# taz.de -- Sicherheitskonferenz in München: Von Ohrfeigen und Atomwaffen | |
> Der verbale Schlagabtausch zwischen Regionalmächten, den USA, Russland | |
> und der EU bestimmt die Debatten. Die Türkei steht im Zentrum der | |
> Aufmerksamkeit. | |
Bild: Der Saal im Bayerischen Hof während der Rede des türkischen Ministerpr�… | |
München taz | Der zweite Tag der Münchener Sicherheitskonferenz war | |
weitgehend bestimmt von konfrontativer Rhetorik, Versuchen zur | |
Rechtfertigung laufender Kriege, von Völkerrechtsverstößen und | |
Aufrüstungsbemühungen sowie Androhungen von künftigen Militärschlägen. | |
Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die am Freitag bekannt | |
gewordenen Anklagen der US-Justiz gegen 13 Russen wegen illegaler | |
Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 als „Geschwätz“ | |
zurück, für das bislang keine Faktenbasis existiere. In seiner Rede machte | |
Lawrow die NATO, die USA und die EU verantwortlich für die angespannten | |
Beziehungen zwischen Russland und dem Westen und forderte einen | |
„respektvollen Umgang“ mit seinem Land. | |
In den 1990er-Jahren sei „Russland wie ein Schüler behandelt“ worden, heute | |
werde von einer „Bedrohung durch Russland“ gesprochen, klagte Lawrow. Dies | |
habe zu einer „Lähmung“ geführt. Es werde „Propaganda“ betrieben, der | |
„wachsende Einfluss Russlands“ werde „in negativem Kontext behandelt“. | |
Der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, Generalleutnant | |
Herbert Raymond McMaster, rechtfertigte Washingtons neue Nuklearstrategie | |
mit der geplanten Entwicklung kleinerer Atomwaffen als „Vorsichtsmaßnahme | |
gegen die Aufrüstung Russlands“. | |
## Seltsame historische Vergleiche | |
McMaster erklärte, Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft würden „die | |
Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen nicht senken, sondern erhöhen“. Mit | |
der neuen Nuklearstrategie reagiere die Trump-Administration darauf, dass | |
Russland gegen den INF-Vertrag von 1987 zur Vernichtung aller | |
Mittelstreckenraketen der damaligen Sowjetunion und der USA verstoße und | |
selbst neue Waffen entwickle. „Wir werden nicht zulassen, dass Russland | |
oder irgendein anderes Land die Bevölkerung Europas als Geisel nimmt“, | |
betonte McMaster. Moskau wirft seinerseits den USA vor, durch neue atomare | |
Waffenentwicklungen den INF-Vertrag zu verletzten. | |
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte unter Verweis | |
auf „die russischen Aggressionen 2008 gegen Georgien und 2014 gegen die | |
Ukraine“ deutlich verstärkte Aufrüstungsanstrengungen der Mitgliedsstaaten | |
von NATO und EU. „Die Appeasementpolitik der 30er Jahre und die | |
Entspannungspolitik der 70er Jahre haben nicht funktioniert“, erklärte | |
Moraviecki und stellte damit das Münchner Abkommen von 1938 über die | |
Annexion des tschechoslowakischen Sudetenlandes an Nazideutschland auf eine | |
Stufe mit der wesentlich von der westdeutschen Regierung Brandt betriebenen | |
Ost- und Entpannungspolitik. | |
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim wies jegliche Kritik am | |
Krieg seines Landes gegen die syrischen Kurden zurück und warf seinerseits | |
den USA und anderen NATO-Staaten die Unterstützung von Terroristen in | |
Syrien vor. Unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 | |
der UNO erklärte Yildirim, das militärische Vorgehen seines Landes „gegen | |
die syrisch-kurdischen Terrororganisationen YPG und PYD“ sei „genauso | |
legitim wie der Kampf der USA, Russlands und über 60 weiterer Länder gegen | |
die Terroristen des Islamischen Staates in Syrien und im Irak“. | |
## Türkei überkreuz mit der Nato | |
Die bisherige Unterstützung der USA für die YPG als Bündnispartner im Kampf | |
gegen den IS kritisierte der türkische Ministerpräsident scharf: „Wir | |
schützen die Nato-Grenzen, nämlich die Südgrenze der Türkei. Doch andere | |
NATO-Staaten arbeiten mit einer terroristischen Organisation zusammen, die | |
für uns eine Bedrohung an unserer Grenze darstellt.“ | |
