# taz.de -- Der Hausbesuch: Er liebt Rock, gutes Essen und Gott | |
> Daniel Konnemann ist katholischer Priester in Hannover. Die Ehe für alle | |
> und die Anerkennung eines dritten Geschlechts findet er gut. | |
Bild: „Was würde Jesus brauen?“ Daniel Konnemann in seiner Küche im Pfarr… | |
Daniel Konnemann begrüßt die Ehe für alle und ist auch in anderen Punkten | |
mit seiner katholischen Kirche nicht d’accord. Ein Besuch in seiner | |
Hannoveraner Pfarrhauswohnung. | |
Draußen: Eine Straße in Hannover-Linden, einem alten Arbeiterbezirk. | |
Gründerzeithäuser mit bröckelnden Fassaden, ein paar Läden, Graffiti, die | |
AWO, ein Jugendtreff. Dann kommt die Nummer 22: die katholische | |
St.-Godehard-Kirche, ein neogotisches Backsteingebäude. Daneben ist das | |
Pfarrhaus. | |
Drinnen: Das Treppenhaus riecht nach Wachs. Oben unterm Dach wohnt der | |
Pfarrer. Pop-Rock ist durch die Tür zu seiner Wohnung zu hören. Daniel | |
Konnemann öffnet, bittet an einen langen Holztisch im Flur und stellt die | |
Musik leiser. An den Wänden hängen Drucke von van Gogh, auf einem Regal | |
steht ein Mini-Toaster, der statt Brot Tischgebetssprüche „ausspuckt“, auf | |
einem weiteren Regal stehen Fotos eines Jungen: „Mein Patenkind, der Sohn | |
einer Freundin.“ An einer Wand lehnt ein überdimensionaler Schneebesen: | |
„Ein Geschenk zum 40. Weil ich so gerne koche.“ | |
Beruf und Berufung: Aufgewachsen ist er im protestantischen Winsen bei | |
Hamburg. Seine aus dem Emsland stammenden Eltern nahmen ihn aber immer mit | |
in die katholische Kirche. „Schon als Kind wollte ich Priester werden. Ich | |
dachte, das hätte was mit Zauberei zu tun.“ Im Theologiestudium wurde ihm | |
die Riesenverantwortung bewusst, die mit Seelsorge verbunden ist. Und: | |
„Während der Präventionsschulung habe ich dann noch gemerkt, wie schnell | |
man in dem System zum Täter werden kann.“ Wie schnell man also seine | |
Autorität missbrauchen kann. Wie schnell wiederum man in dem Beruf über | |
seine Grenzen geht, das erfuhr er in seiner letzten Gemeinde in Hildesheim: | |
„Da hatte ich als Pfarrer die Verantwortung für drei Standorte. Im Grunde | |
war ich Chef eines mittelständischen Unternehmens.“ Die Verwaltungsarbeit | |
wurde sein Hamsterrad. Er brannte aus. | |
Abschalten: Mittlerweile hat er gelernt, auf sich selbst zu achten: In | |
Hannover ist er nur noch als Pastor beschäftigt, was heißt: „Dass die | |
Leitung der Gemeinde und damit viel Organisation wegfällt.“ Dazu bemüht er | |
sich seit seinem Burn-out um eine Trennung von Privatleben und Beruf: Um | |
abschalten zu können, hat er auch seinen WhatsApp-Account deaktiviert: „Da | |
habe ich rund um die Uhr Nachrichten bekommen.“ | |
Alltag: „Ein Kaffee am Morgen ist mein erster Kontakt mit dem Herrn“, sagt | |
er. Ein gewöhnlicher Arbeitstag? „Beginnt mit einer Konferenz. Heute etwa | |
haben wir die vergangenen Tage besprochen und gesehen, was in den kommenden | |
ansteht. Dann habe ich Predigten vorbereitet, einen Gottesdienst im | |
Altersheim gehalten und war zu Besuch im Soul Side House, einem Wohnprojekt | |
für Jugendliche, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machen.“ Privat, | |
erzählt er, kocht und isst er gern, hört Musik, liest historische Romane, | |
geht in Cafés, Bars oder auch mal auf Konzerte. Zuletzt zu U2 in Berlin: | |
„Einfach nur geil.“ | |
Weltliches: In den letzten Jahren hat Daniel Konnemann entgegen der | |
Richtlinien der Kirche Haare und Bart wachsen lassen: „Bislang hat niemand | |
