| # taz.de -- Nach Flucht vor Wehrdienst für Assad: Syrer soll kein Flüchtling … | |
| > Das Hamburger Oberverwaltungsgericht versagt einem Syrer den | |
| > Flüchtlingsstatus. Er floh vor dem Wehrdienst und bekam in Deutschland | |
| > nur subsidiären Schutz. | |
| Bild: So sieht Wehrdienst in Syrien aus | |
| HAMBURG taz | Ein junger Syrer wird nicht als Flüchtling anerkannt. Der | |
| heute 20-jährige Mohammad H. war aus Furcht, zur Wehrpflicht eingezogen zu | |
| werden, im Januar 2016 nach Deutschland geflohen und beantragte Asyl. Doch | |
| das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewährte ihm lediglich | |
| einen subsidiären Schutz und damit nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein | |
| Jahr – mit Option auf Verlängerung. Auch ein Familiennachzug ist in diesem | |
| Fall ausgeschlossen. Dagegen hatte Mohammad H. geklagt und bereits in | |
| erster Instanz verloren. | |
| Nun wies das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) die Berufungsklage | |
| des Mannes ab, teilte das Gericht am Freitag mit. „Ich finde das Urteil | |
| erschreckend und halte die Entscheidung auch europarechtlich für nicht | |
| richtig“, sagte Rechtsanwältin Maxi Schele, die den Kläger vertrat. Bislang | |
| ist unklar ist, ob die Entscheidung nur für den Einzelfall oder generell | |
| für Wehrdienstverweigerer gelten soll, da die Urteilsbegründung noch nicht | |
| vorliegt. | |
| Mohammad H., der wenige Tage nach seinem 18. Geburtstag aus Syrien geflohen | |
| war, wolle keine Menschen töten und habe Angst, als Soldat in Assads Armee | |
| an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, hatte er erklärt. | |
| Der Prozess drehte sich vor allem um die Frage, ob die Gefahren, die nach | |
| Syrien zurückkehrenden Wehrverweigerern drohen, eine politische Verfolgung | |
| darstellen und sie deshalb als Flüchtlinge anerkannt werden müssten. | |
| Rückkehrern droht die Inhaftierung, Folter oder Zwangsrekrutierung, nach | |
| der sie als Soldaten auch an Kriegsverbrechen beteiligt werden könnten. | |
| Laut Asylgesetz gilt als Verfolgung auch „Strafverfolgung oder Bestrafung | |
| wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der | |
| Militärdienst Verbrechen […] umfassen würde“. | |
| Laut Anwältin Schele haben bisher drei Gerichte syrischen | |
| Kriegsverweigerern den Flüchtlingsstatus zuerkannt, während mit dem | |
| aktuellen Urteil nun fünf Gerichte dies ablehnten. Nach einer europäischen | |
| Richtlinie können Deserteure Asyl bekommen, wenn sie sich sonst an | |
| Kriegsverbrechen hätten beteiligen müssen. Diese Regelung geht auf den Fall | |
| eines desertierten US-Soldaten zurück, der in Deutschland Asyl beantragt | |
| hatte, was jedoch abgelehnt wurde. Im Hamburger Prozess war allerdings | |
| fraglich, ob Mohammad H. überhaupt als Wehrdienstverweigerer gelten kann, | |
| da er zum Zeitpunkt seiner Flucht noch nicht einberufen war. | |
| Doch als Volljähriger ist er in Syrien prinzipiell wehrpflichtig. Dass | |
| Assads Soldaten Kriegsverbrechen begehen, stehe für das Gericht „außer | |
| Frage“, hatte der Vorsitzende Richter während der Verhandlung gesagt. Eine | |
| Richterin hatte betont, dass das Regime, wann immer es um Gefängnisse gehe, | |
| „unglaublich brutal“ handele. | |
| Mohammad H.s Anwältin argumentierte, dass Wehrdienstverweigerung vom | |
| syrischen Regime als politischer Akt gewertet und „über das Maß hinaus“ | |
| bestraft werde. Aus diesem Grund handele es sich um eine politische | |
| Verfolgung. Mohammad H. befürchtet nach seiner Rückkehr nach Syrien | |
| inhaftiert und misshandelt zu werden und dann nach einer minimalen | |
| Ausbildung an die Front geschickt zu werden. | |
| ## Wehrverweigerern drohen Verhaftung und Folter | |
| „Wir haben erst die Folter, dann den Fronteinsatz“, so die Anwältin, deren | |
| Auffassung durch Berichte des Flüchtlingshilfswerks UNHCR gestützt wird. | |
| Auch das Auswärtige Amt berichtete in der Vergangenheit von Verhaftungen | |
| von Wehrverweigerern und von Folter, die die syrischen Sicherheitskräfte | |
| allgemein im größeren Maßstab anwendeten. | |
| Doch der Vertreter des BAMF, Ulf Stiehr, wies diese Annahmen zurück. Es sei | |
| zwar „unstrittig, dass einzelne Übergriffe vorkommen können“, für die | |
| Mehrheit der wehrfähigen Männer sei dies jedoch nicht belegt. Damit fehle | |
| es an der rechtlich notwendigen „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ der | |
| Verfolgung. | |
| Auch das Gericht wies dies zurück. Mohammad H. habe zuvor ein unpolitisches | |
| Leben in Damaskus geführt. Eine Strafe wegen Kriegsverweigerung sei nur | |
| dann ein Verfolgungsgrund, wenn weitere Aspekte der Verfolgung hinzukämen. | |
| 15 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Stepputat | |
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