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# taz.de -- Amnestie in Ruanda: Gnade für Oppositionspolitikerin
> Die Vorsitzende der Hutu-Exilpartei FDU kommt nach fast achtjähriger Haft
> vorzeitig aus dem Gefängnis. Was bedeutet diese Freilassung?
Bild: Victoire Ingabire beim Prozess 2011 in Ruandas Hauptstadt Kigali
Berlin taz | Ruandas Präsident Paul Kagame hat eine seiner bekanntesten
politischen Gegnerinnen [1][aus der Haft entlassen]. Victoire Ingabire,
Vorsitzende der ruandischen Hutu-Exilpartei FDU (Vereinigte Demokratische
Kräfte), verließ am Samstag als freie Frau das Gefängnis der Hauptstadt
Kigali. Das Justizministerium hatte ihre präsidiale Begnadigung als eine
von rund 2.140 Häftlingen am Freitag bekanntgegeben.
Im Jahr 2012 hatte ein ruandisches Gericht die 49-jährige zu acht Jahren
Haft wegen terroristischer Verschwörung und Völkermordleugnung verurteilt.
Das Oberste Gericht erhöhte die Strafe in der Revision dann auf 13 Jahre.
Es warf ihr unter anderem vor, aus dem Kongo heraus Kontakte zur Hutu-Miliz
FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gehabt zu haben, die
gegen die ruandische Regierung kämpft. Außerdem wurde sie beschuldigt, in
einer Ansprache von einem Völkermord an ruandischen Hutu geredet zu haben.
Hutu-Exilkreise und Menschenrechtsorganisationen hatten sie zum Opfer eines
diktatorischen Regimes erklärt und ihre Verurteilung als politisch
motiviert denunziert.
Ingabire hatte von 1994 bis 2010 im Exil gelebt. In den Niederlanden war
sie zur Präsidentin der Hutu-Exilpartei RDR (Sammlung für Demokratie in
Ruanda) aufgestiegen. Sie führte diese in eine Allianz mit anderen
Exilparteien – die FDU. Als deren Chefin kehrte sie 2010 in die Heimat
zurück, um die neue Partei zu registrieren und für sie bei den
Präsidentschaftswahlen 2010 zu kandidieren. Beides wurde verboten.
Ruandas Regierung sieht die Exilpartei FDU und ihre Bestandteile als
Frontorganisationen geflohener Täter des Völkermordes von 1994. In jenem
Jahr waren bis zu eine Million Tutsi von der damaligen Hutu-Regierung
Ruandas und deren Streitkräften und Milizen getötet worden.
Flüchtige Hutu-Generäle gründeten 1995 die Exilpartei RDR. Aus ihr ging
später auch die bewaffnete Gruppe FDLR hervor, deren Präsident Ignace
Murwanashyaka in Deutschland als Rädelsführer einer terroristischen
Vereinigung in Haft sitzt.
## Lockerung der ruandischen Innenpolitik
In Ruanda regiert heute die einstige Tutsi-Rebellenbewegung RPF (Ruandische
Patriotische Front), die 1994 unter Führung Paul Kagames den Völkermord
beendete. Sie lehnt jede organisierte Beteiligung der einstigen
Völkermordtäter und ihrer Nachfolgeorganisationen an Ruandas politischem
Leben ab. Wer sich für diese Kräfte ausspricht oder ihre politischen
Aktivitäten rechtfertigt, dem wirft die Regierung vor, das Land zu spalten.
Immer wieder werden Regierungskritiker unter dem Vorwurf der Kollaboration
mit bewaffneten Hutu-Gruppen inhaftiert. So war auch einer der bekanntesten
Sänger Ruandas, der Tutsi Kizito Mihigo, kurz nach den Gedenkfeiern zum 20.
Jahrestag des Völkermordes 2014 verhaftet und verurteilt worden. Er ist
jetzt ebenfalls freigekommen.
Die Freilassungen erscheinen als Teil einer leichten Lockerung der
ruandischen Innenpolitik. Noch im August 2017 war Kagame bei den
Präsidentschaftswahlen mit 98,8 Prozent wiedergewählt worden.
Bei den Parlamentswahlen am 3. September 2018 begnügte sich seine RPF dann
mit 74 Prozent der Stimmen. Zwei Oppositionsparteien zogen erstmals ins
Parlament ein: Die „Soziale Partei“ des ehemaligen Häftlings Bernard
Ntaganda und die „Grünen“ unter Frank Habineza übersprangen jeweils knapp
die Fünfprozenthürde. Sie erhielten je zwei Sitze in der 80köpfigen
Legislatur.
Es bleibt nun abzuwarten, wie der Staat reagiert, falls Ingabire – wie sie
in einem Interview mit dem französischen RFI-Rundfunk nach ihrer
Freilassung ankündigte – wieder politisch aktiv wird.
16 Sep 2018
## LINKS
[1] /Ruandische-Oppositionsfuehrerin-ist-frei/!5535888
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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Paul Kagame
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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Kofi Annan
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