# taz.de -- Die Wahrheit: Einmal Dschihadist und zurück | |
> Wie die Saudis radikale Islamisten aus Kampfgebieten heimholen und in | |
> einem Luxus-Resort mitten in der Wüste gründlich kurieren. | |
Bild: Mancher ehemalige Dschihadist klettert aus Freude über das Leben in Saus… | |
Was heißt eigentlich „Arschbackenrunzeln“ auf Arabisch? Abdullah al-Amoudi | |
runzelt nur kurz die Stirn, dann murmelt unser Gastgeber etwas, das für | |
uns, die wir des Arabischen leider nicht kundig sind, klingt wie „Salam | |
alaikum – nimm es nicht so krumm“. Im Deutschen, erklären wir dem Direktor | |
des Fünf-Sterne-Hotels in der saudi-arabischen Wüste Rub al-Chali, gebe es | |
eine Redewendung, die sehr gut passe auf die neue Politik der Saudis: „Das | |
kostet mich nur ein müdes Arschbackenrunzeln.“ Al-Amoudi nickt wie ein | |
Mann, der bereits alles gesehen und gehört hat: „Ja, so ist es.“ | |
Vor Kurzem wurde bekannt, dass die Saudis Dschihadisten zur | |
Entradikalisierung in ein Luxus-Resort schicken. Die von Feldzügen aus | |
allen Himmelsrichtungen in ihre Heimat zurückkehrenden Gotteskrieger werden | |
nicht etwa wie in anderen Staaten verhaftet, sondern in eine mondäne | |
Urlaubsanlage verbracht – mit Schwimmbädern und schattigen Terrassen, | |
Großbildfernsehern und Kingsize-Betten, in denen sie Damen empfangen | |
können. Wellnessferien statt Festungskerker. Radikalkur statt Radikalislam. | |
Eine Strategie, die angeblich erfolgreich sein soll und die wir nur zu gern | |
kennenlernen möchten. Eine Einladung aus dem Presse- und Informationsamt | |
des Königreichs Saudi-Arabien nehmen wir ohne jedes Zögern an. | |
„Betreut werden unsere Gäste von Therapeuten und Geistlichen, Tennislehrern | |
und Masseurinnen“, erklärt Direktor al-Amoudi. „Im Angebot haben wir | |
verschiedene Gesprächsformate, Stuhlkreise und sogar eine Kunsttherapie. | |
Unser Töpferkurs hat gerade erst beim Kulturfestival ‚Riad Arts Open‘ einen | |
Sonderpreis gewonnen“, erzählt er stolz. „Aber man kann natürlich auch | |
einfach nur relaxen.“ Ein wenig erinnert uns al-Amoudi beim Rundgang unter | |
den üppigen Palmen an Mario Adorf als Generaldirektor Haffenloher in „Kir | |
Royal“. | |
## Abpolstern mit Geld | |
Ob das denn die richtige Vorgehensweise sei, fragen wir den bedächtigen | |
Saudi, die Gotteskrieger mit Geld abzupolstern, damit sie von ihrem | |
unseligen Treiben ablassen? Al-Amoudi nickt wieder, und man merkt, dass er | |
die ganze Welt gesehen und Luxusherbergen in Dubai, Sydney und Hongkong | |
geführt hat. Kein Wunsch eines Gastes ist ihm zu bizarr, als dass er ihn | |
nicht schon einmal erfüllt hätte. „Wir könnten unsere Gäste auch | |
vierteilen, aber ihnen das Geld hinten und vorne hineinzuschieben, ist | |
letztlich billiger – mit Blick auf die Zukunft.“ | |
Faisal bin G. ist so ein Fall. Der rundliche Dschihadist mit dem dichten | |
Hordenbart, der in seinem wallenden Gewand wie eine orientalische Ausgabe | |
des gemütlichen Bruders Tuck aus der Robin-Hood-Saga wirkt, ist nach | |
eigenen Angaben durch so manchen Staub der muslimischen Welt gerobbt, hat | |
an der Seite der Taliban und unter der Flagge des sogenannten Islamischen | |
Staates gekämpft. „Aber irgendwann packt jeden das Heimweh“, schmunzelt | |
Faisal, „besonders wenn es zu Hause solch eine gottesfürchtige Einrichtung | |
gibt“, deren Namen und genaue Lage wir aus Sicherheitsgründen nicht nennen | |
dürfen. Sonst würden die Exkollegen aus dem benachbarten Jemen wieder einen | |
Raketengruß herüberschicken, wie zuletzt leider geschehen. | |
„Sie wissen einfach nicht, wie gut es uns allen gehen kann“, lobt Faisal | |
das neue Konzept der wahhabitischen Herrscher und wendet sich dann wieder | |
seinen beiden Begleiterinnen zu. „Nachtassistentinnen“ nennt Direktor | |
al-Amoudi die zwei bildhübschen Ukrainerinnen. | |
## Goldene Armaturen | |
„Ihre Unterkunft“, zeigt uns der Hoteldirektor nun eine ganz und gar nicht | |
bescheidene Suite. Im Bad könnte eine achtköpfige Flüchtlingsfamilie | |
unterkommen und vom Erlös der goldenen Armaturen jahrelang gut leben. Aber | |
der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman, der neue starke Mann im Staate | |
Saudi-Arabien, hat andere Pläne. Hier muss niemand güldenes Altmetall | |
verkaufen, hier bekommt er es geschenkt, wenn er möchte. Kein Wunder, dass | |
die Erfolgsquote bei 86 Prozent liegt, wie Direktor al-Amoudi als glühender | |
Verehrer des wackeren Kronprinzen betont. | |
Doch wie will man einen Rückfall der Gotteskrieger in die gewohnte | |
Kampfbereitschaft verhindern?, fragen wir. Könnte nicht so mancher | |
altgediente Recke den Aufenthalt im Fünf-Sterne-Haus als Erholungsurlaub | |
verstehen und nach den Wellness-Tagen zurückreiten in die heilige Schlacht? | |
Oder kann das nicht für noch Unentschlossene sogar ein Anreiz sein, | |
Dschihadist zu werden? Zum ersten Mal heute schüttelt Direktor al-Amoudi | |
den Kopf, und dann setzt er an zu einem großen Monolog, der alles auf den | |
Punkt bringt: „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld, dass du keine | |
ruhige Minute mehr hast. Ich schick dir jeden Tag Cash im Koffer. Das | |
schickst du zurück. Einmal, zweimal, vielleicht sogar ein drittes Mal. Aber | |
ich schick dir jedes Mal mehr. Und irgendwann kommt dann mal der Punkt, da | |
bist so mürbe und so fertig und die Versuchung ist so groß, da nimmst du | |
es. Und dann hab ich dich, dann gehörst du mir. Dann bist du mein Knecht. | |
Ich mach mit dir, was ich will. Verstehst du, Junge? Ich bin dir einfach | |
über. Gegen meine Kohle hast du doch gar keine Chance.“ | |
Ja, wir verstehen nur zu gut! Gelernt ist gelernt! Unter diesen Bedingungen | |
werden wir selbstverständlich auch Dschihadist, strecken dem guten Abdullah | |
al-Amoudi die offene Hand hin, in die er zwar nicht einschlägt, aber in die | |
er einen prall gefüllten Umschlag hineingleiten lässt. Zufrieden nehmen wir | |
einen tiefen Schluck vom beliebten Begrüßungscocktail aus Champagner und | |
Cassis. Was kostet die Welt? Die sauberen Saudis jedenfalls nicht mal ein | |
müdes Salam alaikum. | |
5 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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