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# taz.de -- Wahl in Italien: Die Rechte ist wieder da
> Am Sonntag wird in Italien gewählt. Wenn einer Chancen auf eine
> Parlamentsmehrheit hat, dann der Rechtsblock und der ewige Berlusconi.
Bild: Gewährt Berlusconi einen späten politischen Frühling: Giorgia Meloni, …
Rom taz | Am Sonntag, dem 4. März, wählt Italien ein neues Parlament – und
bis vor einigen Monaten stand wenigstens der sichere Verlierer fest: die
Rechte um Silvio Berlusconi. Der Ausgang der Wahlen war offen, eines aber
schien klar, wenn man den Demoskopen glauben durfte: Das Rennen würde die
bisher in Rom regierende Partito Democratico (PD) unter Matteo Renzi machen
– mit dem fundamentaloppositionellen Movimento5Stelle (M5S – der
5-Sterne-Bewegung) unter dem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio .
Von wegen. Die Rechte ist wieder da und mit ihr der ewige Berlusconi. Wenn
einer am Sonntag Chancen auf den Sieg hat, auf eine Parlamentsmehrheit und
damit die Regierung, zumindest aber auf den ersten Platz unter den drei
politischen Lagern, dann ist es der Rechtsblock. Ein 81-Jähriger, der mit
seinem gelifteten, gebräunten Gesicht, mit seinen transplantierten Haaren
aussieht, als sei er mal eben aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett
geflohen – er hat von Montag an womöglich Italiens Schicksal wieder in der
Hand.
Zu verdanken hat Berlusconi diesen neuen politischen Frühling der Tatsache,
dass es ihm gelungen ist, mit der Lega Nord unter Matteo Salvini und der
strammrechten Kleinpartei Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter
Giorgia Meloni eine Wahlallianz zu schmieden; ergänzt um eine vierte,
kleine, gemäßigte Mitte-rechts-Liste.
Das erinnert fatal an 1994, an Berlusconis ersten Wahlsieg. Auch damals
brachte er seine Forza Italia mit der Lega Nord und mit den Postfaschisten
der Alleanza Nazionale (AN) zusammen, eroberte die Mehrheit im Parlament.
Damals war das Bündnis geeint durch populistische Töne und zugleich
ziemlich gespalten: Die Ultranationalisten von AN konnten einfach nicht mit
den Nordseparatisten von der Lega; die Allianz überdauerte nur wenige
Monate.
## Bruchlinien einer angestrebten Koalition
Auch diesmal sind die Bruchlinien in der angestrebten Koalition
unübersehbar, doch sie haben sich komplett verschoben. Das beginnt bei
Berlusconi selbst. Er war einer der ersten europäischen Populisten, die
Wahlerfolge feiern konnten, mit Ausfällen gegen die „Politikaster“, die
Justiz, auch gegen Europa.
Heute präsentiert er sich als „Bollwerk gegen den Populismus“ und hat daf�…
den Ritterschlag von Manfred Weber erhalten – dem Fraktionsvorsitzenden der
Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, zu der Forza Italia
ebenso gehört wie die CDU/CSU. Weber war deshalb vor wenigen Tagen nach Rom
geeilt.
Dumm nur, dass Berlusconi gemeinsam mit zwei dezidiert populistischen
Parteien kandidiert. Mit Parteien, die Ausländer raushaben wollen und sich
gegen die EU aufstellen. Das mit dem Bollwerk ist geschwindelt. Eher schon
stimmt, dass sich in Italiens Rechtsblock zwei unterschiedliche Populismen
gegenüberstehen, der Gute-Laune-Populismus Berlusconis und der
Schlechte-Laune-Populismus Salvinis und Melonis.
## Füllhorn von Versprechen
Gewiss, auch Silvio ist für Ausfälle gegen Migranten gut. Er diagnostiziert
schon mal, dass „500.000 kriminelle Einwanderer“ in Italien unterwegs
seien, um den Italienern den Kühlschrank leer zu räumen. Doch eigentlich
interessiert ihn das Thema nicht, genauso wenig wie der Euro und die EU.
Ihn interessiert, seit 1994, die Italiener mit einem Füllhorn von
Versprechen in seinen Bann zu schlagen – vom kostenlosen Zahnersatz für
Rentner über eine „Flat Tax“ von 23 Prozent für alle bis zu Mindestrente
und Mindesteinkommen für alle.
