| # taz.de -- Studie zu Jugendgewalt: Das Problem Perspektivlosigkeit | |
| > In Niedersachsen steigen Gewaltdelikte wieder an. Eine | |
| > Kriminalitätsstudie sieht den Hauptgrund in der Zuwanderung. | |
| Bild: In jedem Land der Welt seien junge Männer bei Gewalt- und Sexualdelikten… | |
| Hannover/Berlin taz | Die Reaktion der AfD kam wie erwartet. Es sei „Zeit | |
| für Heimflüge“, kommentierte deren Bundeschef Jörg Meuthen. SPD-Spitzenmann | |
| Thomas Oppermann wiederum stellte sich hinter die Forderung nach einem | |
| „milliardenschweren“ Rückkehrprogramm: ein „guter Vorschlag“. | |
| Dabei öffnet die Studie, die der hannoversche Kriminalitätsforscher | |
| Christian Pfeiffer mit seinen Kollegen Dirk Baier und Sören Kliem am | |
| Mittwoch veröffentlichte, durchaus den Blick für Differenzierungen. Aber | |
| sie fällt in eine Zeit aufgewühlter flüchtlingspolitischer Diskussionen – | |
| nur kurz nachdem im rheinland-pfälzischen Kandel ein junger Afghane seine | |
| Ex-Freundin niedergestochen hat. | |
| Die Wissenschaftler untersuchten die Entwicklung von Jugendgewalt in | |
| Niedersachsen, mit Fokus auf junge Flüchtlinge. Und stellten fest: Nach | |
| jahrelangem Rückgang steigen seit 2014 in dem Bundesland die Gewalttaten | |
| wieder um 10,4 Prozent an – zeitgleich mit dem starken Zuzug von | |
| Geflüchteten 2015 und 2016. 13,3 Prozent der aufgeklärten Gewalttaten sind | |
| ihnen zuzurechnen. Der Anstieg der Kriminalität ist damit zu 92,1 Prozent | |
| auf Asylbewerber zurückzuführen. | |
| Pfeiffer und sein Team beziehen sich dabei auf Zahlen der Kriminalstatistik | |
| in Niedersachsen. Ihre Studie wurde vom Bundesfamilienministerium | |
| finanziert. Als Flüchtlinge zählen die Forscher Asylbewerber, international | |
| Schutzberechtigte, Geduldete oder auch Personen mit „unerlaubtem | |
| Aufenthalt“. Deren Zahl hat sich zwischen 2014 und 2016 mehr als | |
| verdoppelt. | |
| ## Dazu kommt das Frauendefizit | |
| Doch um wen genau geht es eigentlich? Gerade wenn die Einreise gefährlich | |
| ist, wie in den überfüllten Booten auf der Mittelmeerroute, machen sich | |
| zunächst oft nur die jungen Männer auf den Weg. „In jedem Land der Welt | |
| sind die männlichen 14- bis unter 30-Jährigen bei Gewalt- und | |
| Sexualdelikten deutlich überrepräsentiert“, heißt es in der Studie. | |
| Unter den Geflüchteten in Niedersachsen macht diese Altersgruppe einen | |
| Anteil von 26,9 Prozent aus. In der Durchschnittsbevölkerung sind nur 9,3 | |
| Prozent der Menschen zwischen 14 und 30 Jahren alt. Es überrascht nicht, | |
| dass die Polizei bei über zwei Dritteln der aufgeklärten Gewaltdelikte von | |
| Geflüchteten ebendiese Altersgruppe als Tatverdächtige ausmachte. | |
| Hinzu kommt ein Frauendefizit. Die jungen Geflüchteten wachsen ohne | |
| Schwestern und Mütter auf, die laut Studie „eher auf gewaltfreie Lösungen | |
| hinwirken“. Stattdessen leben die jungen Männer in den Unterkünften mit | |
| vielen anderen Männern anderer Nationalität oder Religion auf beengtem Raum | |
| und orientierten sich an gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen. | |
| Laut Studie haben einige der Männer in ihren Herkunftsländern eine | |
| „Macho-Kultur“ gelernt, in der Prinzipien wie „Der Mann ist das Oberhaupt | |
| der Familie und darf sich notfalls auch mit Gewalt durchsetzen“ gelten. | |
| Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen seien, akzeptierten diese | |