was gesagt.“ Nach den Feuerzeugen auf dem Tisch gefragt, meint er: „Ich | |
rauche Pfeife – aber selten, das geht auf die Stimme.“ Zum Thema Scheidung | |
sagt er zunächst: „Scheidungen kennt die katholische Kirche nicht“, räumt | |
auf die Frage, wie er damit umgeht, wenn es in seinem Umfeld dennoch dazu | |
kommt, aber ein: „Ich bemühe mich immer um Verständnis.“ | |
Toleranz: Konnemann sagt, er sehe stets den Einzelfall und werte nie: „Das | |
überlasse ich Gott.“ Seine Gottesdienste stehen allen offen: „Auch | |
Konfessionslosen. Jesus hat Liebe gepredigt. Das ist mein Leitstern.“ Die | |
Anerkennung eines dritten Geschlechts findet er gut. Zur gesetzlich | |
beschlossenen Ehe für alle meint er: „Super! Toll für Deutschland!“ Und | |
fügt hinzu: „Die Kirche muss den Stand der biologischen Erkenntnisse | |
anerkennen.“ In einen moralischen oder theologischen Konflikt gestürzt hat | |
Konnemann sein liberales Denken nie: „Meine radikale Loyalität hält mich | |
doch nicht davon ab, kritische Fragen zu stellen.“ | |
Kirchenkritik: Konnemann findet, die katholische Kirche solle sich für | |
Frauen öffnen: „Ich glaube, dass uns da etwas fehlt in der Hierarchie. Im | |
Sinne einer ergänzenden Perspektive.“ Mit dem Zölibat wiederum meint er, | |
habe er persönlich kein Problem: „Ich brauche das Alleinsein. Mein Bedarf | |
an Zwischenmenschlichem ist durch den intensiven Austausch in der Gemeinde | |
gedeckt.“ Keine Kinder bekommen zu können, empfindet er als größere | |
Entbehrung als die Enthaltsamkeit: „Früher wollte ich Kinder. Ich glaube, | |
ich wäre ein guter Vater geworden. Leben weitergeben und ein Kind begleiten | |
zu dürfen, sehe ich als größtes Geschenk.“ | |
Herausforderungen: Eine der größten Herausforderungen in Konnemanns | |
bisheriger Laufbahn war die Beerdigung eines Neonazis: „Da habe ich eine | |
Predigt darüber gehalten, was Gott unter Heimat versteht. Dass er niemanden | |
ausgrenzt.“ Erreichen, meint er, konnte er die Trauergemeinde aber nicht: | |
„Die Mienen waren versteinert.“ Im Anschluss an den Gottesdienst, erzählt | |
er, habe er sich neue Schuhe gekauft: „Weil ich was Buntes brauchte.“ | |
Politik: Nach dem Wahlergebnis der AfD hat er sich entschlossen, | |
politischer zu werden. In seiner Rolle als Pastor, aber auch privat. Als | |
Pastor will er sich bemühen, das aktuelle Tagesgeschehen stärker zum Thema | |
zu machen. Als Privatmensch hat er begonnen, jeden Monat vierzehn Euro an | |
Pro Asyl zu spenden: Einen Euro pro Prozentpunkt der AfD. | |
Heimat: „Ich habe einen dynamischen Heimatbegriff. Heimat ist da, wo ich | |
gerade bin. Wenn ich versetzt werde, finde ich da Heimat.“ In der Regel, | |
erklärt er, blieben Pfarrer und Pastoren nie länger als zehn Jahre an einem | |
Ort: „Um Dynamik zu bewahren.“ Zu seinem Geburtsort in der Nähe von Hamburg | |
und dem Emsland aber hat Konnemann eine besondere Bindung: „Ein Teil von | |
mir ist dort verankert.“ | |
Bloggen: Nach seinem Burn-out hat Konnemann einen Blog im Internet | |
eingerichtet. Der Titel: [1][Belonging]. Das englische Wort hat er gewählt, | |
da es sich aus Zugehörigkeit und Sehnsucht zusammensetzt: „Ein Gedanke zum | |
Weiterdenken.“ Der Blog ist leer geblieben. „Weil ich gemerkt habe, dass | |
ich mich mündlich besser ausdrücken kann als schriftlich.“ Die Frage der | |
Zugehörigkeit aber beschäftigt ihn noch: „Die Suche geht weiter.“ | |
14 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://konnemann.com/ | |
## AUTOREN | |
Eva-Lena Lörzer | |
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