Auf diesem Weg, so hofft er, könne seine Forza Italia zur stärksten Kraft
im Rechtsbündnis werden. Auch wenn er selbst, dank seiner Vorstrafe als
Steuerbetrüger, diesmal gar nicht kandidieren und nicht Ministerpräsident
werden kann.
## Schlechte-Laune-Populismus
Ganz andere Vorstellungen von der Zukunft der italienischen Rechten haben
allerdings Salvini und Meloni. Besonders Salvini setzt auf
Schlechte-Laune-Populismus: Noch vor ein paar Jahren predigte die Lega Nord
den Separatismus, ganz wie in Katalonien – unter ihm dagegen haben sich die
Akzente radikal verschoben.
Der Hauptfeind sind „die Ausländer“. „Italiener zuerst“ heißt sein
Wahlkampfslogan, und er zieht. „500.000 illegale Immigranten sofort
rausschaffen“ will Salvini, die Städte für die Italiener „zurückerobern�…
das ist der Sound. Er zieht genauso wie die Polemik gegen den Euro, „eine
Währung, die nur Deutschland nützt“. Nie war die Lega seit ihrer Gründung
in Umfragen so stark wie gegenwärtig mit 12 bis 14 Prozent.
Und auch Meloni, eine Römerin von 41 Jahren, die mit starker
Dialekteinfärbung spricht, macht mit ihren postfaschistischen „Brüdern
Italiens“ aggressive Propaganda gegen Ausländer. Beide, Salvini wie Meloni,
finden gar nichts Schlimmes daran, dass Berlusconi zur europäischen
Parteienfamilie der EVP – der Christdemokraten und Konservativen – gehört.
Schließlich, so die zwei unisono, sei dort auch der bewundernswerte Viktor
Orbán zu Hause. Erst vergangenen Mittwoch flog Meloni nach Budapest, um
Orbán die Hand zu schütteln.
## Protestvotum der Unzufriedenen und Verbitterten
Elektoral funktioniert die Arbeitsteilung im Bündnis gerade im Norden
hervorragend. Dort holt die Lega das Protestvotum der Unzufriedenen, der
Verbitterten ab, dort ist das Movimento5Stelle deshalb deutlich schwächer
als in Mittel- und Süditalien. Die Folge: Nach Berechnungen der
Wahlforscher hat die Rechte beste Chancen, die meisten Personenwahlkreise
zu gewinnen – über die gut ein Drittel der Sitze vergeben werden –, in der
Lombardei zum Beispiel 31 der 35, im Veneto 16 der 19 Sitze.
Offen bleibt, wie diese Rechte, diese Allianz feindlicher Brüder, am Ende
regieren will. Berlusconi gab am Donnerstag seinen Wunschkandidaten für das
Amt des Ministerpräsidenten bekannt: Antonio Tajani, gegenwärtig Präsident
des Europäischen Parlaments und früher EU-Kommissar.
Tajani ist Proeuropäer, er soll dafür sorgen, dass in Brüssel, in Berlin,
in Paris – und an den Finanzmärkten – nach einem Sieg der Rechten keine
Unruhe ausbricht. Tajani steht aber damit für das Gegenteil dessen, was
Salvini und Meloni mit ihrem aggressiv europaskeptischen Kurs predigen.
So hat denn auch der Lega-Chef ganz andere Vorstellungen. Er zieht mit dem
Slogan „Salvini Premier“ durchs Land. Und er verfolgt als oberstes
Wahlziel, dass die Lega zur stärksten Kraft im Rechtsblock wird. Gänzlich
ausgeschlossen ist das nicht, sahen doch einige Meinungsumfragen
Berlusconis Forza Italia mit 16 Prozent nur 2 Prozent vor der Lega. Nein zu
einem Regierungschef Salvini könnte Berlusconi dann kaum noch sagen. Ja
sagen kann er aber auch nicht: Er weiß zu gut, dass eine Regierung Salvini
die EU, ebenso wie Italien, in eine tiefe Krise stürzen könnte.
3 Mar 2018
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Berlusconi
Die Rechte
Populismus
Lesestück Recherche und Reportage
Italien
Lega Nord
Schwerpunkt Rassismus
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Wahlen
Antonio Tajani
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