# taz.de -- Kolumne Teilnehmende Beobachtung: Lasst uns über das Wetter reden! | |
> Trotz eisiger Kälte herrscht in alten Leipziger Backstuben seit | |
> Jahrzehnten die gleiche Gemütlichkeit. Neue Kunden müssen das soziale Eis | |
> brechen. | |
Bild: In manchen Leipziger Backstuben ist seit Jahrzehnten die Zeit stehengebli… | |
Dieses eiskalte Sauwetter! Es ist das Gesprächsthema Nummer eins dieser | |
Tage. Mindestens minus neun Grad habe es draußen, verkündet der eine. Der | |
andere beteuert, es habe bestimmt minus zwölf Grad angezeigt, als er das | |
letzte Mal seine Wetter-App gecheckt hat. Man würde sich schon gar nicht | |
mehr hinaus trauen, man wüsste schon gar nicht mehr, was anziehen. | |
Tatsächlich scheint es heute die größte Herausforderung des Tages zu sein, | |
von A nach B zu gelangen, ohne sich Nase oder Zeh abzufrieren. Umso besser, | |
wenn das Ziel dann wohlig warm ist und nach frisch gebackenem Brot duftet: | |
eine der wunderbar altmodischen Bäckereien der Stadt. | |
Auch wenn es in Leipzig immer mehr Ketten gibt – im Vergleich zu anderen | |
Städten scheint es noch viele Privatbäckereien zu geben. Die meisten von | |
ihnen halten sich länger als jedes Hipster-Geschäft auf der Karl-Heine – | |
und die Jahre, die seit ihrer Eröffnung ins Land gegangen sind, sieht man | |
ihnen oft an. Seit Jahrzehnten hat sich in den wenigen Quadratmeter kleinen | |
Verkaufsräumen kaum etwas verändert. | |
„Wir backen noch mit Freude“, verspricht ein Schild. Das Lächeln der | |
Bäckereifachverkäuferin scheint das zu bestätigen. Mitte 50, flotter | |
Kurzhaarschnitt, randlose Brille, strahlend weiße Schürze. Wie lange sie | |
hier wohl schon arbeitet? Zehn Jahre? 20 Jahre? Nicht nur das Personal und | |
die Backweise scheinen schon immer dieselben gewesen zu sein. Das Interieur | |
muss schon in den 80er Jahren so dagestanden haben – inklusive der | |
quietschbunten Plastikblumen auf dem Tresen. | |
An einem der beiden Tischchen im Schaufenster sitzt ein älterer Herr, so | |
als ob er seit Jahren zur Einrichtung dazugehört. Er nippt an einem Kaffee | |
und pausiert seine Mohnschnitte, während er verwundert aufblickt, um die | |
Eintretende zu mustern. Einen Moment lang fühle ich mich wie ein | |
Eindringling. Dann sage ich: „Brrr, was für ein Wetter!“ Der Mann am Tisch | |
löst den grimmigen Blick durch warme Worte ab: „Immer rein in die warme | |
Stube.“ Über das Wetter zu reden ist eben noch immer ein soziales | |
Schmiermittel. | |
4 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
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