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# taz.de -- Prozess zum Amoklauf in München: Sieben Jahre Haft für Waffenhän…
> Das Gericht hat den Mann, der dem Amokläufer von München die Mordwaffe
> verkaufte, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Bild: Philipp K. zwischen seinen Anwälten
München taz | Um 12.30 Uhr war es schließlich so weit: Nach mehr als 20
Verhandlungstagen verkündete das Landgericht München I am Freitag sein
Urteil im Prozess gegen Philipp K., den Waffenlieferanten des Amokläufers
David S.. S. hatte vor anderthalb Jahren am Münchner
Olympia-Einkaufszentrum ein Blutbad angerichtet. Ursprünglich waren gerade
einmal zehn Prozesstage angesetzt worden.
Mit einer Haftstrafe von sieben Jahren wegen fahrlässiger Tötung in neun,
fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen und Verstößen gegen das
Waffengesetz folgte das Gericht ziemlich genau der Forderung der
Staatsanwaltschaft, die nur zwei Monate mehr beantragt hatte. Die
Verteidigung hatte zuvor in ihrem Schlussplädoyer gefordert, ihren
33-jährigen Mandanten lediglich zu dreieinhalb Jahre Haft wegen illegalen
Waffenhandels zu verurteilen. Eine fahrlässige Tötung wollte sie nicht
sehen. Philipp K. habe ja nicht wissen können, was David S. mit der Waffe
plane.
Mit der Glock 17 betrat David S. am 22. Juli 2016 den McDonald’s im
Münchner Olympia-Einkaufszentrum und begann sein Massaker. Neun Menschen
wurden von den Schüssen des 18-Jährigen tödlich getroffen, fünf weitere
wurden verletzt, am Ende erschoss er sich selbst.
„Du machst doch keinen Scheiß“, soll K. ihn jedoch mehrmals gefragt haben,
bevor er David S. bei zwei Treffen in Marburg die Pistole, eine Glock 17,
und mehrere hundert Schuss Munition aushändigte. Die Waffe hatte K. zuvor
im Darknet unter dem Spitznamen „Rico“ feilgeboten. Kostenpunkt: rund 4.500
Euro. Es war weit mehr als „Scheiß“, was David S. dann machte.
## „Brüder im Geiste“
Was wusste K. wirklich über die Pläne von David S.? Das war die
entscheidende Frage, die den Prozess bestimmte. Denn je nachdem, wie man
sie beantwortete, folgerte daraus, welcher Straftat sich K. schuldig
gemacht hatte: Lediglich des illegalen Waffenhandels, wie die Verteidigung
argumentierte? Oder der fahrlässigen Tötung, wie die Staatsanwaltschaft
befand? Oder war es gar Beihilfe zum Mord? Dieser Auffassung waren die
Nebenkläger, rund 25 Angehörige von Opfern, in dem Prozess.
Das Gericht machte sich nun die Ansicht der Staatsanwaltschaft zu eigen und
geht damit zumindest in die Justizgeschichte ein: Es ist das erste Mal,
dass ein illegaler Waffenhändler auch für eine Tat verantwortlich gemacht
wird, an der er nicht unmittelbar beteiligt war.
Den Hinterbliebenen geht das freilich nicht weit genug. „Sie waren Brüder
im Geiste“, hatte Rechtsanwalt Jochen Uher noch am Montag in seinem
Plädoyer gesagt, dem ersten der Nebenklage. Die Familien der Opfer des
Amoklaufs werfen K. eine Mitwisserschaft vor, zumindest habe er geahnt,
wofür S. die Waffe haben wollte, und den Plan gebilligt. Der
Waffenverkäufer habe die rechte Gesinnung des späteren Amokläufers geteilt
und sich später sogar mit dessen Tat gebrüstet. Darauf deuteten jedenfalls
die Aussagen von K.s damaliger Freundin und von Mithäftlingen hin.
David S. hatte für die Morde den fünften Jahrestag des Attentats des
rechtsextremen norwegischen Massenmörders Anders Breivik gewählt. Er
kritzelte auch gern Hakenkreuze. Sowohl er als auch Philipp K. hätten sich
mit „Heil Hitler“ begrüßt, zu K.s Lektüre habe auch „Mein Kampf“ gez…
Die Bewertung der Motive des Amokläufers war indes durchaus unterschiedlich
ausgefallen. Während die offizielle Lesart lautete, David S. habe zwar eine
rechte Haltung gehabt, sein Motiv sei aber Rache für jahrelanges Mobbing
gewesen, kamen etliche Gutachter mittlerweile zu der Einschätzung, es habe
sich um eine rechtsextreme Tat gehandelt, Haupttriebfeder sei der Hass auf
Migranten gewesen. Die Opfer waren fast ausschließlich junge Leute mit
Migrationshintergrund.
„Ich habe das nie gewollt“, sagte K. in seinem Schlusswort. „Es tut mir
wahnsinnig leid, was passiert ist.“ Ob die Hinterbliebenen diesen Worten
Glauben schenken, ihm echte Reue abnehmen werden, erscheint jedoch
zweifelhaft. Gefasst wurde K. im August 2016, als er zwei verdeckten
Ermittlern ebenfalls eine Waffe verkaufen wollte – nur ein paar Wochen,
nachdem mit der von ihm verkauften Glock 17 neun Menschen ermordet worden
waren.
Die Angehörigen hätten ein „Recht auf Rechtsprechung, aber kein Anrecht auf
Gerechtigkeit“, hatte sich am Montag eine Mutter beklagt, deren Sohn von S.
erschossen worden war. Und der Vater eines anderen Opfers rechnete nach dem
Plädoyer der Staatsanwaltschaft voller Sarkasmus vor: „Das sind acht Monate
pro Leben.“
19 Jan 2018
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Rechtsterrorismus
Amoklauf
Rechtsextremismus
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Rassismus
Terrorismus
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