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# taz.de -- Sozialwohnungen in Berlin: Sozialmieter zur Kasse gebeten
> Mieter in Neukölln sollen ein Drittel mehr zahlen. Sie hoffen wohl
> vergeblich, dass der Senat ihnen mit einer Rechtsverordnung hilft.
Bild: Die Mieter am Maybachufer wehren sich
Berlin taz | Für 99 Mietparteien der Neuköllner Sozialwohnungen in den
Häusern Maybachufer 40–42 und Manitiusstraße 17–19 ist es die letzte
Chance. Auf der Senatssitzung an diesem Dienstag könnte eine
Rechtsverordnung beschlossen werden, die eine gegen sie ausgesprochene
Mieterhöhung nachträglich für rechtswidrig erklärt.
Tatsächlich hat es der Preisaufschlag in sich. Alle Mieter der Häuser
sollen 32 Prozent mehr bezahlen, 9,82 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht
einer Mieterhöhung von bis zu 330 Euro pro Monat. Normalerweise dürfen
Vermieter ohne Modernisierung nicht mehr als 15 Prozent innerhalb von drei
Jahren aufschlagen und dabei den gültigen Mietspiegelwert nicht
überschreiten. Der liegt für die 1980 errichteten Sozialbauten bei 7,59
Euro.
Doch für die Häuser des sozialen Wohnungsbaus gelten andere Regeln.
Vermieter können hier die sogenannte Kostenmiete ansetzen. Für deren
Errechnung werden die Finanzierungskosten der Häuser sowie Zinszahlungen
herangezogen. Zum Problem wird dabei, dass es im komplizierten alten
Sozialwohnungsbau besonders profitabel war, teuer zu bauen. Nur durch
staatliche Subventionen bleiben die Mieten bezahlbar.
Dem Vermieter Maybachufer GmbH & Co. KG hat die Investitionsbank Berlin
Aufwendungsdarlehen in Höhe von 2,8 Millionen Euro erlassen. Sie ging davon
aus, dass die Sozialbindungen der Wohnungen noch bis Ende 2029 gelten.
Dagegen klagte der Vermieter erfolgreich, so dass die Wohnungen ab 2018
keine Bindung mehr haben. Die einst eingegangene Verpflichtung auf die
Kostenmiete zu verzichten, kündigte er nun auf. Ein Rechtsstreit mit der
IBB liegt vor dem Verwaltungsgericht. Mit einer Entscheidung ist im
kommenden Jahr zu rechnen.
## Offener Brief und eigenes Gesetz
Die Mieter sprechen von einer „knallharten Entmietungsstrategie“. In einem
offenen Brief haben sie sich an Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher
(Linke) gewandt. Darin schreiben sie: „Weder nach dem Mietspiegel noch nach
den bisherigen Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und der
Investitionsbank Berlin ist dies rechtmäßig.“
Sie fordern „dem unerträglichen und maßlosen Missbrauch des sozialen
Wohnungsbaus durch Spekulanten ein Ende zu machen“. Eine neue
Rechtsverordnung, wie Kostenmieten zu berechnen sind, könnte nach Paragraf
28 des Wohnungsbindungsgesetzes jederzeit erlassen werden.
Für die Neuköllner Mieter müsste die Verordnung noch dieses Jahr in Kraft
treten, weil sie danach nicht mehr unter die Regelungen des sozialen
Wohnungsbaus fallen. Aus dem Hause Lompscher hieß es zunächst, dies sei zu
kurzfristig. Stattdessen wurden den Mietern, die Hilfe vom Amt bekommen,
die Übernahme der überteuerten Mieten zugesagt. Doch damit wollen sich die
Betroffenen nicht zufrieden geben. Hilfe haben sie vom Bielefelder
Jura-Professor Martin Schwab erhalten. Er hat für sie die gewünschte
Rechtsverordnung ausformuliert. Diese wurde am Freitag übergeben.
Auf taz-Anfrage hieß es aus der Senatsverwaltung: „Wir nehmen den Vorschlag
sehr ernst, die Prüfung läuft derzeit aber noch.“ Verwiesen wird zudem auf
die Zuständigkeit des Senats. Zudem zeige der Fall die „Notwendigkeit und
Dringlichkeit einer rechtssicheren Lösung der Probleme des alten sozialen
Wohnungsbaus“. Am Gesetz über den sozialen Wohnungsbau arbeitet der Senat
seit Langem. Kernstück soll die sogenannte Soziale Richtsatzmiete sein. Sie
sieht vor, die Höhe der Sozialmieten an das Einkommen der jeweiligen Mieter
anzupassen. Eine Expertenkommission soll bis zum Frühjahr Detailfragen
klären.
Auf Anfrage sagte ein Senatssprecher, dass eine Behandlung der
Rechtsverordnung am Dienstag nicht auf der Tagesordnung stehe.
18 Dec 2017
## AUTOREN
Erik Peter
Uwe Rada
## TAGS
Sozialwohnungen
Neukölln
Katrin Lompscher
Katrin Lompscher
Katrin Lompscher
Mietenpolitik
Berlin-Kreuzberg
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