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# taz.de -- Kofi Annan und Ruanda: Der Schatten des Völkermords
> Anfang 1994 stoppte der spätere UN-Generalsekretär Annan in Ruanda ein
> Eingreifen gegen die Vorbereitung zum Völkermord.
Bild: Späte Einsicht: Kofi Annan in einer Völkermord-Gedenkstätte in Ruanda,…
Berlin taz | „Judas ist tot“, kommentiert der ruandische Autor Gatete
Ruhumuliza auf Twitter die Nachricht vom Tod Kofi Annans. Die Bilanz des
ehemaligen UN-Generalsekretärs wird in Afrika sehr unterschiedlich
diskutiert.
Während sein Heimatland Ghana ihn als Friedensstifter verehrt und eine
Woche Staatstrauer ausgerufen hat, erinnert sich Ruanda, wo die UNO im
April 1994 trotz Anwesenheit einer Blauhelmtruppe nicht gegen den
Völkermord an bis zu einer Million Tutsi einschritt, an Kofi Annan als
Versager.
Dabei geht es nicht um seine Zeit als UN-Generalsekretär, sondern um seine
Leitung der für Blauhelme zuständigen UN-Abteilung für Friedenssicherung
(DPKO) ab 1993.
Kern der Anschuldigungen ist die Art, wie Kofi Annan in den Monaten vor
Beginn des Völkermordes Warnungen des UN-Blauhelmkommandeurs in Ruanda,
General Roméo Dallaire aus Kanada, über die Vorbereitung der Massaker in
den Wind schlug.
## UNO sollte Friedensabkommen überwachen
Es war eine Zeit, in der in Ruanda eigentlich ein Friedensabkommen zwischen
der Regierung des damaligen Hutu-Präsidenten Juvénal Habyarimana und der
Tutsi-Guerillabewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) des heutigen
Präsidenten Paul Kagame umgesetzt werden sollte, überwacht von UN-Truppen.
Die RPF sollte in die Regierung und in die Streitkräfte aufgenommen werden.
Radikale Generäle und Politiker in Habyarimanas Umfeld wollten das
verhindern.
Zu diesem Zweck baute Ruandas damalige Regierungspartei eine Jugendmiliz
„Interahamwe“ auf, die unter anderem von der Präsidialgarde trainiert und
ausgerüstet wurde. Sie machte Hutu-Jugendliche mobil, während radikale
Medien gegen die Tutsi als „fünfte Kolonne“ der RPF hetzten.
## Informant schlug beim UN-General Alarm
Am 10. Januar 1994 erfuhr UN-General Dallaire von einem „hochrangigen
Ausbilder“ der Interahamwe, dass die Miliz alle Tutsi registriere und
illegale Waffendepots angelegt habe. Der Informant würde die Waffenlager
preisgeben, wenn er dafür Schutz für seine Familie erhielte.
Dallaire schickte am 11. Januar einen Bericht an die von Kofi Annan
geleitete UN-Friedensabteilung DPKO in New York mit dem Vorschlag: „Aktion
innerhalb von 36 Stunden“.
„Die verschlüsselte Antwort von Kofi Annan (…) traf mich völlig
unvorbereitet“, erinnert sich Dallaire in seinen Memoiren. „Annan tadelte
mich, dass ich auch nur daran dächte, die Waffenlager zu konfiszieren, und
befahl mir, die Operation sofort zu stoppen.“ Außerdem seien die
Informationen des Informanten „sofort an Präsident Habyarimana
weiterzugeben“.
Nach weiteren vergeblichen Bemühungen und einer Absage aus New York an
Dallaires Vorschlag, dem Informanten sichere Ausreise zu verschaffen, bat
Dallaire erneut Annan um grünes Licht, die Waffenlager auszuheben –
schließlich sei die „Sicherung aller an Zivilisten verteilten Waffen“ Teil
des Friedensabkommens.
## „Keine, wiederhole: keine aktive Rolle“
Annan lehnte am 3. Februar erneut ab: die UN-Mission dürfe in Ruanda nur
die Regierung und die RPF unterstützen, „aber keine, wiederhole: keine
aktive Rolle“ übernehmen.
Als im April das Abschlachten der Tutsi begann, war Annans erste Reaktion
laut Dallaire, mit einem Abzug der Blauhelme zu drohen. So kam es dann
auch. Erst später bat Annan im UN-Sicherheitsrat um mehr Blauhelme –
erfolglos.
Lange Zeit wollte Annan hinterher nicht wahrhaben, was er angerichtet
hatte. Noch im März 1995 schrieb er über UN-interne Warnungen vor Ruandas
Völkermord: „Wir erinnern uns nicht an irgendwelche spezifischen Berichte.“
Es sollte Jahre dauern, bis Annan sich erinnerte und 1998 Ruanda besuchte,
um sich zu entschuldigen. Da war er schon UN-Generalsekretär. Verziehen hat
ihm Ruanda bis heute nicht.
19 Aug 2018
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Kofi Annan
UN-Blauhelme
Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Lesestück Recherche und Reportage
Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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