# taz.de -- Kolumne Teilnehmende Beobachtung: Leipzigs unsichtbare Grenze | |
> Zugezogene bleiben gerne unter sich – und fühlen sich den | |
> alteingesessenen Leipzigern überlegen. Dabei würde ihnen ein wenig | |
> Stadtrandrealität gut tun. | |
Bild: Rein in die Straßenbahn: Warum nicht mal bei der Endhalte aussteigen? | |
Neulich habe ich ein Gespräch zwischen zwei Studentinnen mitgehört. Eine | |
von ihnen war gerade nach Leipzig gezogen und zeigte sich besorgt über den | |
sächsischen Dialekt, den sie – na klar – schrecklich fand. Die andere | |
wohnte schon längere Zeit in der Stadt und beruhigte sie: „Sächsisch höre | |
ich hier eigentlich gar nicht, außer vielleicht mal beim Einkaufen in der | |
Innenstadt.“ | |
Kein Sächsisch in Leipzig? In welcher Stadt lebt die denn? Vielleicht | |
weniger in Plagwitz oder Schleußig, wo sich viele der jungen Leute mit | |
westdeutschem Migrationshintergrund niederlassen. Dafür umso mehr in Mockau | |
oder Paunsdorf. Aber solche Teile von Leipzig kennen viele nur vom Namen | |
her, weil sie als Endhaltestellen auf den Anzeigen der Straßenbahnen | |
prangen. Dagewesen sind sie noch nie. | |
Und sie wollen auch gar nicht dorthin. Viele der Zugezogenen bleiben gerne | |
unter sich. Sie kommen, um an der Uni zu studieren und gehen dann wieder. | |
Oder bleiben, weil sich in Leipzig eben noch ein Lebensstil pflegen lässt, | |
der in vielen westdeutschen Städten nicht mehr möglich ist. Sie profitieren | |
von den vergleichsweise niedrigen Mieten und Lebenshaltungskosten und | |
können gleichzeitig den alternativen und kosmopolitischen Geist der Stadt | |
genießen. | |
Und so trinken sie in schummrigen Bars mit rohen Ziegelwänden oder sitzen | |
mit Ihresgleichen in Altbauküchen zusammen. Mit der Realität am Leipziger | |
Stadtrand hat das wenig zu tun. Längst hat sich eine Grenze innerhalb der | |
Stadt verfestigt: zwischen der „kulturellen Oberschicht“, die zum Großteil | |
aus Wessis besteht, und den „rückständigen Alteingesessenen“ an den Ränd… | |
Leipzigs. | |
Obwohl sich erstere meist mit den Attributen alternativ und tolerant | |
schmücken, wollen sie nicht einmal die andere Seite der eigenen Stadt sehen | |
und verstehen lernen. Weltoffen ja, offen für alteingesessene Sachsen nein. | |
Schon gar nicht, wenn die dann auch noch Sächsisch sprechen. | |
11 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
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