# taz.de -- Ausstellung zu Hochzeiten: Ein menschliches Grundbedürfnis | |
> Liebesbeweis oder vertragliche Absicherung der Lebensgrundlage: Die | |
> Ausstellung „Hochzeitsträume“ im befasst sich mit Eheschließungen. | |
Bild: Promi- und Adelshochzeiten üben ungebrochene Faszination aus | |
Heiraten ist keine leichte Sache. Die „Schäppel“ genannte Brautkrone, die | |
eine Braut im 19. Jahrhundert im Schwarzwald während ihrer Hochzeit auf | |
ihrem Kopf balancierte, konnte schon mal vier Kilo wiegen. Schmuckvoll | |
verziert, spiegelte die Krone Reichtum und Ansehen der Brautfamilie wieder. | |
Das romantische Interesse der Heiratenden spielte damals eine | |
untergeordnete Rolle – eher ging es um eine „gute Partie“, Regelung von | |
Erbansprüchen und familiären Allianzen. | |
Heute erfreut sich das Heiraten wieder zunehmender Beliebtheit. Weniger als | |
Zweckallianz, sondern, inspiriert von Promi- und Adelshochzeiten, als | |
aufwendig inszeniertes „Fest der Liebe“, das die besondere Verbindung | |
zweier Menschen feiern soll. | |
Ob als romantischer Liebesbeweis oder vertragliche Absicherung der | |
Lebensgrundlage – alle Hochzeiten eint, dass sie eine Projektionsfläche für | |
Hoffnungen, Träume und Erwartungen darstellen. | |
Ein „Tränenkleid“ | |
Die Ausstellung „Hochzeitsträume“ im Museum Europäischer Kulturen, die am | |
kommenden Freitag eröffnen wird, will diese Projektionsfläche greifbar | |
machen. Dabei geht es den Ausstellungsmacherinnen weniger um historische | |
Entwicklung oder ethnologische Beschreibung von Hochzeitsbräuchen. „Wir | |
versuchen, die einzelnen Exponate an eine persönliche Geschichte zu | |
knüpfen“ erklärt Kuratorin Jane Redlin „verschiedene Aspekte des Heiratens | |
werden dadurch schlaglichtartig dargestellt“. | |
Ein Beispiel ist das „Tränenkleid“: ein Brautkleid aus dem 19. Jahrhundert, | |
das über Generationen weitergegeben wurde und zuletzt inmitten des 2. | |
Weltkriegs zum Einsatz kam. In Zeiten des Mangels musste die Braut das | |
Kleid ihrer Großmutter wiederverwenden. Sie war darüber so traurig, dass | |
sie drei Tage lang weinte.‑ | |
So versuchen die Kuratorinnen, sich den vielschichtigen Dimensionen des | |
Phänomens aus einer persönlichen Perspektive zu nähern. Denn, unabhängig | |
von Epoche und Kultur, geheiratet wird immer. Die Ethnologie nennt das ein | |
„Übergangsritual“, das den Eintritt in eine neue Lebensphase markiert. | |
Lange bedeutete dies vor allem den vollwertigen Eintritt in die Welt der | |
Erwachsenen und die gesellschaftliche Anerkennung der eigenen | |
Liebesbeziehung. Historisch gesehen erfüllte die Heirat dazu noch | |
wesentliche soziale Funktionen: „Heiraten war ein Rechtsakt“, erklärt | |
Kokuratorin Judith Schühle: „Es wurden Allianzen gebildet und Erbansprüche | |
sichergestellt.“ | |
## Versorgungsehen | |
Der Versorgungsaspekt stand im Vordergrund. Das könne man gut anhand alter | |
Zeitungsanzeigen erkennen: So suchte eine Bäckerstochter einen Bäckerssohn, | |
„da ging es bei der Heirat hauptsächlich darum, den Laden des Vaters | |
weiterführen zu können“, erklärt Schühle. Erst mit der Romantik entstand … | |
19. Jahrhundert die Idee der Liebesheirat, die sich im Laufe des 20. | |
Jahrhundert zunehmend durchsetzte. | |
In der jüngeren Vergangenheit wurde die Heirat oft totgesagt. Die Zahl der | |
Trauungen brach in den vergangenen Jahrzehnten ein, die Zahl der | |
Scheidungen nahm rasant zu. Die zunehmende Akzeptanz alternativer | |
Lebensentwürfe begünstigen den Eindruck, beim Heiraten handele es sich um | |
ein altmodisches Überbleibsel aus der Vergangenheit. | |
Die Kuratorinnen widersprechen dem vehement. Gerade bei der jüngeren | |
Generation gehe der Trend wieder zum Heiraten. „Mit der Heirat wird der | |
Traum von Sicherheit geträumt“, erklärt Schühle, „es ist eine Abgrenzung… | |
den Unsicherheiten, denen junge Leute gesamtpolitisch gegenüberstehen.“ | |
Dieses Bedürfnis zeigt sich auch in der ungebrochen anhaltenden | |
Faszination, die Adels- und Promihochzeiten auslösen, deren | |
Liveübertragungen Traumquoten bringen. „Darin äußert sich die Sehnsucht | |
nach scheinbar perfekter Liebe“, so Schühle, auch wenn diese in der | |
Realität nicht erreichbar sei. Dennoch wird versucht, diesem Traum | |
möglichst nahe zu kommen, indem auch die eigene Hochzeit möglichst opulent | |
inszeniert wird. | |
## Bilder auf Instagram | |
Im Gegensatz zu früher spielt die mediale Darstellung heute eine große | |
Rolle: „Es gibt auf Instagram eigene Hashtags, unter denen Menschen ihre | |
Hochzeitserfahrungen Revue passieren lassen.“ Anstatt eines einzigen | |
Hochzeitsfotos werden eigens Fotografen engagiert, die jeden Moment der | |
Feier dokumentarisch festhalten und in den sozialen Medien veröffentlichen. | |
Dass das Ritual im Laufe der Zeit seine Bedeutung zwar verändert, aber | |
nicht verloren hat, zeigt ein anderes Exponat der Ausstellung: eine | |
Hochzeitskuchenfigur bestehend aus zwei Lego-Männern. Ein | |
gleichgeschlechtliches Paar überließ sie der Ausstellung. Da Lego nur | |
heterosexuelle Paare anbot, hatten sie sich die Kuchenfigur für ihre | |
Hochzeit selber zusammengebastelt. | |
Die dahinterliegende Debatte über die Anerkennung gleichgeschlechtlicher | |
Ehen offenbart, wie viel Bedeutung dem Heiraten unverändert beigemessen | |
wird. Kuratorin Redlin ist sicher: „Das Ritual ist ein menschliches | |
Grundbedürfnis.“ | |
26 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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