Auf die Frage nach der Drohung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip | |
Erdogan, US-Soldaten in diesem Konflikt eine „osmanische Ohrfeige“ zu | |
verpassen, sagte Yildirim: „Es ist egal, ob es in Syrien oder im Irak ist: | |
Wenn es dort terroristische Aktionen gibt gegen unser Land, dann ist doch | |
klar, dass wir hier die stärkste mögliche Ohrfeige geben würden.“ Wenn sich | |
ein anderes Land kriegerisch gegen die Türkei wende, werde „natürlich“ | |
zurückgeschlagen. | |
Präsident Trumps Sicherheitsberater drohte zumindest indirekt damit, dass | |
die USA – wie schon einmal im April 2017 – mit militärischen Schlägen auf | |
einen etwaigen C-Waffeneinsatz durch die syrischen Regierungsstreitkräfte | |
reagieren würden. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor | |
kurzem sogar ausdrücklich mit „Vergeltungsschlägen“ gedroht. Auf die Frag… | |
wie militärische Schläge ohne ein vorheriges Mandat des | |
UNO-Sicherheitsrates mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien, wollte | |
Ministerpräsident Edouard Philippe auf der Sicherheitskonferenz am Samstag | |
keine Antwort geben. | |
Philipe, die britische Premierministerin Theresa May sowie | |
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderten in ihren Reden, die | |
Anstrengungen der EU im militärischen Bereich erheblich zu verstärken durch | |
deutlich erhöhte Ausgaben, den Ausbau gemeinsamer Strukturen sowie eine | |
Vereinheitlichung der Rüstungs- und Beschaffungspolitik der 28 | |
Mitgliedsländer. | |
## Konflikt um Iran-Abkommen | |
Beim Thema Iran wurden transatlantische Differenzen deutlich. Der | |
geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte die USA vor | |
einer Gefährdung des Atomabkommens mit dem Iran. „Wir raten unseren | |
amerikanischen Freunden, dieses Abkommen nicht scheitern zu lassen“, | |
erklärte Gabriel „Wir haben dieses Abkommen in Partnerschaft verhandelt, | |
und wir wollen und werden es nicht aufgeben.“ | |
US-Präsident Trumps Sicherheitsberater McMaster kritisierte „schwerwiegende | |
Mängel“ des Abkommens. Mitte Januar hatte Trump die drei europäischen | |
Vertragsstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ultimativ | |
aufgefordert, bis spätestens zum 15. Mai gemeinsam mit den USA | |
Zusatzbestimmungen zu dem Abkommen zu vereinbaren – mit erheblich | |
verschärften Auflagen für den Iran. | |
Sicherheitsberater McMaster warf dem Iran und seinen Revolutionären Garden | |
zudem vor, durch „Unterstützung terroristischer Aktivitäten“ in arabischen | |
Staaten diese Länder zu destabilisieren. McMaster forderte namentlich | |
Deutschland, Japan und Südkorea auf, „sämtliche Wirtschaftsgeschäfte mit | |
dem Iran einzustellen, von denen die Revolutionären Garden profitieren“. | |
Mit Blick auf Nordkorea forderte McMaster von China – jedoch ohne das Land | |
namentlich zu nennen – deutlich verschärfte Sanktionsmaßnahmen. „Alle | |
wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen müssen abgebrochen und | |
sogenannte Gastarbeiter ausgewiesen werden“, betonte Trumps | |
Sicherheitsberater. | |
Aus dem Rahmen fiel am Ende dieses Konferenztages der Auftritt von Beatrice | |
Fihn, Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von | |
Atomwaffen (ICAN), die 2017 den Friedensnobelpreis erhalten hatte. Vor | |
einem allerdings nur noch halbgefüllten Konferenzsaal kristisierte Fihn, | |
daß die Befürworter von atomaren Waffen und Abschreckung „niemals über die | |
katastrophalen humanitären Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen sprechen“. | |
Fihn zeigte sich überzeugt, daß „die Abschreckung nicht ewig funktionieren | |
wird, und Atomwaffen eines Tages eingesetzt werden, wenn sie nicht weltweit | |
abgeschafft werden“. Die Gefahr eines Einsatz sei bereits in den letzten | |
Jahren „deutlich gewachsen“. Und mit der jetzt von der Trump-Administration | |
geplanten Entwicklung „kleiner“Atomwaffen, werde diese Gefahr größer | |
werden. | |
17 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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