
Willy Claes hatte 1997 vor dem belgischen Parlament ausgesagt, Belgiens
Regierung habe erst am 12. April 1994 den Abzug ihrer Blauhelme aus Ruanda
beschlossen.
Jenseits der Kommandoverantwortlichkeit werfen die Kläger auch die Frage
auf, ob die belgischen Soldaten an der ETO-Hochschule sich nicht den
„offensichtlich kriminellen“ Befehlen zum Abzug hätten widersetzen müssen.
Die Verhandlung wird am 8. März fortgesetzt.
6 Mar 2018
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
Ruanda-Völkermordprozess
Belgien
Ruanda
Völkermord
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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