# taz.de -- Berlinale-Beitrag von Kim Ki-Duk: Misogyner Mist | |
> Eine Schauspielerin wirft dem Regisseur Nötigung und Misshandlung vor. | |
> Auf der Berlinale zeigt er einen brutalen, sexistischen Film. | |
Bild: Auf einem Kriegsschiff ist kein Platz für Liebe | |
Nach einigen noch heute passablen Filmen vom Ende der 1990er Jahre hat der | |
südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk die letzten zehn Jahre damit verbracht, | |
mehr oder weniger indiskutablen Schrott zu drehen. Sein neuster Film, | |
„Human, Space, Time and Human“, ähnelt immerhin formal einem Film: er hat | |
eine Handlung, die in Bildern erzählt wird. Dennoch ist er ein | |
uninteressanter, schlechter Film. Aber das ist nicht der einzige Grund, | |
weshalb er nichts auf der Berlinale verloren hat. | |
Das eigentliche Problem ist, dass mit „Human, Space, Time and Human“ ein | |
Film im Programm dieser Berlinale läuft, gegen den es Anschuldigungen einer | |
Schauspielerin wegen der Misshandlung und Nötigung beim Dreh eines früheren | |
Filmes gibt. Dabei hatte sich die Berlinale kurz vor Beginn der | |
Filmfestspiele den [1][Kampf gegen Übergriffe] und sexuellen Missbrauch im | |
Filmgeschäft wortreich zu eigen gemacht. | |
„Human, Space, Time and Human“ erzählt von einer Fahrt auf einem | |
ausrangierten Kriegsschiff. Die Machtstrukturen unter den Passagieren | |
treten in kürzester Zeit sichtbar zu Tage. Ein Politiker wiegt sich in | |
Sicherheit, straffrei zu bleiben, ganz egal was er tut. Ein Gangsterchef | |
dient sich und seine Kumpane ebendiesem Politiker an, um die übrigen | |
Passagiere zu terrorisieren. Der Politiker lässt die Kriminellen eine junge | |
Frau entführen, um sie zu vergewaltigen. Er weiß, dass ihr Begleiter | |
ermordet wird. „Human“ („Menschlich“) heißt dieses Kapitel des Films. | |
Im zweiten Kapitel („Space“/„Raum“) wird das Schiff unvermittelt in den | |
Himmel verschoben. Über den Wolken treibend zwingen der Politiker und seine | |
Schergen den Passagieren ein System rationierter Lebensmittel auf. | |
Unterdessen nimmt sich ein einsiedlerischer älterer Mann der vergewaltigten | |
jungen Frau an, die er von einem Selbstmord abgehalten hat. In einem | |
verschließbaren Raum des Kriegsschiffes züchtet der Mann Setzlinge. | |
Pflanzen, die das Überleben sichern sollen, da es unausweichlich scheint, | |
dass sich die Passagiere an Bord vom Hunger getrieben gegenseitig | |
zerfleischen. | |
## Zu schlecht für Hollywood | |
Während sich der Film auf den ausgelatschten Pfaden enthemmter menschlicher | |
Brutalität in einem Mikrokosmos dahinschleppt (der dritte Teil heißt | |
vermutlich „Time“/„Zeit“, weil nicht mal Kim Ki-duk die schleppende | |
Handlung auf die Dauer ausgehalten hat), mischen sich zunehmend mystische | |
Elemente in den Film. | |
Bei der Pressekonferenz zum Film gab sich Kim Ki-duk die Blöße zu | |
verkünden, der Film habe eigentlich eine Geschichte der Menschheit werden | |
sollen. Er habe den Film gern in Hollywood produzieren wollen, aber leider | |
habe sich kein Geldgeber gefunden. Wie viele seiner Vorgänger aus den | |
letzten Jahren ist auch Kim Ki-duks neuester Film prätentiöser, | |
gewalttätiger, misogyner Mist. Das aber ist – wie gesagt – nicht der Punkt. | |
Prätentiöser, gewalttätiger, misogyner Mist ist seit jeher Teil der | |
Filmwelt und wird es absehbar bleiben. Er wird auch Teil von Filmfestivals | |
bleiben. Nur sollten die dann nicht vorher in die Welt hinausposaunen, wie | |
sensibilisiert sie für Übergriffe seien und wie wichtig der Protest sei. | |
Dass „Human, Space, Time and Human“ Teil des Berlinaleprogramms ist, zeigt, | |
dass jeder Schulterschluss von Festivals, Institutionen und Förderern | |
Phrase bleibt, solange diese unwillig sind, den Preis für echtes Engagement | |
zu bezahlen und auf bestimmte Filme und bestimmte Regisseure zu verzichten. | |
21 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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