| Männlichkeitsnormen seltener. Ebenso wichtig erscheint jedoch die | |
| Bleibeperspektive der Geflüchteten. | |
| ## 91 Prozent der Opfer keine Deutschen | |
| So wird in den Zahlen deutlich, dass Geflüchtete aus Syrien, dem Irak oder | |
| Afghanistan seltener Gewalttaten begehen als etwa Asylsuchende aus den | |
| Maghreb-Staaten. Menschen aus Bürgerkriegsländern, die gute Chancen auf ein | |
| Aufenthaltsrecht haben, wollten sich diese Perspektive nicht durch eine | |
| Straftat ruinieren, vermuten die Forscher. Die nordafrikanischen | |
| Flüchtlinge stünden dagegen vor einer „massiven Enttäuschung“. „Für s… | |
| gibt es weder ein Bleiberecht noch eine Arbeitserlaubnis.“ | |
| Die Zahlen beziehen sich indes nur auf Taten, die von den Opfern angezeigt | |
| wurden – und Geflüchtete werden laut Pfeiffer häufiger angezeigt als | |
| deutsche Täter. Zudem waren die Opfer der Gewalttaten in vielen Fällen | |
| ebenfalls Migranten. Bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten in | |
| Niedersachsen, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden, | |
| waren 91 Prozent der Opfer keine Deutschen. | |
| Pfeiffer und sein Team schlagen nun ein Einwanderungsgesetz vor, das die | |
| Anforderungen für eine Einbürgerung aufzeigen würde. „Das schafft für sie | |
| einen starken Anreiz.“ | |
| Weil zuletzt viel mehr Anträge von Asylbewerbern abgelehnt wurden, als | |
| tatsächlich ausgereist sind oder abgeschoben wurden, plädieren die Forscher | |
| zudem für ein breit angelegtes Programm für die freiwillige Rückkehr von | |
| Flüchtlingen. Damit diese erfolgreicher werde, sei es sinnvoll, auch | |
| Geflüchteten ohne Bleibeperspektive Sprachkurse und Praktika zu | |
| ermöglichen. Damit könnten sie in ihren Heimatländern etwa in der | |
| Touristikbranche arbeiten. | |
| ## Weil appelliert an Merkel | |
| Pfeiffers Zahlen fügen sich in einen bundesweiten Trend ein. Auch hier war | |
| die Gewaltkriminalität seit 2007 rückläufig – 2016 aber wuchs sie wieder um | |
| 6,7 Prozent auf 193.542 Fälle. Die Zahl der tatverdächtigen Flüchtlinge | |
| stieg auch hier: Bei Raubdelikten machten sie 14,3 Prozent der Verdächtigen | |
| aus, bei schweren Körperverletzungen und Vergewaltigungen je 14,9 Prozent. | |
| Insgesamt waren 174.438 der Verdächtigen aller Straftaten in Deutschland | |
| Zuwanderer – 52,7 Prozent mehr als im Vorjahr. | |
| Im ersten Halbjahr 2017 wurden dann 133.800 Straftaten Geflüchteten | |
| zugerechnet, etwas weniger als im Vorhalbjahr. Die häufigsten Taten waren | |
| Fälschungsdelikte (30 Prozent), vor allem Schwarzfahren, dann | |
| Rohheitsdelikte (24 Prozent) und Diebstahl (22 Prozent). | |
| Und auch bundesweit kamen die meisten Verdächtigen aus den Maghreb-Staaten | |
| und Georgien – und auch die Opfer waren vielfach Zuwanderer. 81 Prozent | |
| aller Rohheitsdelikte etwa, bei denen Flüchtlinge Tatverdächtige waren, | |
| trafen auch Zuwanderer. | |
| Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte am Mittwoch | |
| mehr Anstrengungen bei Rückführungen und Integration. Gerade die | |
| Abschiebungen von Nordafrikanern scheiterten häufig, da sich deren | |
| Herkunftsländer weigerten, die Asylsuchenden wieder aufzunehmen. Weil | |
| appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), darauf hinzuwirken, dass | |
| diese Länder ihre Blockadepolitik beendeten. | |
| 3 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
| Konrad Litschko | |
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