# taz.de -- Uni Hannover: Interne Untersuchungen: Der Pädo-Prof | |
> Die Uni Hannover will endlich den Fall Helmut Kentler aufarbeiten: Der | |
> Pädophilie-Befürworter war dort 20 Jahre Professor – und hat auch über | |
> Sexualerziehung gelehrt. | |
Bild: Lehrte in Hannover Sexualkunde: Der Pädo-Sex-Befürworter Helmut Kentler | |
HANNOVER taz | Dass er einvernehmlichen Sex zwischen Kindern und | |
Erwachsenen in Ordnung fand, ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Helmut | |
Kentler, ein früher hoch geschätzter Sexualwissenschaftler brachte Ende der | |
1960er Jahre in einem Experiment mindestens drei Straßenkinder bei | |
pädophilen Hausmeistern in Berlin unter. Er schrieb sogar das Buch | |
„Leihväter. Kinder brauchen Väter“, in dem er sich mit seinem Versuch | |
brüstet. 1976 ging Kentler dann als Professor für Sozialpädagogik an die | |
Uni Hannover. 20 Jahre lang lehrte der Pädophilie-Befürworter dort. Doch | |
obwohl seine strittigen Positionen bekannt waren, leitete die Uni erst im | |
vergangenen Jahr interne Untersuchungen ein. | |
Ende 2016 hatte die Göttinger Politikwissenschaftlerin Teresa Nentwig vom | |
Institut für Demokratieforschung für den Berliner Senat ein Gutachten über | |
seine Taten erstellt. Diese Untersuchung habe „Unterlagen zutage gefördert, | |
die belegen, dass Helmut Kentler in der damaligen Zeit in einer aus | |
heutiger Sicht inakzeptablen Weise Forschung betrieben hat“, [1][schreibt | |
die Uni]. Inzwischen lägen Kentlers Akten vor und würden „intern | |
gesichtet“. Die große Frage: Hat Kentler auch den Studenten in Hannover | |
seine Pro-Pädophilie-Haltung vermittelt? | |
Bisher ist darüber wenig bekannt. Aber die Leitung der Leibniz-Universität | |
Hannover will zeitnah einen externen Forschungsauftrag vergeben, um die | |
Umstände der Promotion Kentlers in Hannover, seine Berufung und sein Wirken | |
detailliert zu untersuchen, schreibt die Universität. „Das Verhalten von | |
Universität, Fakultät und Fachbereich in Bezug auf seine Person wird | |
ebenfalls Gegenstand der Untersuchung sein.“ | |
Denn ein Geheimnis hat Kentler, der 2008 gestorben ist, aus seinen | |
Positionen nicht gemacht – auch nicht aus seiner Arbeit in Berlin. Der | |
dortige Senat hatte ihn 1988 mit einem Gutachten beauftragt. Die | |
Fragestellung: Sind Homosexuelle als Adoptiveltern geeignet? Kentler | |
bejahte das – und lieferte zugleich die These, dass pädosexuell veranlagte | |
Männer besonders geeignet seien. | |
## Pädophile hielt er für „besonders einfühlsam“ | |
Als Beleg führte er ein pädagogisches Experiment an, das er selbst 1969 in | |
Westberlin initiiert hatte: Damals überzeugte Kentler die SPD-geführte | |
Berliner Senatsverwaltung, mindestens drei Pflegestellen bei vorbestraften | |
Pädophilen einzurichten. Aufgrund ihrer Neigung hielt er diese Männer für | |
besonders einfühlsam, auch bei schwierigen Fällen. | |
Viele Jahre später lobt Kentler die pädagogischen Erfolge der pädophilen | |
Pflegeväter, bei denen er nach eigener Auskunft regelmäßig zur Supervision | |
vorbeischaute. Die Jungen hätten sich durch die Fürsorge der Männer zu | |
selbständigen Persönlichkeiten entwickelt, die ein „ordentliches, | |
unauffälliges Leben“ führten, so der Sexualwissenschaftler. „Mir war klar, | |
dass die drei Männer vor allem darum so viel für ‚ihren‘ Jungen taten, we… | |
sie mit ihm ein sexuelles Verhältnis hatten“, schrieb Kentler in dem | |
Senatsgutachten, das den Briefkopf der Universität Hannover trägt. | |
Gezeichnet: „Universitätsprofessor Dr. Helmut Kentler, Dipl-Psych.“ | |
Ein Wissenschaftler, der sexualisierte Erziehungsverhältnisse propagiert? | |
Eine Behörde, die so etwas genehmigt? Ein Senat, der noch Jahre später die | |
Verherrlichung eines ebenso ungeheuerlichen wie strafbaren Experiments | |
durchwinkt? Von heute aus stellen sich viele Fragen. Damals aber hatte man | |
keine. | |
## Niemand stellte Fragen | |
Nicht in Berlin, wo sich die amtierende Justizsenatorin Schmalz-Jacobsen | |
