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# taz.de -- Projekt-Name des NDR ähnelt Nazi-Formel: Faulig ins Programm geweht
> Der NDR wollte seinem Charity-Format mit „Hand in Hand für
> Norddeutschland“ einen eingängigen Namen geben und griff in die
> Nazi-Kiste.
Bild: Hand in Hand für Norddeutschland: Dieser Spenden-Slogan ähnelt Nazi-Pro…
Bremen taz | Es geht hier nicht um Schuld oder böse Absichten des NDR. Es
geht um eine aus dem Unbewussten faulig ins Programm gewehte Formel: Das
Unbewusste ist das Unbeherrschte. Dafür kann man nichts. Und laut dem
Linguisten Viktor Klemperer glitt der Nazismus „in Fleisch und Blut der
Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er
ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und
unbewusst übernommen wurden“.
Fibeln, also Leselernbücher, sind dafür prädestiniert. Die für
Norddeutschland wichtigste war selbstredend im niedersächsischen
Braunschweig produziert worden, beim schon früh für den Faschismus tätigen
Westermann-Verlag. „Hand in Hand fürs Vaterland“ hieß sie.
[1][„Hand in Hand für Norddeutschland“] nennt der NDR sein gemeinsam mit
den Diakonien aufgelegtes Charity-Format, und die unfreiwillige Reprise
könnte nicht enger am Vorbild sein, ohne es zu kopieren: Vaterland und
Norddeutschland sind rhythmisch identische und im traditionellen
Sendegebiet des NDR semantisch eng verwandte Wörter.
„Das Format gibt es jetzt seit sieben Jahren“, informiert eine Sprecherin
des Senders. Für den Titel „Hand in Hand für Norddeutschland“ habe sich
„eine Redaktionsgruppe unter dem Vorsitz von Elke Haferburg, Direktorin des
NDR-Landesfunkhauses Mecklenburg-Vorpommern, entschieden“, informiert die
Pressestelle des NDR. Ziel sei es gewesen, einen verständlichen,
eingängigen und emotionalen Namen zu finden, unter dem „einmal im Jahr eine
gemeinsame Benefizaktion von allen NDR-Landesfunkhäusern, den
NDR-Radioprogrammen und dem NDR-Fernsehen sowie NDR.de realisiert“ werde.
Von der „Hand in Hand“-Fibel gab es auch für jeden Regierungsbezirk eine
Fassung, eine mecklenburgische, eine holsteinische, eine für Hildesheim und
die Nachbargebiete und selbstredend auch eine braunschweigische Ausgabe.
Denn in Braunschweig wäre Adolf Hitler 1932 beinahe zum Professor ernannt
worden, am „Forschungsinstitut für Erziehungswissenschaften“: Volksbildung
war den Nazis eine wichtige Angelegenheit.
Und in Braunschweig hatten die Nazis 1935 die Lehrerbildung aus der
Technischen Uni ausgegliedert und in die Bernhard-Rust-Hochschule
überführt, benannt nach dem Reichsminister für Volksbildung und
Wissenschaft, der zuvor Gauleiter von Südhannover gewesen war,
Südhannover-Braunschweig, um genau zu sein. Die Bernhard-Rust-Hochschule
hatte die zukünftigen Lehrer darauf vorzubereiten, Propagandisten der neuen
Weltanschauung zu werden und im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie
auf die Jugend Einfluss zu nehmen. Eine pädagogische Modellhochschule also.
## Schule als Teil des ideologischen Staatsapparates
Eingängig ist die Formel, das stimmt: Die Formel „Hand in Hand“ fanden die
Nazis so gut, dass sie auch als Feldpostkartenmotiv Verwendung fand. Gerade
jedoch, weil ihre Eingängigkeit sie kritischer Reflexion entgleiten lässt,
ist einer Formel mit Misstrauen zu begegnen. Denn die Schule ist Teil des
ideologischen Staatsapparates und das, was in ihr vermittelt wird, soll ja
– zumal in diktatorischen Systemen – gerade nicht hinterfragt, sondern
wiederholt und verinnerlicht werden. In diesem Zusammenhang hat der
Didaktik-Historiker Franz Pöggeler schon 1982 herausgearbeitet, dass „die
Geschichte der Fibel in Deutschland von 1933 bis 1945 ein Lehrbuchbeispiel
für die Politisierung des Schulbuchs“ ist.
Das Hand-in-Hand-Marschieren des Titels und seine Funktionalisierung für
ein Land sind eben nicht nur Floskeln einer heimatverbundenen
Gemeinnützigkeit. In dem eingängigen Reim schwingt die Ideologie von
Opferbereitschaft und Volksgemeinschaft mit. Denn laut Beinahe-Professor
Hitler bemesse sich wahre Größe „im Ausmaße der Bereitwilligkeit, alle
Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen“. Die sich wiederum
als Gemeinschaft gegen das Andere stellt, durch das sie sich definiert.
Thomas Spitzer, – Texter der Neue-Deutsche-Welle-Band Erste Allgemeine
Verunsicherung – wenigstens war der deutschtümelnde Charakter des „Hand in
Hand“-Slogans klar, als er ihn 1981 ironisch im die damalige
Neonazi-Gewalt-Welle problematisierenden Song „Eierkopf Rudi“ zitierte:
„Tanz, tanz – Rudi tanz, tanz“, heißt es in diesem, und weiter: „Rudi …
den Adi/ hoch die Hand, hoch die Hand/ Hand in Hand fürs Vaterland.“
Fern sind NDR und Diakonie selbstredend derartige ideologischer
Zielsetzungen. Das Spendensammel-Format vermeidet auch weitgehend,
ausgrenzend zu wirken – auch wenn die am Ende von den warmherzigen
Zuschauer*innen Begünstigten „grundsätzlich in allen vier Bundesländern des
NDR-Sendegebiets regional etabliert, aktiv und verankert sein“ müssen und
„vielschichtige Projektarbeit für die Betroffenen in Norddeutschland
leisten“ sollen.
5 Dec 2017
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/hand_in_hand_fuer_norddeutschland/index.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
NS-Ideologie
Nazi-Propaganda
Spendenaktion
NDR
Real
Verschwörungsmythen und Corona
Antisemitismus
CDU/CSU
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