# taz.de -- Kolumne Einfach gesagt: Alles nur Realitäts-Entertainment | |
> Darf es Rechtsextremisten geben, weil alles eine Berechtigung hat, das | |
> irgendwem gut tut? „Ja“, sagte der Lover meiner Freundin. | |
Bild: Muss es rechte Schweine geben dürfen? Anschlag auf ein ein geplantes Asy… | |
Dann ist Sachsen jetzt eben unser Texas“, sagte der neue Lover meiner | |
Freundin und Kollegin, legte sein Handy auf die Bank und blinzelte grinsend | |
in die Wintersonne überm Park Fiction. | |
„Was?!“ Meine Freundin ließ ihr Handy sinken. | |
„Das hat jemand getwittert und ich find’s befreiend.“ | |
„Inwiefern?“ fragte ich, während sie sich hektisch eine Zigarette | |
ansteckte. | |
„Na, man muss die Verhältnisse dann auch einfach mal so nehmen, wie sie | |
sind. Jedes Volk hat seine Rechten.“ | |
„Du meinst mit Ku-Klux-Klan, Mord, Totschlag, Präsident und so?“ fragte | |
ich. | |
„Ich wollt’das jetzt nicht hysterisch im Detail aufdröseln, aber ich | |
find’eben, man muss sich da nicht ewig weiter dran aufreiben!“ | |
„Woran?“ | |
„An rechtsdominiertem deutschen Boden.“ | |
Der Typ war Lifestyle-Blogger. Einer, der damit viel Geld verdient, wie | |
meine Freundin betont hatte. Er sah gut aus und hatte zu allem eine Ansage. | |
Damit ich ihn kennenlerne, hatten wir zu dritt eine Ausstellung besucht. | |
Die Vernissage dazu war in die Schlagzeilen geraten. | |
Der Künstler hatte in jedes seiner Wimmelbilder ein Hakenkreuz integriert. | |
Die Ausstellung war bereits ausverkauft, auch ein Hamburger AfD-Politiker | |
hatte ein Bild erworben und es gepostet – so waren die Medien auf die | |
kleine Galerie aufmerksam geworden. Der Blogger hatte das Bild fotografiert | |
und bei Instagram gepostet. | |
Bei unserem Gang zur Elbe hatten wir darüber gesprochen, was es sollte, | |
dass der Künstler in jedem seiner Bilder ein Hakenkreuz versteckt hatte – | |
wie in einem Suchbild für Kinder. Das war das Konzept der Ausstellung, der | |
Witz, die Ironie, wie der Blogger immer wieder betonte. | |
Der Titel der Ausstellung war: „Wo ist der Haken?“ | |
Der Blogger sagte, ihn habe die Aufregung darüber genervt, dass ein | |
AfD-Politiker Kunst mit Hakenkreuzen kaufe. Es sei doch klar, dass das | |
Nazis seien und es gebe nun mal Rechtsextreme und die hätten eben ihren | |
angestammten Ballungsraum, so wie wir unseren. | |
Er hatte natürlich ein bisschen Recht. Das spielte aber keine Rolle. In | |
seiner Haltung steckte zu viel begeisterte Resignation darüber, dass etwas | |
Menschenverachtendes stetig genormt wird. Es klang, als wäre das Leben, die | |
Politik, alles, was passierte, Realitäts-Entertainment, das sich vor allem | |
in unseren Smartphones abspielte – und als würde Bedrohliches relativiert, | |
wenn jemand ironisch darüber twitterte. | |
Der Blogger sagte: „Beyonce kommt auch aus Texas und in Sachsen sind ja | |
auch nicht alle Nazis und Helene Fischer ist Russin und viele Rechte lieben | |
sie, ist also alles gar nicht so wild. Es muss rechte Schweine geben | |
dürfen, in Sachsen – und meinetwegen auch hier auf St. Pauli. Ich bin ja | |
auch null religiös, aber alles hat seine Berechtigung, wenn es Menschen | |
irgendwie guttut, besonders denen, die nicht so cool sind wie wir!“ | |
Es wurde schlagartig eiskalt, die Sonne versank hinter den | |
Containerschiffen, die große weite Welt seufzte und meine Freundin machte | |
noch vor dem Wort zum Sonntag mit ihm Schluss. | |
19 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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