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# taz.de -- Bildungsroman in Schräglage: Am Tellerrand des Wahnsinns
> Das Exzentrische ist die Regel im neuen Roman der Hamburger Autorin
> Jasmin Ramadan. Erzählt wird "Das Schwein unter den Fischen" aus der
> Perspektive eines Mädchens im Teenie-Alter.
Bild: Buchpremiere von "Soulkitchen" im Jahr 2009: Autorin Jasmin Ramadan und R…
HAMBURG taz | Der zweite Roman ist für Schriftsteller immer unangenehm. War
das Debut ein Flop, muss der zweite Roman beweisen, dass es auch anders
geht. War das Debut ein Erfolg, muss er beweisen, dass der erste kein
Zufallstreffer war. Nicht selten wird der zweite Roman zur Weggabelung, die
darüber entscheidet, was aus einer Schriftstellerkarriere wird.
Im Fall der Hamburger Schriftstellerin Jasmin Ramadan ist die Vorgeschichte
des zweiten Romans üppiger als üblich. Er heißt „Das Schwein unter den
Fischen“ und wurde bereits 2006 ausgezeichnet: Damals bekam Ramadan,
Jahrgang 1974, für den Beginn des Romans den Hamburger Förderpreis für
Literatur. Der prämierte Romananfang aber verschwand zunächst in der
Schublade; stattdessen debütierte Ramadan 2009 mit dem Roman „Soul
Kitchen“.
„Soul Kitchen“ kreist wie der gleichnamige Film von Fatih Akin um den
sympathischen Chaoten Zinos. Ramadans Roman erzählt was in Zinos Leben
passiert, bevor die Filmhandlung einsetzt. Der Film wurde ein großer
Erfolg. Auch das „Buch vor dem Film“ bekam gute Kritiken, wurde aber kein
Mainstream-Hit.
Ähnlich wie „Soul Kitchen“ lebt „Das Schwein unter den Fischen“ von se…
Charakterdarstellungen. Die anfangs 13-jährige Stine erzählt aus der
Ich-Perspektive von ihrer durchgeknallten Hamburger Familie: Ihr Vater
Reiner ist ein jung gebliebener Prolo, der auf Whitesnake steht und sich
von den Mettbrötchen aus seinem Imbiss ernährt. Ihre Stiefmutter säuft,
raucht Mentholzigaretten und vögelt den Leiter eines ökumenischen
Pflegedienstes. Ihre Tante ist lesbisch und die einzige, die halbwegs über
den Tellerrand des eigenen Wahnsinns schauen kann.
Am Ende des Romans ist Stine ungefähr 20 und bereit, sich von ihrer Familie
abzunabeln. Ein klassischer Bildungsroman ist „Das Schwein unter den
Fischen“ aber nicht. Stine ist mehr Beobachterin als handelnde Person.
Wohlwollend distanziert berichtet sie von ihrer Familie, als wäre die ein
Zoo mit exotischen Wesen. Auch die Menschen im Umfeld haben einen Hang zum
Schrägen, was es für Stine nicht gerade leichter macht.
Angst um sie braucht man trotzdem nicht zu haben. Stine weiß zwar nicht,
was sie will, verliert deswegen aber nicht den Boden unter den Füßen. Dazu
braucht es schon eine Naturkatastrophe, die den Roman am Ende mit einem
Schuss magischen Realismus versieht – ähnlich wie bei „Soul Kitchen“.
Das Magische scheint bei Jasmin Ramadan die logische Konsequenz des
Skurrilen zu sein, und das wiederum ist in Stines Welt die Regel. Das führt
zu einem Problem der Übersättigung: Der Reigen der Skurrilitäten hat
Längen, und Stine selbst bleibt blass. In seinen guten Phasen ist Ramadans
zweiter Roman gute Unterhaltung. In seinen schlechten läuft er Gefahr,
wegen Handlungsarmut weggelegt zu werden.
## Jasmin Ramadan: „Das Schwein unter den Fischen“. Tropen, 270 S., 17,95
Euro
3 Apr 2012
## AUTOREN
Klaus Irler
Klaus Irler
## TAGS
Rechtsextremismus
Körper
Roman
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