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# taz.de -- Protest gegen Sicherheitskonferenz: Das andere München
> Gegen Geschäfte mit dem Krieg: Wie in jedem Jahr demonstrieren
> Friedensbewegte gegen das Treffen von Politik, Militärs und
> Rüstungsindustrie.
Bild: Kundgebung am Marienplatz in München
München taz | Das herrschende Wetter ist das Wetter der Herrschenden.
Pünktlich zum Beginn der traditionellen Demonstration gegen die Münchner
Sicherheitskonferenz setzt am Samstagmittag ein unangenehmes Schneetreiben
ein. In kürzester Zeit werden die Straßen zu Rutschbahnen. Im Bayerischen
Hof ist es gemütlicher. Trotzdem sind es wieder mehrere tausend
Unverdrossene, die sich unter dem Motto „Frieden statt Aufrüstung! Nein zum
Krieg“ in der Innenstadt Münchens versammeln. Rund 2.200 Menschen sollen es
sein, schätzt die Polizei. Es könnten auch ein paar mehr sein.
Einer von ihnen ist Claus Schreer. Der 79-jährige Grafiker ist der Sprecher
des „Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“ – und so etw…
wie eine friedensbewegte Institution in München. Bereits als junger
Kriegsdienstverweigerer war er beim ersten Münchner Ostermarsch 1961 dabei,
beim Kampf gegen die Pershingraketen in den Achtzigern und später den
Protesten gegen den Jugoslawien- und den Irakkrieg selbstverständlich auch.
Seit 2002 organisiert Schreer die zentrale Demonstration gegen das
Spektakel im Bayerischen Hof. Ein „Unermüdlicher“ sei er, sagt sein
Mitstreiter Konstantin Wecker über ihn.
Doch so ganz leicht fällt Schreer das Demonstrieren nicht mehr. Der Gang
des hageren Mannes ist inzwischen etwas gebückt. Das Hinaufsteigen auf die
kleine Kundgebungsbühne fällt ihm sichtlich schwerer als früher. Das Alter
hat seine Spuren hinterlassen. Ob er nicht langsam genug hat? „Ach, so
lange ich das noch machen kann, mache ich das“, sagt Schreer der taz. „So
lange die Verhältnisse so sind wie sie sind, muss man etwas tun.“ Für
„puren Etikettenschwindel“ hält er die Bezeichnung „Sicherheitskonferenz…
Tatsächlich werde da „Propaganda für Aufrüstung gemacht und die
Nato-Politik gerechtfertigt“, sagt Schreer empört.
Als Peacenikevent kann die SiKo tatsächlich schwerlich reüssieren. Seit
1963 gibt es die Tagung in der bayrischen Landeshauptstadt, die sich damals
noch „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ nannte. Nicht nur in ihren
Anfangszeiten stark geprägt vom Kalten Krieg, war sie nie unumstritten. Als
halb offizielles Forum für westliche geopolitische GroßerzählerInnen und
RüstungslobbyistInnen stößt sie bis heute bei Friedensbewegten auf heftige
Kritik.
## Ort der Geschäftsanbahnung
Zwar prägen die mehr als 100 führenden Regierungsvertretern aus aller Welt
das mediale Bild der Konferenz. Hinzu kommen allerdings wieder zahlreiche
hochrangige Militärs sowie mehr als 50 Vorstandschefs großer Konzerne. Denn
bei der Tagung geht es jenseits des offiziellen Programms auch stets um
gute Geschäfte.
Wenn Konferenzchef Wolfgang Ischinger stolz verkündet, in den Hinterzimmern
des Bayerischen Hofes könnten „Leute miteinander reden, die das nicht
öffentlich sichtbar machen wollen“, dann beschränkt sich das nicht nur auf
politisch heikle Begegnungen. Gerade für die Rüstungsindustrie ist die
Sicherheitskonferenz ein formidabler Ort zur Geschäftsanbahnung. Das lassen
sie sich auch etwas kosten: Waffenschmieden wie Krauss-Maffei Wegmann,
MBDA, Raytheon, Hensoldt oder Lockheed Martin gehören auch dieses Jahr zu
den Sponsoren der knapp 2 Millionen Euro teuren Veranstaltung.
Tagungsleiter Ischinger hört das alles nicht so gerne. Lieber betont er,
dass 90 Prozent der Sponsoren nichts mit der Rüstungsindustrie zu tun
hätten. Der ehemalige Diplomat, der seit 2008 der SiKo vorsteht, gibt sich
alle Mühe, das Großkopfertentreffen in einem positiven Licht erscheinen zu
lassen. So verweist er auch gerne darauf, dass in das Haupt- und
Rahmenprogramm in den vergangenen Jahren zunehmend auch
zivilgesellschaftliche Organisationen wie Greenpeace, Transparency
International, Human Rights Watch oder Amnesty International einbezogen
worden seien. Das stimmt, nur dass sie dort eine relevante Rolle spielen
würden, lässt sich nicht ernsthaft behaupten.
