# taz.de -- Flüchtlingsverteilung in der EU: Solidarität sieht anders aus | |
> Die Dublin-Verordnung ist ungerecht und funktioniert nicht mehr. In Sofia | |
> beraten die Innenminister über ein neues System für die EU. | |
Bild: Ein ungerechtes System: laut Dublin müssen die EU-Ankunftsländer die As… | |
BRÜSSEL taz | Für Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ist der Fall | |
klar: Die Europäische Union braucht ein neues System zur Umverteilung von | |
Flüchtlingen. In Krisenzeiten könne nicht die ganze Last auf den Südländern | |
liegen, sagte Asselborn bei einem Ratstreffen in Sofia. „Wenn wir das | |
nicht hinkriegen, werden wir darin ersticken“, warnte er. | |
Bisher war auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière dieser Meinung. | |
Deutschland hat sich sogar besonders für ein neues Quotensystem | |
starkgemacht – schließlich trägt es seit 2015 die größte Last in Europa. | |
Doch nun signalisierte de Maizière einen Kurswechsel. Berlin sei bereit, | |
den Umverteilungsstreit zu vertagen, so der CDU-Politiker in der | |
bulgarischen Hauptstadt. | |
Beim letzten EU-Gipfel im Dezember hätte dieser Streit fast zum Eklat | |
geführt. Denn nicht nur Polen und Ungarn stellten sich gegen die Quote. | |
Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk nannte das bisherige System der | |
Umverteilung „ineffizient“ und „spalterisch“. Danach schwenkte auch die | |
neue Regierung in Österreich auf ein Nein. | |
Der Gegenwind zeigt Wirkung: „In der Substanz brauchen wir […] | |
selbstverständlich eine faire Verteilung“, sagte de Maizière (CDU) am | |
Donnerstag in Sofia. Um Fortschritte bei der geplanten Reform des Asyl- und | |
Flüchtlingssystems zu erzielen, sei es aber wohl sinnvoll, sich erst einmal | |
auf andere Themen zu konzentrieren. | |
## De Maizière fordert gleiche Aufnahmebedingungen | |
Als Beispiele nannte de Maizière europäische Regelungen für den Umgang mit | |
Asylsuchenden und gemeinsame Aufnahmebedingungen. Doch dies sind nur kleine | |
Bausteine der geplanten großen Reform der Asylpolitik, die bis Juni über | |
die Bühne gehen soll. Dreh- und Angelpunkt war bisher immer eine neue, | |
gerechtere Umverteilung. | |
Davon ist die EU auch heute noch weit entfernt. So sitzen in Griechenland | |
immer noch Tausende Flüchtlinge auf den Inseln fest, weil sowohl die | |
Anerkennungsverfahren als auch die Umverteilung stocken. Auch Italien fühlt | |
sich mit den Bootsflüchtlingen aus Libyen alleingelassen. | |
Statt über neue Formen der Solidarität nachzudenken, wollen sich die | |
Europäer jedoch zunächst stärker abschotten. „Je geringer die Zahl von | |
illegalen Migranten ist, die nach Europa kommen, umso weniger relevant ist | |
das Problem der Verteilung von Schutzbedürftigen, und umso leichter | |
erreicht man sicherlich eine Einigung zur Verteilung“, erklärte de Maizière | |
seinen überraschenden Schwenk. | |
Doch was passiert, wenn bis Juni immer noch keine Lösung gefunden wird? | |
Könnte Deutschland dann ganz auf die umstrittenen Quoten verzichten? „Das | |
entscheiden wir am Ende der Verhandlungen“, sagte de Maizière. Offenbar | |
möchte er weiter Druck auf Österreich und die Osteuropäer ausüben. Doch wie | |
ein anderes Modell aussehen könnte, ist bislang offen. Das informelle | |
Treffen in der bulgarischen Hauptstadt endet am Freitag. | |
## EuGH-Urteil könnte Dublin außer Kraft setzen | |
Wie verfahren die Lage ist, macht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs | |
(EuGH) deutlich. Illegal in ein EU-Land eingereiste Asylbewerber dürfen | |
demnach nicht ohne Weiteres in den EU-Staat zurückgeschickt werden, in dem | |
sie erstmals Asyl beantragt haben. Es müsse wieder ein mehrstufiges | |
Verfahren durchlaufen werden, urteilten die Luxemburger Richter am | |
Donnerstag. | |
Im konkreten Fall hatte ein Syrer in Deutschland einen Asylantrag gestellt. | |
Dabei wurde festgestellt, dass er zuvor bereits in Italien internationalen | |
Schutz beantragt hatte. Deutschland bat Italien daraufhin um seine | |
Wiederaufnahme. Als die italienischen Behörden nicht Nein sagten, lehnte | |
Deutschland den Asylantrag des Syrers ab und schickte ihn wieder nach | |
Italien. Er kehrte kurz darauf illegal nach Deutschland zurück. | |
Nach dem EuGH-Urteil hat der Syrer nun gute Chancen, in Deutschland zu | |
bleiben. Und die Bundesregierung hat ein weiteres Problem mit der – nur auf | |
dem Papier – gemeinsamen Asylpolitik. Bisher gilt die Regel, dass jenes | |
Land für einen Asylantrag zuständig ist, in dem ein Flüchtling in die EU | |
eingereist ist. In der Praxis sind dies meist Italien oder Griechenland. | |
Dieses so genannte Dublin-System war jedoch 2015 zusammengebrochen. | |
25 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Dublin-System | |
Dublin III | |
EU-Innenminister | |
Innenminister Thomas de Maizière | |
Thomas de Maizière | |
Schwerpunkt Flucht | |
Thomas de Maizière | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Brexit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar EU-Flüchtlingsverteilung: Fehlende Solidarität | |
Innenminister Thomas de Maizière drängt nicht weiter auf Quoten für die | |
Verteilung von Flüchtlingen. Doch Abschottung allein ist keine Lösung. | |
EuGH-Urteil zu Abschiebung in Europa: Asyl nicht nur im Ankunftsland | |
Ein syrischer Staatsangehöriger klagte gegen seine Rückführung nach | |
Italien. Trotz illegaler Einreise nach Deutschland kann er hier Asyl | |
beantragen. | |
Asylpolitik in Frankreich: Helfer wollen keine Sheriffs werden | |
Frankreichs Regierung schockiert Hilfsorganisationen damit, Migranten auch | |
in Notunterkünften kontrollieren zu wollen. Doch deren Betreiber wehren | |
sich. | |
Flüchtlingspolitik und Brexit: Zusammen auf die Zäune achten | |
Großbritannien bewilligt 50 Millionen Euro für den britisch-französischen | |
Grenzschutz. May und Macron besprechen ihre Zusammenarbeit ohne EU. |