# taz.de -- Nach Affäre um sudanesische Geflüchtete: Belgiens Regierung gespa… | |
> Kann man mit Sudans Diktatur kooperieren, um Geflüchtete abzuschieben? | |
> Flämische Rechtsnationalisten wollen Kritik an dem Vorgehen nicht dulden. | |
Bild: Hat er Folter und Todesfälle in Kauf genommen? Der für Asylfälle zust�… | |
Brüssel taz | Nicht sehr populär, aber überraschend stabil: so präsentierte | |
sich in jüngster Zeit die belgische Regierungskoalition aus wallonischen | |
Liberalen und flämischen Christdemokraten und Nationalisten. Doch nun ist | |
ein heftiger Streit über die Flüchtlingspolitik entbrannt. Der flämische | |
Nationalistenführer Bart De Wever droht gar mit dem Sturz der | |
Bundesregierung in Brüssel. | |
Ausgelöst wurde die Krise durch die Abschiebung von sudanesischen | |
Flüchtlingen. Sie waren mithilfe von aus ihrem Heimatland nach Belgien | |
entsandten Beamten in den Sudan zurückgeschickt und dort offenbar gefoltert | |
worden. Seither steht der für die Asylpolitik zuständige Staatssekretär | |
Theo Francken, der De Wevers Partei N-VA angehört, im Kreuzfeuer der | |
Kritik. | |
Francken soll die „Sudanaffäre“ erst verschwiegen und dann verschleiert | |
haben. Die genauen Hintergründe soll nun ein Untersuchungsausschuss | |
aufklären. Die sozialistische Opposition fordert seinen Rücktritt, falls er | |
bei der umstrittenen Abschiebung tatsächlich Folter oder sogar Todesfälle | |
in Kauf genommen haben sollte. | |
Presseberichten zufolge vereinbarte Francken im vergangenen September mit | |
Sudans Regierung, dass Beamte des Innenministeriums – angeblich Angehörige | |
des sudanesischen Geheimdienstes – in Brüssel die belgischen Behörden in | |
der Frage beraten, welche Sudan-Flüchtlinge in Belgien bleiben dürfen und | |
welche nicht. Die Abgelehnten würden dann umgehend mit sudanesischen | |
Papieren ausgestattet und abgeschoben werden. Hintergrund war, dass im | |
Sommer zahlreiche mutmaßliche Sudanesen in Brüsseler Parks kampierten, auf | |
der Suche nach einem Weg in Richtung Großbritannien. | |
Auch in der Regierung verursacht Franckens selbstherrliches und | |
rücksichtsloses Vorgehen Unbehagen. Doch nun fuhr N-VA-Chef De Wever | |
schweres Geschütz auf: „Wenn Theo Francken zurücktreten muss, dann verlässt | |
der N-VA die Regierung“, sagte er. | |
Dieser Paukenschlag blieb nicht ohne Wirkung: „Ich lasse mich nicht | |
erpressen“, gab Regierungschef Charles Michel, ein Wallone, zurück. | |
Provokationen und Beleidigungen werde er nicht auf sich sitzen lassen, so | |
der rechtsliberale Politiker. | |
## In einem Wahljahr sind verbale Ausfälle normal | |
Gleichzeitig ließ Michel aber durchblicken, dass Franckens Entlassung gar | |
nicht geplant sei. Doch das trug nicht zur Beruhigung bei, im Gegenteil. | |
Plötzlich geht es nicht mehr nur um Francken, sondern auch um Michels | |
Autorität. Der Premier sei nur noch eine „Marionette“ in der Hand der | |
flämischen Nationalisten, kritisiert der christdemokratische Abgeordnete | |
Eric Van Rompuy, der selbst aus Flandern kommt. | |
Nun versucht Außenminister Didier Reynders die Wellen zu glätten. In einem | |
Wahljahr – in Belgien stehen 2018 Kommunal- und Provinzwahlen an – seien | |
verbale Ausfälle völlig normal. „Niemand in der Regierung ist unberührbar�… | |
fügte Reynders hinzu. Doch das Klima ist vergiftet. Schließlich ist es | |
nicht das erste Mal, dass De Wever provoziert. Vor einem Jahr hatte der | |
flämische Nationalistenführer dem belgischen Premier Mangel an Visionen | |
vorgeworfen. Im Herbst flirtete er dann kaum verhohlen mit den Separatisten | |
aus Katalonien und ihrem nach Brüssel geflüchteten Expräsidenten Carles | |
Puigdemont. | |
Michel schwieg dazu – was ihm manche als Besonnenheit, andere als Schwäche | |
auslegten. Doch nun kann er wohl nicht länger zusehen, wie die flämischen | |
Nationalisten die Regeln des politischen Anstands dehnen. Dazu gehöre auch, | |
dass ein Minister zurücktritt, wenn er – direkt oder indirekt – für Folter | |
oder Tod verantwortlich ist, kommentierte die belgische Tageszeitung Le | |
Soir. | |
8 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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