# taz.de -- Daumenkino aus Südkorea: Bekenntnisse eines Filmemachers | |
> Kim Ki-duk ist ein extremer Regisseur, dessen hochstilisierte Filme, in | |
> manischem Tempo gedreht, an Fassbinder erinnerten. Jetzt geht er in die | |
> Stille und nimmt den Zuschauer mit. | |
Bild: Arirang ist Koreas beliebtestes Volkslied und in Nordkorea auch eine Mass… | |
Dass er ein extremer Regisseur ist, kann man auch beim Interview erleben. | |
Um die rigiden Erziehungsmethoden seines Vaters, eines | |
Korea-Kriegsveteranen, zu verdeutlichen, schlägt sich Kim Ki-duk mit der | |
flachen Hand ins Gesicht. | |
Langsam färbt sich seine Wange rot, man erkennt die weißen Abdrücke seiner | |
Finger. Die Gewalt, letztes Ausdrucksmittel seiner von Schuld und Wut | |
getriebenen Figuren, war so auch während eines Gesprächs zu seinem Film | |
"Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling" (2004) physisch spürbar. | |
Über viele Jahre hinweg bestückte der koreanische Regisseur die | |
internationalen Festivals mit Zustandsbeschreibungen eines angeschlagenen | |
Landes. Das manische Tempo, mit dem Kim Ki-duk seine hochstilisierten Filme | |
drehte, ließ an Fassbinder denken. In letzter Zeit ist es jedoch still um | |
den Koreaner geworden. Und in eben diese Stille nimmt er die Zuschauer nun | |
mit. | |
Zu Beginn von "Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers" sieht man Ki-duk | |
in seiner Behausung. In einer Hütte am Rande einer Ortschaft hat er ein | |
Zelt aufgeschlagen, lebt bei bitterster Kälte im Provisorium. Er kocht sein | |
Essen auf einem Campingkocher, wäscht sich draußen an einem Wasserhahn und | |
hackt Holz für den kleinen Ofen. | |
Irgendwann kämmt Kim Ki-duk seine zotteligen Haare zu einem Pferdeschwanz | |
zusammen, stellt sich vor die Kamera und beginnt über Schaffenskrise und | |
Depression zu reden. | |
## Ein ungemein erkenntnisreiches, exzentrisches Werk | |
Er führt Dialoge mit sich selbst, beschimpft sich, heult, schreit und | |
analysiert. Zwischendurch bleibt reichlich Zeit für den Bau seltsamer | |
Espressomaschinen und die Fütterung einer kleiner Katze. | |
Ja, "Arirang" ist eine narzisstische Selbstbespiegelung, ein exzentrisches | |
Werk - aber ungemein erkenntnisreich. Man lernt den Motor kennen, der den | |
Regisseur angetrieben hat. Im Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren konfrontiert | |
er sich mit seinem gnadenlosen Über-Ich. Dieses wirft ihm Antriebsschwäche | |
und Mutlosigkeit vor. Aber vor allem macht es ihm Schuldgefühle. | |
Nach und nach wird Kim Ki-duk in seiner Behelfsunterkunft zum | |
Seelenverwandten seiner Helden und Heldinnen, die stets in einem Kreislauf | |
von Schuld und Sühne gefangen sind. Da ist der Verbrecher, der sich in "The | |
Isle" in die Einsamkeit einer Seenlandschaft flüchtet. Oder die Schülerin, | |
die in "Samaria" ihre Freundin anschaffen gehen lässt. | |
Doch Kim Ki-duks brutale Selbstbefragung erschließt sich auch, ohne dass | |
man Analogien zu seinem Werk ziehen müsste. Es geht um den Drang aller | |
Kunst, Angst vor dem Tod zu überwinden, sich ihm zu stellen. Mit Kim Ki-duk | |
schaut man in den Abgrund, um dann wieder bei einer Tasse Espresso zu | |
verschnaufen. | |
"Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers". Regie: Kim Ki-duk. Südkorea | |
2011, 100 Min. | |
26 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Anke Leweke | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Berlinale | |
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