| # taz.de -- Israel ehrt Genetikerin: Kritikerin der „Rassenhygiene“ | |
| > Elisabeth Schiemann forschte zu Walderdbeeren und half verfolgten Juden | |
| > während des NS-Regimes. Nun wird sie für ihren Einsatz ausgezeichnet. | |
| Bild: Erhält posthum die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ der Ge… | |
| Walderdbeeren haben wenig mit dem Widerstand gegen das Nazi-Regime zu tun, | |
| so möchte man meinen. Doch es gab eine Frau, die in ihrem Leben Erdbeben | |
| und die Rettung verfolgter Juden mindestens biographisch verband, und es | |
| liegt nahe, dass ihr Widerstand auch auf ihrer Beschäftigung mit der süßen | |
| Frucht beruhte. | |
| Als Genetikerin ist Elisabeth Schiemann einem Fachpublikum bekannt. Am | |
| Dienstag wird sie für ihren Einsatz gegen das NS-Regime geehrt. Die | |
| israelische Gedenkstätte Yad Vashem verleiht ihr posthum den Titel | |
| „Gerechte unter den Völkern“ für ihren uneigennützigen Einsatz für | |
| verfolgte Juden. Ihre Verwandten Sir Konrad Schiemann, Friede-Renate Weigel | |
| und Ingrid Pommerencke nehmen die Medaille entgegen. | |
| Dabei war der 1881 geborenen Schiemann der Widerstand gewiss nicht in die | |
| Wiege gelegt. Sie wuchs in einem national denkenden deutsch-baltischen | |
| Elternhaus in Fellin im Russischen Kaiserreich auf. Elisabeth gehörte zur | |
| ersten Generation von Frauen, die eine Hochschule besuchen durften. | |
| Schiemann studierte in Berlin Botanik, promovierte 1912 und avancierte zu | |
| einer der profiliertesten Genetiker in Deutschland. | |
| Ihr wichtigstes Forschungsgebiet wurde die Kulturerdbeere (Fragaria L.), | |
| wobei sich die Wissenschaft vor allem mit der Frage beschäftigte, inwiefern | |
| sich deren Unterarten miteinander kreuzen ließen. Von 1931 an arbeitete sie | |
| am Botanischen Institut in Berlin. Zugleich war Schiemann in der | |
| evangelischen Kirche engagiert. | |
| ## Schiemann nimmt Kirche in die Pflicht | |
| Nach der Nazi-Machtübernahme 1933 machte die Genetikern aus ihrer Ablehnung | |
| des Regimes keinen Hehl. Sie wusste aus ihren Forschungen, welch | |
| wissenschaftlichen Schwachsinn der staatlich verordnete Rassismus | |
| darstellte. In kirchlichen Seminaren bekämpfte sie die Vorstellung von der | |
| „Reinheit und Reinerhaltung der Menschenrassen“. | |
| Zugleich forderte sie von der anfangs so zögerlichen Bekennenden Kirche | |
| eine klare Stellungnahme gegen Antisemitismus. „Biologische Erkenntnisse | |
| sind vielfach von Dilettanten verfälscht und dann zu Grundpfeilern von | |
| Lehrgebäuden gemacht worden, die zusammenstürzen müssen“, schrieb sie 1935 | |
| an Pfarrer Martin Niemöller. Schiemann verlangte von der Kirche Schutz für | |
| diejenigen, die aufgrund ihrer Herkunft als „nichtarische“ Christen der | |
| NS-Verfolgung unterlagen. | |
| Es blieb nicht bei Appellen. Schiemann empörte sich über den | |
| Nazi-Rassismus. Sie half verfolgten Juden bei ihrer Emigration. Als mit | |
| Valerie und Andrea Wolffenstein zwei ihrer Bekannten die Deportation | |
| drohte, kundschaftete Schiemann erst vergeblich Fluchtrouten in die Schweiz | |
| aus, und versteckte Andrea zwei Monate lang in ihrer Wohnung, bis sie eine | |
| weniger gefährdete Unterkunft fand. | |
| Ob die passionierte Alpinistin jüdischen Verfolgten auch dabei half, über | |
| die Berge in die Schweiz zu entkommen, ist nicht geklärt. Denn Elisabeth | |
| Schiemann, die 1972 in West-Berlin verstorben ist, hat um ihre Solidarität | |
| für die Verfolgten nie groß Aufhebens gemacht – und gefragt hat sie zu | |
| ihren Lebzeiten keiner. | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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