| # taz.de -- Jazzlegende Coco Schumann ist tot: Swing statt Marschmusik | |
| > Er spielte in der Jazz-Band von Theresienstadt, überlebte Todesmärsche | |
| > und verschrieb sich dem Swing. Nun starb Coco Schumann mit 93 Jahren. | |
| Bild: Irgendwann spielte Coco Schumann nur noch Swing: eine Musik, zu der man n… | |
| Sie spielten den Swing in Kellerbars und in Lokalen vor | |
| Wehrmachtsoffizieren, Anfang der Vierzigerjahre in der Reichshauptstadt | |
| Berlin, wo [1][genau diese Musik als entartet verschrien war]. Einer der | |
| Musiker war der Gitarre spielende Teenager Coco Schumann, mit falscher | |
| Identität ausgestattet. Einmal wurde er fast verhaftet. Den Häschern sagte | |
| er: „Erstens bin ich minderjährig, zweitens Jude, und drittens spiele ich | |
| Jazz.“ Sie glaubten ihm nicht. | |
| So wurde der 1924 in Berlin Geborene, bürgerlich Heinz Jakob Schumann, erst | |
| später verhaftet und im Ghetto Theresienstadt gezwungen, [2][„La Paloma“] | |
| für SS-Männer zu spielen, in der KZ-eigenen Jazzband „Ghetto Swingers“. | |
| Fast alle Bandmitglieder wurden in den Lagern ermordet, Schumann jedoch | |
| überlebte Auschwitz, Dachau und einen Todesmarsch. | |
| Nach 1945 kehrte er nach Berlin zurück. Ging mit seiner Familie nach | |
| Australien, kam zurück, versuchte es erneut, vergeblich. Damals hatte er | |
| die elektrische Jazzgitarre für sich entdeckt. Viele derer, die zu seiner | |
| Musik tanzten, wussten nicht, was er im NS-Terror durchleben musste. Wie | |
| viele Überlebende redete er nicht über das, was ihm widerfahren ist. Weil | |
| er es nicht konnte. Weil es viele nicht hören wollten. | |
| Stattdessen musizierte er auf Kreuzfahrten, spielte ausgedünnten Swing, der | |
| mit der Idee von Jazz nur wenig gemein hatte und mehr zwischen Schlager und | |
| Marsch changierte. Das stieß ihn ab, so dass er schließlich – und das bis | |
| zuletzt – nur noch Swing spielte, wie er ihn verstand, eine Musik, zu der | |
| man nicht marschieren kann. | |
| ## Schumanns Swing überwand Grenzen | |
| Die Alben des hellwachen Künstlers veröffentlichte das Münchener Trikont | |
| Label, was konsequent war, denn dort präsentierte er Swing als Weltmusik, | |
| die mehr ist als exotistischer Ethnokram. Schumanns Swing überwand Grenzen. | |
| So wie sein Künstlername, Coco. Schon sein Bandleader, Tullio Mobiglia, | |
| hatte der Swingjugend im Naziberlin fremd klingende Spitznamen gegeben, er | |
| nannte sie etwa Pippos. Den Namen Coco gab sich Heinz Jakob, weil sein Name | |
| für Nicht-Muttersprachler so schwer auszusprechen war. | |
| Seine Autobiografie trug ebenso konsequent den Titel: „Ghetto Swinger“. Das | |
| war er stets auch, ein Jude unter Deutschen. Am Sonntag ist die Jazzlegende | |
| Coco Schumann im Alter von 93 Jahren gestorben. | |
| 29 Jan 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jörg Sundermeier | |
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