In diesem Jahr hat Ischinger die Internationale Kampagne zur Abschaffung
von Atomwaffen (ICAN) eingeladen. Eine Viertelstunde darf Beatrice Fihn,
die Direktorin der im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichneten Initiative, an diesem Samstag im großen Konferenzsaal vor
einem nicht einmal zur Hälfte gefüllten Plenum sprechen. Die großen Staats-
und Konzernlenker hören ihr nicht zu.
„Wolfgang Ischinger lädt ja extra solche NGOs ein, um sich in der
Öffentlichkeit als Gesprächspartner zu präsentieren“, sagt Claus Schreer.
Auch der in die Jahre gekommene Friedensbewegte hat schon mehrfach das
Angebot erhalten, an der SiKo teilzunehmen. „Ich habe das immer abgelehnt,
weil wir nicht das Feigenblatt für den Herrn Ischinger und seine Konferenz
spielen, die ja mit der friedlichen Lösung von Konflikten nichts zu tun
hat“, sagt er.
Die Münchner Sicherheitskonferenz bezeichnet sich selbst als „unabhängiges
Forum“. Allerdings wird ein Großteil der Kosten von der Bundesregierung
getragen. Wie schon in den Vorjahren wird die vermeintliche Privatkonferenz
auch diesmal wieder vom Presse- und Informationsamt aus einem vom
Verteidigungsministerium bereitgestellten Etat für „sicherheitspolitische
Öffentlichkeitsarbeit“ mit 500.000 Euro gesponsert. Das geht aus der
Antwort des Verteidigungsministeriums vom 8. Februar auf eine schriftliche
Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt.
In dem Schreiben sind auch die großzügigen Unterstützungsleistungen
aufgeführt, die das Verteidigungsministerium ansonsten der SiKo zukommen
lässt. So stellt die Bundeswehr auch noch rund 230 Angehörige als
HelferInnen ab. Bei der Transportorganisation kommen sie ebenso zum Einsatz
wie bei Dolmetschleistungen und beim Sanitätsdienst. Hinzu kommen noch mehr
als 60 Feldjäger zur Sicherstellung des Personen- und Begleitschutzes. Nach
den Berechnungen der Linksfraktion lässt sich die Bundesregierung das
Münchner Spektakel insgesamt mehr als 850.000 Euro kosten. Die
Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke hält das für ein Unding. „Die
Siko firmiert ja angeblich als Privatkonferenz, dann möge sie doch auch
privat bezahlt werden“, sagte sie der taz. Es seien schließlich „genügend
Rüstungskonzerne anwesend, die von den Ergebnissen dieses Kriegsratschlags
profitieren“.
Jelpke ist überzeugt: „Diese Konferenz liegt nicht im Interesse der
Bevölkerung, sie verdient keinen Cent an staatlichen Steuergeldern!“ Anders
als die Grünen, die lange Jahre ebenfalls das Großevent scharf kritisiert
hatten, hat die Linkspartei bis heute nicht ihren Frieden mit der SiKo
gemacht. Zwar nehmen seit einiger Zeit auch mehrere Mitglieder ihrer
Bundestagsfraktion an der Konferenz teil. Gleichzeitig gehören der
bayerische Landesverband der Linkspartei sowie die linksjugend [’solid] zu
den UnterstützerInnen der Gegendemonstration des Aktionsbündnisses.
„Die Münchener Sicherheitskonferenz bringt keine Sicherheit – sie ist ein
Schaulaufen der Kriegstreiber dieser Welt“, sagt die
verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz,
auf der Abschlusskundgebung der Anti-SiKo-Demo auf dem Marienplatz, nur
wenige hundert Meter vom hermetisch abgeriegelten „Bayerischen Hof“
entfernt. „Die Mächtigen der Welt reden hier in München mit schönen Worten
in der heimeligen Atmosphäre eines Luxushotels, während sie in ihren
Hauptstädten die Zerstörung anderer Länder planen“, wettert sie.
Um kurz vor 17 Uhr, etwas früher als geplant, endet die
Protestveranstaltung der SiKo-GegnerInnen. Es sind nur noch wenige Hundert,
die bis zum Schluss ausgeharrt haben. Das feuchte Schneegestöber ist
einfach zu ungemütlich. „Das ist ein Sauwetter“, sagt Claus Schreer. Wenn
seine Gesundheit es zulässt, wird er sicher auch im nächsten Jahr wieder
mit dabei sein. „Ich würde mich nicht wohlfühlen, mir nur noch zu Hause vor
dem Fernseher die ganzen Probleme anzusehen und mich dann zurückzulehnen.“
17 Feb 2018
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Sicherheitskonferenz
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Türkei
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