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# taz.de -- Theaterkooperation Osnabrück-Maputo: „Ein Kampf gegen sexuelle G…
> Medea2 ist eine Produktion des Theaters Osnabrück und des Teatro Avenida
> aus Mosambik. Dessen Intendantin erklärt den Gewinn der Kooperation.
Bild: Manuela Soeiro ist Intendantin des Teatro Avenida
taz: Ihre Autobiografie heißt übersetzt: „Beruhigt die Seelen“. Beschreibt
das eine Aufgabe des Theaters in Mosambik?
Manuela Soeiro: Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, wer im Verlag den Titel
ausgesucht hat. Aber tatsächlich hat Theater auch diese Aufgabe, ja: Es
gibt sehr viele Probleme, die keiner für sich alleine lösen kann, mich
eingeschlossen. Theater kann aber Lösungen inspirieren.
Also sollte es nicht aufstacheln oder aufregen?
Doch. Es hat viele Funktionen. Es dient auch der Unterhaltung und der
Zerstreuung und der Anteilnahme.
Welche Rolle spielen die Kooperationen und Begegnungen mit europäischen
Theaterleuten für Sie?
Ich habe ja mit Henning Mankell lange zusammen gearbeitet. Dabei habe ich
auch Dominique Schnizer kennengelernt, der jetzt hier am Theater Osnabrück
ist und hier für das Projekt zuständig. Mankell hatte uns damals
zusammengebracht. Ich empfinde diese Zusammenarbeit als sehr sinnvoll,
gerade weil die Theatertraditionen so unterschiedlich sind und man beim
Austausch insbesondere von den Techniken der anderen profitieren kann.
Was zeichnet das mosambikanische Theater aus?
Es gibt in Mosambik eine große und auch ziemlich populäre Theatertradition,
die sich sehr deutlich von der europäischen abhebt. Sie ist stark durch
Tanz geprägt, und sie ist sehr partizipativ. Europa hat dagegen ein
Schauspiel, das viel mehr vom Text her kommt und durch Worte bestimmt wird.
Es ist sehr interessant zu sehen: Wie funktioniert dieses Theater? Das war
für mich bei der Arbeit mit Henning Mankell wichtig, das ist es auch jetzt
mit Dominique: Formen und Techniken kennen zu lernen, um mit Texten auf der
Bühne zu arbeiten.
Für das Osnabrücker Projekt greifen Sie auf den Medea-Stoff zurück, der
seit 2.000 Jahren bearbeitet wird …
… und immer noch genauso aktuell ist: Das war so ähnlich mit Mankell, mit
dem wir Lysistrata bearbeitet haben, eine mosambikanische Version von
Lysistrata: Dieselben Probleme sind auch 2500 Jahre später aktuell. Obwohl
das Stück vor so langer Zeit in Europa entstanden ist , hat es uns im
Mosambik der Gegenwart betroffen.
… das damals noch Bürgerkriegsland war.
Wir haben eine große Kampagne der Frauen damit gemacht. Ich finde diese
Herangehensweise sehr interessant, weil man damit auch feststellen kann,
dass man ähnliche oder die gleichen Ideen hat. Wir denken gleich, aber auf
unterschiedliche Weise. Das wird bei unserem Medea-Projekt hier noch
stärker Thema sein. Denn wir spielen nicht einfach die klassische Tragödie.
Das Projekt kombiniert alte und neue Texte und Texte europäischer und
mosambikanischer Autor*innen.
Sie arbeiten mit Texten von Paulina Chiziane: Tatsächlich wirkt
beispielsweise deren Roman „Liebeslied an den Wind“ wie eine direkte
Adaption des Medea-Mythos …
Ja, das ist wahr. Und das Gleiche gilt auch für einige Sachen von Mia
Couto. Ich glaube, das wird eine ziemlich gute Kombination. Wir haben
Chiziane jetzt auf unserer gemeinsamen Reise in Maputu getroffen, weil sie
für unser Projekt noch eigens neue Texte entwerfen soll.
… und mit Couto haben Sie auch schon oft zusammen gearbeitet?
Die Arbeit des Teatro Avenida hat mit ihm begonnen. Das erste, was wir
gemacht haben, waren kurze Erzählungen von ihm: Ich kenne niemanden, der
die Seele Mosambiks besser ausdrücken kann als ihn. Auch mit Paulina
Chiziane haben wir schon mehrfach zusammengearbeitet – zu Problemen der
Frauen beispielsweise. Unser Theater ist ein Theater der Intervention. Und
diese Schriftsteller*innen sind uns sehr nahe.
Medea ist sehr vielseitig: Sie war die gekränkte Frau bei Corneille oder
Anouilh, bei anderen ist sie der Mythos des Kolonialismus: Was sehen Sie
denn in der Figur der Medea?
Es ist spannend, wie unterschiedlich und zugleich nah die Blicke auf diese
Gestalt sein können: Im Vorfeld dieses Projekts haben wir uns eine
brasilianische Adaption der Medea angeschaut, die komplett anders war, als
unsere sein wird. Medea ist für uns Symbol für die Möglichkeit der Frauen,
sich von allem, was sie einengt, zu befreien. Wir haben zum Beispiel in
Mosambik ein System der Polygamie, das ein System sexueller Ausbeutung ist.
Das ist auch bei Chiziane das Thema …
Ja. Und es ist sehr schwierig zu bekämpfen – mindestens bis zur
Unabhängigkeit war es einfach normal. Danach hat der Kampf gegen sexuelle
Gewalt begonnen, aber er ist hart und sehr schwer zu führen in Mosambik. Es
wird darüber nicht gerne gesprochen. Und es ist nötig, dass gerade die
jungen Frauen verstehen, dass dieser Kampf geführt werden muss. Mit diesem
Stück, mit Medea, können wir da gemeinsam etwas erreichen.
Warum ist sie dafür so geeignet?
Es ist mit ihr möglich, zu zeigen, dass der andere Kontinent, dass Europa,
dasselbe gemacht hat wie wir. Jede Form des Kolonialismus speist sich aus
einem Gefühl der Überlegenheit heraus, genau wie die Unterwerfung.
Es ist aber doch gleichzeitig ein schrecklich pessimistischer Mythos: Oder
ist es möglich, eine positive Vision aus Medea zu ziehen?
Ich glaube: Ja. Der Pessimismus des Mythos, das Schreckliche der Erzählung
gibt uns doch auch die Möglichkeit, das Übel, das er benennt, zu bekämpfen.
Er mobilisiert doch auch. Deswegen zeigen wir im Theater das Schlechte,
über das die Menschen vermeiden würden zu sprechen. Selbst wenn die
Geschichte Medeas pessimistisch ist – da haben Sie ja Recht – ist es
möglich, mit ihr zu erkennen, dass es einen Ausweg gibt, eine Entwicklung.
Dabei ist szenisch die Frage, wie die Körper auf das Konzept und den Mythos
reagieren: Wie lässt sich Medea tanzen?
Das ist tatsächlich kompliziert zu beschreiben: Die Antwort darauf kann aus
meiner Sicht nicht vorgegeben werden. Die Akteure müssen sie im Prozess des
Probens finden. Es muss uns gelingen, dass diese Geschichte, auch wenn sie
2.000 Jahre alt ist, ihre Kreativität weckt – jetzt, hier, für diesen
Moment und für Europäer ebenso wie Afrikaner. Ich glaube, das wird eine
ganz wunderbare Erfahrung.
5 Jan 2018
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Mosambik
Theater Osnabrück
Theater Osnabrück
Schauspieler
Theater
Multikulti
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