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# taz.de -- Die Wahrheit: Frieden einfach überall
> Wie im Maya-Kalender schon angekündigt: Die Neue Weltordnung ist endlich
> da und bringt auch gleich den Weltfrieden mit.
Bild: Erdogan am Tempelberg (Archivbild 2005)
„Die Welt ist aus den Fugen“ – dieses Zitat wird derzeit häufig als
Metapher für den desolaten Zustand der Menschheit gebraucht. Dabei weisen
Historiker, Sprachforscher, Literaturwissenschaftler und Fliesenleger
regelmäßig darauf hin, dass auch damit etwas nicht stimmt.
Doch dieser Streit könnte nun beigelegt werden. Denn die Verwerfungen, die
den Planeten bis zuletzt so plagten, nehmen ein völlig überraschendes Ende.
Ersten Anlass zur Freude gaben die Meldungen, nach denen sich Nord- und
Südkorea wieder verständigen wollen. Anstatt einen Atomkrieg zu beginnen,
wollen die beiden verfeindeten Staaten eine stillgelegte Telefonleitung
wieder in Betrieb nehmen und auf diesem Weg über den weiteren
Friedensprozess sprechen. Nordkorea bot an, Sportler, Journalisten und Fans
zu den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang zu
entsenden, was wiederum Südkorea dazu brachte, vorzuschlagen, dass ihre
Mannschaften bei der Eröffnungs- und Schlussfeier ja auch gemeinsam
einlaufen könnten.
Donald Trump ließ daraufhin überraschend vernehmen, er habe kein Problem
damit, mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un auch persönlich
darüber zu sprechen, dass sein Atomknopf wirklich viel größer sei. Für
solche Gespräche stünde nicht nur seine Tür weit offen, so Trump gewohnt
feierlich.
## Der Skorpions-Effekt
Dieser überraschende Wandel, der von Wissenschaftlern seit den
Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts nach den Hannoveraner
Rockfriedensstiftern der „Skorpions-Effekt“ genannt wird, scheint sich auch
auf andere Konfliktregionen auszuwirken. „Wir sind ganz beseelt von diesem
Geist des Friedens“, sagte Syriens Machthaber Bashar al-Assad in Damaskus
und pfiff die bekannte Melodie von „Wind of Change“.
„Wir werden umgehend versuchen, alle, die noch am Leben oder nicht geflohen
sind, an einen Tisch zu bekommen und über ein sofortiges Ende aller
Kampfhandlungen zu sprechen. Natürlich habe auch ich großen Mist gebaut und
werde mich, sobald demokratische Wahlen abgehalten wurden, einem
rechtsstaatlichen Verfahren stellen.“
Dass es auch in anderen Ländern aufwärts geht, zeigen Nachrichtenticker aus
aller Welt und die Auftragseinbrüche bei deutschen Rüstungsfirmen, die es
nicht schafften, ihre Produktion rechtzeitig auf Discokugeln, Rollerskates
und Eisautomaten umzustellen.
Von überall werden Friedensschlüsse gemeldet: Neben Afghanistan auch aus
dem Irak, Nigeria, Somalia, Südsudan, Jemen, Libyen, Ukraine, Pakistan, der
Türkei auch aus Mexiko, wo beschlossen wurde, die Drogen einfach mal
gemeinsam auszuprobieren, statt sich dafür umzubringen.
Auf einer UN-Konferenz wurde beschlossen, jegliche Religionsausübung sowie
Drogen-, Waffen- und sonstigen Handel nur noch zum Eigenbedarf und in dafür
geeigneten Mengen zuzulassen. Die Teilnehmer waren sich einig, dass damit
dem Krieg eine seiner wichtigsten Grundlagen entzogen worden sei. Sämtliche
Kriegsparteien äußerten den Wunsch, nach koreanischem Vorbild bei der
Eröffnung der Winterspiele in Pyeongchang gemeinsam einzulaufen. Und zwar
gemeinsam mit der gemeinsamen Auswahl von Nord- und Südkorea.
Doch auch hierzulande hören sich die Nachrichten gleich ganz anders an. In
Ostdeutschland hat sich dank enormer Bildungsprogramme und dem
Familiennachzug für Flüchtlinge eine bunte und lebendige Zivilgesellschaft
gebildet, die gegen Rechtsextremismus ebenso immun ist wie gegen
Islamismus. Verloren geglaubte Gemeinden blühen wieder auf, während weiter
abgelegene Regionen von Nordvorpommern bis Sachsen-Anhalt-West feierlich an
die Natur zurückgegeben wurden.
## ARD, nein, AfD gibt Auflösung bekannt
Die AfD gab ihre Auflösung bekannt. Dieser ganze Pegida- und
Patriotismusquatsch sei ein Riesenfehler gewesen. Selbst ehemalige
Verschwörungstheoretiker, die bis dahin nur im Internet gelebt hatten,
gelobten, von nun an aktiv an der neuen Weltordnung mitwirken zu wollen.
„Die Neue Weltordnung (NWO) nützt uns allen, und deshalb helfen wir jetzt
ehrenamtlich als Parkranger im Naturreservat Sachsen-Anhalt“, heißt es im
Auflösungsbeschluss der Reichsbürger.
Selbst vor dem Humor macht der neue Wind nicht halt. Die Satire macht sich
künftig nur noch über das Fernsehprogramm und Schlagermusik lustig und ist
ab sofort erfolgreich wie noch nie. Über die Bahn schimpft auch niemand
mehr, denn in den beheizten Wartebereichen mit Sesseln, Kaffee,
Brettspielen, Zeitkino und Darkroom ist es fast schon traurig, wenn der Zug
schon wieder pünktlich kommt.
Die Stadt Berlin, die erste Stadt Deutschlands, die die Fahrpreise für den
öffentlichen Nahverkehr auf null stellte, nimmt im Gegenzug ein für alle
Mal von sämtlichen Flughafenplänen Abstand und bietet stattdessen Safaris
ins renaturierte Umland an. Die Autoindustrie nimmt sämtliche
Dieselfahrzeuge vom Markt und zahlt ihren Kunden das Geld zurück. Das
übrige Kapital geht in die Erforschung intelligenter Verkehrskonzepte der
Zukunft, Radwege und Schwimmbäder.
## Mutter aller Konflikte ebenfalls gelöst
Und wie ergeht es der Mutter aller Konflikte? Dem Streit zwischen Juden und
Arabern, wer ursprünglich die überall im Orient beliebte Spezialität Hummus
erfunden hat? Das Probleme wurde endgültig gelöst – in der Mittagspause
zwischen zwei Gängen, als die Jerusalemfrage ein für alle Mal beim
Lammbraten geklärt wurde.
Ein Fliesenleger, der gern genannt werden will, ruft begeistert: „Die Welt
aus den Fugen? Von wegen! Wir fangen gerade erst an!“
15 Jan 2018
## AUTOREN
Gregor Mothes
## TAGS
Weltuntergang
Maya-Kalender
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Robert Habeck
Saudi-Arabien
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