# taz.de -- Spanien stoppt Flüchtende in Dakar: Die Señores in Senegal | |
> Spanien hat vor Jahren die Atlantikroute geschlossen, seine Küstenwache | |
> kontrolliert in Dakar Flüchtende aus Westafrika. Noch. | |
Bild: Flüchtende aus dem Senegal hatten in den vergangenen Jahren kaum eine Ch… | |
DAKAR taz | Lange wird es nicht mehr so ruhig bleiben. Das weiß José Luis | |
Bodi seit drei Wochen. Die Vorboten der neuen Zeit sind zwei Fotos in | |
seinem E-Mail-Eingang, er trägt sie in seinem Smartphone mit sich herum. | |
Aber noch ist es nicht so weit, und so kann Bodi, Offizier der Guardia | |
Civil, an diesem Mittag im Dezember Besuchern seinen Lieblingsplatz zeigen: | |
das Restaurant auf dem Dach der Clinique de la Madeleine, an der Südspitze | |
der Altstadt von Dakar. „Alleine findet hier keiner hin“, sagt Bodi. | |
Es bietet einen prachtvollen Blick über die keilförmige Halbinsel am | |
westlichsten Punkt des afrikanischen Festlands. Im Osten die einstige | |
Sklaveninsel Gorée, auf der anderen Seite das Botschaftsviertel, | |
Palmengärten, die Strandpromenade Corniche, das Mahnmal der afrikanischen | |
Renaissance, etwas weiter der Leuchtturm von Marmelles und dahinter nur | |
noch das Meer: tiefblau, still und im Dunst verschwindend. 1.500 Kilometer | |
weiter liegen die Kanarischen Inseln. Und deswegen ist Bodi hier. | |
Er ist einer von einem guten Dutzend spanischer Grenzschützer, die seit | |
über zehn Jahren in dem westafrikanischen Land stationiert sind. Es ist die | |
älteste Mission der EU-Grenzschutzagentur Frontex, benannt nach der | |
griechischen Göttin Hera. Und wenn man Frontex-Maßstäbe anlegt, die mit | |
Abstand erfolgreichste. 2006 gelangten 31.600 Menschen aus Westafrika auf | |
die Kanarischen Inseln. „Eine große Lawine war das“, sagt Bodis | |
Vorgesetzter. Spanien schloss mit den Regierungen von Mauretanien und | |
Senegal Verträge. Bodis Vorgänger durften kommen und im Senegal Migranten | |
verfolgen, fast so, als sei dies hier ihr eigenes Land. Ab 2009 war die | |
sogenannte Atlantikroute zu. Fast kein Afrikaner kam mehr von Senegal aus | |
zu den Kanaren durch. Bis vor acht Wochen. | |
Bodi fährt durch das Tor des Marinestützpunkts von Dakar. Am Eingang stehen | |
zwei Soldaten, die müde die Hand zum Gruß heben, auf der linken Seite, in | |
einem sandgelben Gebäude, ist das Lagezentrum, Bodis Arbeitsplatz. Die | |
Straße schlängelt sich an den Kaimauern entlang, an denen graue | |
Marineschiffe liegen wie schlafende Tiere. „Alles Schrott“, sagt Bodi. „D… | |
funktionieren fast alle nicht mehr.“ Die Senegalesen hätten nur eine Hand | |
voll einsatzfähiger Schiffe. „Und die haben natürlich die Europäer | |
bezahlt.“ | |
## Offiziell werden die Senegalesen nur unterstützt | |
Am Ende der Kaistraße liegen die beiden Schiffe der Guardia Civil, Typ | |
Rodman 101, 31 Meter lang, 1.500 PS, Nachtsichtgeräte, Infrarotkameras, | |
moderne Radarsensoren, je zehn Mann Besatzung, Höchstgeschwindigkeit 64 | |
Stundenkilometer. Jede Nacht fahren sie hinaus, unterstützt von einem | |
Helikopter, den die Spanier auf dem Flughafen von Dakar stationiert haben. | |
„Mit den Senegalesen beobachten wir die Boote, die in Richtung Kanaren | |
fahren. Wir halten sie auf und bringen sie zurück“, sagt Bodi. Er geht auf | |
die Brücke, zeigt die Monitore der Wärmebildkameras. „Die Boote der | |
Illegalen sieht man nicht auf dem Radar.“ | |
Offiziell unterstützen die Spanier die Senegalesen nur. Tatsächlich | |
„entscheiden wir, wohin wir fahren und welche Schiffe kontrolliert werden. | |
Die Senegalesen führen das dann aus“, sagt Bodi. Die Arbeit sei | |
„präventiv“, sagt er. „Die sollen wissen, dass wir hier sind, und gar ni… | |
erst losfahren.“ | |
Spanien war das erste Land der EU, in das im letzten Jahrzehnt in größerer | |
Zahl irreguläre MigrantInnen aus Afrika kamen. Und es war das erste, das | |
auf die Idee kam, den Transitstaaten mehr Entwicklungshilfe zu geben, um | |
diese zu blockieren. Mit seinem „Plan África“ ab 2004 vervierfachte Spanien | |
seine Hilfsgelder in Westafrika. „Wir glauben, dass es sinnvoll ist, die | |
Aufstockung der Entwicklungshilfe an die Ausarbeitung von | |
Migrationsabkommen zu koppeln“, sagte der damalige Justizminister Juan | |
Fernando López Aguilar. | |
## Spanien ging geräuschlos vor | |
Eine vergleichbare Kooperation, bei dem ein Nicht-EU-Staat europäischen | |
Grenzpolizisten in diesem Maß faktische Hoheitsrechte einräumt, gibt es | |
nirgendwo sonst. „Spanien hat diese Grenzkontrollen und Rücknahmen von | |
Ländern in Westafrika verlangt und bekommen“, sagt Louis Vimont, einst | |
Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes EEAS. „Aber es ist | |
dabei sehr geräuschlos vorgegangen, keine öffentlichen Erklärungen, das war | |
das Geheimnis.“ Deswegen sei das Land damals weiter gekommen als die | |
Europäer heute bei ihren Verhandlungen mit anderen afrikanischen Staaten. | |
Neun Monate im Jahr sind die Spanier allein in Dakar. Von August bis | |
Oktober – der Zeit, in der mit den meisten Überfahrten gerechnet wird – | |
schickt Frontex Schiffe und Flugzeuge aus anderen EU-Staaten zur | |
Unterstützung. | |
Die Präsenz von Bodi und seinen Leuten habe dazu geführt, dass Senegalesen, | |
die nach Europa wollen, zuletzt meist den lebensgefährlichen Weg [1][durch | |
die Sahara], über Libyen und das Mittelmeer gewählt haben. 5.700 | |
Senegalesen sind auf diese Weise von Januar bis Oktober in Italien | |
angekommen. | |
„Leben retten, darum geht es hier vor allem“, behauptet Bodis Chef, der | |
Kommandant Raffael Carvallo Abegar in Dakar. Die Überwachung fange nicht | |
erst auf See an, sondern schon an Land. Dort suche die Polizei nach | |
Schleppern und Menschen, die die Überfahrt planen. „Die arbeiten mit dem | |
spanischen Geheimdienst zusammen.“ | |
## Fünf Boote in acht Wochen | |
Ihr Glück sei, dass Senegal und Mauretanien „sehr stabil sind, mit den | |
Regierungen kann man gut zusammenarbeiten“, sagt Abegar. Dakar, die | |
Metropole Westafrikas, vier Flugstunden südlich des Mittelmeers, sei | |
„natürlich eine Grenze Europas“, sagt Abegar. „Wenn diese Route wieder | |
aufgeht, kämen Tausende erneut nach Europa.“ Genau das befürchten die | |
spanischen Grenzschützer jetzt. | |
Bodi zeigt die Bilder, die ihm seine Kollegen vor Mauretanien geschickt | |
haben: zwei Holzboote, völlig überfüllt mit über 100 Afrikanern, gestartet | |
wohl in Gambia. Insgesamt fünf Boote mit etwa 200 Menschen haben es seit | |
Oktober 2017 bis in die spanischen Gewässer geschafft. Fünf Boote in acht | |
Wochen, nach sieben Jahren, in denen es den Spaniern gelungen war, die | |
Route fast komplett dicht zu halten. „Das hat natürlich mit der Situation | |
in Libyen und Niger zu tun. Die Route dort wird jetzt besser kontrolliert, | |
also versuchen wieder mehr Menschen, hier über das Meer zu kommen“, sagt | |
Abegar. Für ihn ist klar, dass er hier bald mehr zu tun bekommen wird. „Wir | |
bleiben hier.“ | |
Hann ist eine der vielen Vorstädte von Dakar, eine halbe Autostunde | |
nördlich vom Zentrum. Am Morgen sind die Fischer vom Meer zurückgekehrt, | |
Hunderte Pirogen liegen hier jetzt bunt bemalt, aufgereiht, als wollten sie | |
zu einer Parade in See stechen. In ihrem Schatten sitzen Männer, Frauen, | |
Kinder, sie kochen, flicken Netze, trinken Tee. | |
Hann ist der Strand, von dem 2006 fast alle Boote in Richtung Spanien | |
ablegten. Die Fischer hier kannten sich besser in den Gewässern aus als | |
irgendwer sonst, und viele verlegten sich auf das Transportgeschäft. Manche | |
verloren ihre Schiffe, manche endeten im Gefängnis. Die Folgen des lange | |
vergangenen Migrationsbooms sind bis heute jeden Tag spürbar. | |
## Fischer müssen blechen | |
Modiyar ist Sprecher der örtlichen Fischereigewerkschaft. „Die Europäer | |
vermischen die, die arbeiten, und die, die immigrieren wollen“, sagt er. | |
„Sie machen keinen Unterschied zwischen diesen beiden Parteien.“ | |
Auf der Suche nach illegalen Migranten würden die Boote der Fischer jede | |
Nacht kontrolliert. „Mal fragen sie, ob wir Rettungswesten haben oder | |
irgendwelche anderen Vorschriften nicht eingehalten haben“, sagt er. „Sie | |
machen Probleme, die wir nicht hätten, wenn wir nicht da wären.“ Wenn ein | |
Verstoß festgestellt werde, sei ein Bußgeld fällig, sagt Modiyar. „Du wirst | |
nicht geschlagen oder so etwas, aber du musst Geld zahlen.“ | |
Es sei „nicht normal, dass die spanische Polizei uns sagt, wo wir fischen | |
dürfen und wo nicht. Wir können uns im eigenen Land nicht so bewegen, wie | |
wir uns das wünschen.“ Die Regierung habe Verträge geschlossen, „die nicht | |
unsere Interessen vertreten“, sagt der Gewerkschafter. Tatsächlich sind es | |
nur sehr selten die Spanier selbst, denen er persönlich begegnet, sondern | |
meist Beamten der senegalesischen Polizei. Für Modiyar ist da jedoch kein | |
Unterschied: „Die Spanier bezahlen und befehligen sie, damit sie uns | |
aufhalten.“ | |
Weitere Texte zur europäischen Migrationskontrolle unter | |
[2][migration-control.taz.de ] | |
5 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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