# taz.de -- Die Wahrheit: Steroide starren dich an | |
> Manchmal erzwingen die Umstände, dass man sich Handwerker ins Haus holen | |
> muss. Die Gerätespezialisten erwarten vom Kunden tätige Mithilfe. | |
Bild: Typisches Treppenhaus in Cottbus führt zu Sinnesverwirrung der Ortsinsas… | |
Brüllend schlechte Laune hatte sich meiner bemächtigt, als die | |
Geschirrspülmaschine kurz vor einem großen Essen das Zeitliche segnete. | |
Nicht nur, dass mir nun Abwaschorgien bevorstanden, auch dunkle Vorahnungen | |
plagten mich. | |
Und siehe! Wenig später war es so weit. Auch die Waschmaschine wies mit | |
verkrampftem Knirschen auf ihr nahendes Ende hin. Am folgenden Tag blieb | |
sie gänzlich stumm und unbewegt. Muss ich betonen, dass wir exakt über den | |
Zeitpunkt reden, als meine Katze auf sämtliche Woll- und Tagesdecken sowie | |
Handtuchstapel zu pinkeln begann, um einen Ausflug zu dem netten neuen | |
Tierarzt zu erpressen? | |
Da es stank und um meinen Rechner vor Ansteckung mit Defektitis zu | |
schützen, bestellte ich sofort eine neue Maschine. Nachts. Im Internet. Bei | |
dem bösen Versandriesen mit dem katastrophalen Finanz- und Personalgebaren, | |
den ich normalerweise meide. Aber es ging einfach nicht anders, und es | |
sollte sich rächen. | |
Ein paar Tage später klingelte es pünktlich zur vereinbarten Zeit an meiner | |
Tür. Zwischen zwei Hünen, deren Körperbau einem Wolgograder Kriegerdenkmal | |
nachempfunden zu sein schien, wirkte meine neue Waschmaschine fast | |
zierlich. Die jungen Männer grüßten zunächst recht jovial. Unerwartet | |
lauernd wurde jedoch der Ton, als sie mich fragten, ob ich die alte | |
Maschine bereits abgebaut hätte. Ich hatte bei ihrer Firma den Abtransport | |
bestellt und bezahlt, genau wie die Installation der neuen. Allerdings | |
hätte ich zuvor höchstpersönlich handwerklich tätig werden müssen, was ich | |
entweder überlesen oder verdrängt hatte. | |
Und so kämpfte ich unter den Blicken der muskulösen Jugend mit dem | |
Abwasserschlauch, der seine jahrelange treue Verbindung mit dem Siphon | |
nicht aufgeben mochte. Es mangelte mir einfach an Kraft. Mir brach der | |
Schweiß aus. Die Junghünen waren immerhin in der Lage, mein Schnaufen so | |
weit zu interpretieren, dass ihr Eingreifen nun dringend genehm wäre. Sie | |
hoben die Hände: „Wir dürfen aber nichts anfassen! Sonst kriegen wir | |
Ärger.“ | |
Ich fragte mich, worum es hier ging. Um den Schutz vor möglicher | |
Diskriminierung meiner handwerklichen Fähigkeiten als Frau? Oder hatten die | |
Jungs grundsätzlich was falsch verstanden. Hatte der Chef gesagt, dass sie | |
nichts anfassen sollten bei den Kundinnen, und sie legten die Anweisung nun | |
sehr breit aus? Man weiß es nicht, ich bekam jedenfalls weiterhin den | |
Schlauch nicht ab, verlor meine Contenance und fauchte roten Kopfes: „Na, | |
dann müsst ihr wieder gehen! Aber die neue Waschmaschine nehmt ihr auch | |
wieder mit! Habt euch ja genug Zeug in die Muskeln gepumpt, oder ist das | |
nur Deko?“ | |
Ob die beiden schließlich ein Einsehen hatten, soll hier offen bleiben. Ich | |
habe mich zu Stillschweigen verpflichten müssen. Kürzlich las ich, dass | |
Anabolika mitunter auch bei greisen Menschen gegen Schwäche eingesetzt | |
werden. Meine Zeit wird kommen. | |
27 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Stöhring | |
## TAGS | |
Handwerk | |
Online-Versand | |
Bodybuilding | |
Unterkunft | |
Mieten | |
Wohnen | |
Radio | |
Erziehung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Stirb langsam in Cottbus | |
Die unwirtlichsten Unterkünfte der Welt (6). Heute: Ein Augenkrebs | |
erzeugendes Hotel weit im Osten der Republik. | |
Die Wahrheit: Mein Leben im Marx-Jahr | |
Vor dem Mietshaus im Prenzlauer Berg hält eine SUV-Flotte. Kein gutes | |
Zeichen. Es droht ein Rendezvous mit einer besitzergreifenden Lederhose. | |
Die Wahrheit: Mein Leben in Boomtown | |
Wohnen in Berlins Prenzlauer Berg. Das ist heute schon ein klein wenig | |
anders als zu jener Zeit, da plötzlich im Rücken eine Mauer fiel. | |
Die Wahrheit: Auftragsmord und Biomöhre | |
Werbung im Radio ist die Pest. Einige Spots sind aber noch viel schlimmer | |
und lassen düstere Gewaltfantasien sprießen. | |
Die Wahrheit: Bei allen heiligen Höllenhunden | |
Wenn Mütter ihren Goldkindern das Lesen von „Tim und Struppi“ verbieten – | |
wegen des beachtlichen Alkoholkonsums der Nebenhelden. |