(FDP) lediglich am „zu subjektiven“ Ton des Gutachtens störte. Und auch | |
nicht in Hannover oder im Rest der Republik – obwohl Helmut Kentler immer | |
wieder sehr deutlich für eine „einvernehmliche Sexualität“ zwischen Kinde… | |
und Erwachsenen eintrat, etwa in dem 1990 bei Rowohlt erschienenen Buch | |
„Leihväter“. | |
Darin schrieb er: „Selbst dann, wenn es in einer Pflegestelle zu | |
homosexuellen Beziehungen zwischen Pflegeperson und Pflegekind kommen | |
sollte, braucht nicht befürchtet zu werden, daß das Kind auf jeden Fall | |
Schäden davon trägt.“ Kentler nimmt sogar das Gegenteil an: „Die Jungen | |
erfahren beim sexuellen Kontakt mit dem älteren Partner vor allem, daß | |
dieser ihnen Aufmerksamkeit schenkt, daß er auf sie Rücksicht nimmt und daß | |
er tut, was ihnen gefällt.“ | |
Negative Aspekte bekämen die sexuellen Kontakte vor allem „durch die Sorge | |
vor Entdeckung“, schreibt Kentler, der zeitweise sogar im Beirat der | |
pädophilen Polit-Lobbygruppe Deutsche Studien-und Arbeitsgemeinschaft | |
Pädophilie (DSAP) saß. Doch bis auf das Magazin Emma, das Kentler schon in | |
den 1990ern als „Schreibtischtäter“ angriff, störte sich lange niemand an | |
seinen Positionen, die gut zum Liberalisierungskurs jener Jahre passten. | |
## Star der linken Pädagogik | |
Helmut Kentler war in den 1970ern und 1980ern so etwas wie ein Star der | |
linken Pädagogik. Der homosexuelle Protestant galt als Vordenker einer | |
liberalen Sexualerziehung, seine Elternratgeber waren gefragt. | |
In Hannover bildete Kentler Berufsschullehrer aus, gefragt war er auch als | |
Gerichtsgutachter in Missbrauchsfällen – die allesamt in Freisprüchen | |
endeten. Wie im Fall des Berliner Pflegevaters Fritz H., der kürzlich durch | |
Recherchen des Spiegel bekannt wurde: Zwei Überlebende hatten sich an das | |
Nachrichtenmagazin gewandt und detailliert geschildert, wie ihr Pflegevater | |
ihnen und mindestens drei anderen Kindern über viele Jahre hinweg sexuelle | |
und psychische Gewalt angetan hatte. | |
Empfohlen wurde Fritz H. durch Kentler, mit dem ihn offenbar ein | |
freundschaftliches Verhältnis verband. 1991 und 1992 verteidigte Kentler | |
Fritz H. in Stellungnahmen an das Familiengericht Berlin – auch diese | |
Schriftstücke tragen den Briefkopf der Uni Hannover. Unter der | |
Schirmherrschaft des Pädagogen aus Hannover konnte der Gewalttäter aus | |
Berlin 30 Jahre lang als Pflegevater arbeiten. | |
## Kentler-Biographie in Arbeit | |
Teresa Nentwig, die gerade durch das Land Niedersachsen finanziell | |
gefördert an einer Biographie über Kentler arbeitet, bezeichnet auch ihn | |
selbst als „Päderasten“. Sie habe Hinweise darauf, dass sich Kentler zu | |
männlichen Jugendlichen ab etwa 13 Jahren hingezogen fühlte, sagt Nentwig. | |
„Unklar ist, ob er tatsächlich übergriffig geworden ist.“ Auch in Hannover | |
habe Kentler über Sexualerziehung gelehrt. „Das lief, soweit ich das bisher | |
beurteilen kann, aber in einem normalen Rahmen ab“, sagt Nentwig, die als | |
nächstes die Vorlesungsverzeichnisse auswerten möchte. | |
Die SPD fordert eine Unterrichtung von der Landesregierung. | |
Wissenschaftsministerium und Uni haben sich von Kentler distanziert. | |
Uni-Präsident Volker Epping mache den Eindruck, als sei er „sehr an einer | |
umfassenden Aufklärung interessiert“, sagt die Abgeordnete Silke Lesemann. | |
Dennoch: „Es ist nicht zu verstehen, warum nicht früher nachgefragt wurde.“ | |
„Es ist kritisch zu sehen, dass die Uni jetzt erst nachschaut“, sagt auch | |
Emma-Redakteurin Chantal Louis. Das treffe aber auf alle involvierten | |
Institutionen zu. „Der Berliner Senat hat auch erst angefangen das zu | |
untersuchen, als er nicht mehr anders konnte.“ Kentler hätte aber gestoppt | |
werden müssen, als er noch aktiv war, sagt Louis. | |
24 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.uni-hannover.de/de/aktuell/online-aktuell/details/news/1850/ | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
Andrea Scharpen | |
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