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# taz.de -- Antisemitismusdebatte an Hochschule: Zu wenig Biografie studiert
> Erst 2009 hat sich die staatliche Beuth-Hochschule umbenannt. Jetzt ist
> klar: Beuth war krasser Antisemit. Doch die Präsidentin hält an dem Namen
> fest.
Bild: Auch wenn es derzeit noch so aussieht: Der Name der Beuth-Hochschule ist …
„Entschuldigen Sie, dass ich so emotional werde“, sagt die ältere Frau mit
zitternder Stimme. „Aber ich bin so dankbar für das, was Sie heute hier
tun.“ Als Jüdin wurde sie in den dreißiger Jahren in Berlin geboren,
erzählt die fast 90-Jährige. Nur dank ihrer Mutter habe sie rechtzeitig vor
der Schoah nach Australien fliehen können.
Der preußische Ministerialbeamte Christian Peter Beuth war zur Zeit des
Holocaust schon fast 100 Jahre tot. Trotzdem ist er für die ältere Dame der
Grund, warum sie in die nach Beuth benannte Hochschule im Wedding gekommen
ist. Am Mittwochnachmittag wird dort über dessen Vergangenheit diskutiert.
Neue Gutachten bestätigen, was bereits seit 2017 an der Hochschule für
Diskussionen sorgt: Der Namensgeber war extremer Antisemit.
Die Hochschule ist eine staatliche Einrichtung mit mehr als 12.000
Studierenden und 290 Professor*innen. Zuletzt war sie in den Schlagzeilen,
weil sie wegen Platznot ins Terminalgebäude des Flughafens Tegel umziehen
darf – falls der mal geschlossen wird. Die ehemals Technische
Fachhochschule (TFH) war 2009 vor allem aus Imagegründen in
Beuth-Hochschule umbenannt worden, um sich von der Bezeichnung
Fachhochschule im Gegensatz zur Universität zu lösen. Auch die damalige
Rezeption Beuths als „Vater der Ingenieurwissenschaften“ und Reformer der
Praxis zugewandten Lehre passte zum Selbstverständnis.
Das Wissen um Beuths judenfeindliche Einstellungen lässt ihn keine zehn
Jahre später in ganz anderem Licht erscheinen. Bei der vom Fachbereich
Wirtschaft und Sozialwissenschaften organisierten Informationsveranstaltung
referiert der Rassismusforscher Achim Bühl, selbst Professor an der
Hochschule, über den „völkischen“, „rigide christlichen“ und
„exterminatorischen“ Judenhass Beuths. Sein Fazit: Beuth zeigt „eine
absolut beispiellose Schärfe“ des Judenhasses.
Grundlage für diese Erkenntnisse ist eine verstörende Rede des preußischen
Ministerialbeamten vor der Deutschen Tischgesellschaft im Jahr 1811. Darin
setzt er Juden mit Schweinen gleich, sieht „das Verbluten manches
Judenjungens“ bei der Beschneidung als „wünschenswerte Folge“ an und
behauptet, Juden würden „Christenkindern das Blut abzapfen und es trinken“.
## Zutiefst erschüttert
Itai Boeing, der die jüdische Gemeinde an diesem Nachmittag vertritt, zeigt
sich zutiefst erschüttert von den menschenverachtenden Äußerungen. Er sei
froh um die Aufarbeitung der Biografie Beuths. Die Hochschule müsse sich
aber bewusst sein, dass sie dabei „nicht mehr zurück“ könne.
Für die Angehörigen der Hochschule auf dem Podium ist klar: Diese muss sich
von dem Namen Beuth schnell trennen. Doch die Forderung stößt im Präsidium
auf Widerstand. Präsidentin Monika Gross weist gegenüber der taz darauf
hin, dass die Aussagen Beuths zwar in keinster Weise mit dem
pluralistischen Prinzipien der Hochschule zu vereinbaren seien. „Aber wir
reden hier noch nicht von Umbenennung.“
Es gebe auch andere Konsequenzen aus den Erkenntnissen. In einem
selbstkritischen Aufarbeitungsprozess solle „die ganze Hochschule
mitgenommen“ werden, sagt Gross während der Diskussion. Zudem betont sie,
dass im verantwortlichen Gremium von 2009 niemand vom Antisemitismus Beuths
gewusst habe. Unklar bleibt, warum dessen Biografie damals nicht
gründlicher recherchiert worden war.
Unterstützt wird Gross’ Position bisher von den früheren
Hochschulpräsidenten Reinhard Thümer und Gerhard Ackermann. Beide hatten
sich schon vor einiger Zeit klar von den „abstoßenden“ Reden der Deutschen
Tischgesellschaft distanziert. Sie sprachen sich dennoch gegen eine
Umbenennung aus, da die Rede von 1811 „bisher das einzige Zeugnis gegen
Beuth“ sei.
## „Ergebnisoffene „ Diskussion
Durch ein von der Hochschule in Auftrag gegebenes externes Gutachten hat
sich diese Beweislage allerdings geändert. Die Historiker Jörg Rudolph und
Christian Schölzel konnten nachweisen, dass Beuth sich auch als Mitglied
des Staatsrats im Königreich Preußen diskriminatorisch gegen die
Judenemanzipation einsetzte.
Auf der Webseite der Hochschule ist zu lesen, man wolle nun „ergebnisoffen“
über die Person Beuth diskutieren. Der Akademische Senat hat die
Einrichtung einer statusgruppenübergreifenden Arbeitsgruppe mit externen
Expert*innen beschlossen. Studierende sollen ab dem Wintersemester in
Lehrveranstaltungen über den Rassismus und Antisemitismus Beuths informiert
werden. Außerdem wird debattiert, die Jutebeutel der Hochschule mit dem
Gesicht des Namensgebers in Nähaktionen zu entfremden.
Der AStA der Hochschule wollte sich am Freitag nicht zur Haltung des
Präsidiums äußern: „Wir fangen gerade erst an, über das Thema zu
diskutieren.“ Präsidentin Gross kündigt an, möglichst innerhalb eines
Jahres zum Abschluss zu kommen und Entscheidungen zu treffen. Das wäre
schnell: Die Uni Greifswald hatte fast zwanzig Jahre gebraucht, um sich
schließlich im Januar 2018 von ihrem Namensgeber Ernst Moritz Arndt zu
trennen. Auch Arndt war Antisemit und wird bis heute von Rechtsradikalen
glorifiziert.
25 Jun 2018
## AUTOREN
Lin Hierse
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