# taz.de -- Kommentar Abtreibungswerbung: Das ewige Tabu | |
> Die Ärztin Kristina Hänel muss 6.000 Euro zahlen, weil sie Abtreibungen | |
> als Leistung auf ihrer Homepage anbietet. Das Urteil ist leider keine | |
> Überraschung. | |
Bild: Weg mit den Paragrafen: Demo vor dem Amtsgericht in Gießen | |
Dass das Gießener Amtsgericht die Ärztin Kristina Hänel zu einer | |
[1][Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt hat], weil diese auf ihrer | |
Homepage veröffentlicht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet, ist | |
weder eine Überraschung noch ein Skandal. Das Gericht folgte in seiner | |
Entscheidung lediglich dem Gesetz, das es möglich macht, Informationen über | |
Abtreibungen als Werbung auszulegen. | |
Es ist zu hoffen, dass die öffentliche Aufregung über diesen Fall – es ist | |
nicht der erste- , dazu führt, dass endlich über den Paragrafen 219a | |
diskutiert wird und vielleicht ein Gesetzgebungsverfahren in Gang kommt. | |
Die Linke hat dazu bereits einen Entwurf vorgelegt. Die anderen Parteien, | |
die sonst so gerne Frauenrechte hochhalten, sollten jetzt nachziehen. | |
Denn wer eine Schwangerschaft abbrechen möchte, muss sich unabhängig | |
darüber informieren können, wo dies geschieht und auch welche Methoden und | |
Narkosemöglichkeiten eine Praxis oder eine Klinik anbietet. Bisher sind | |
Frauen darauf angewiesen, dass ihre Gynäkologin oder eine Beratungsstelle | |
ihnen sagt, an wen sie sich wenden können. | |
Es wäre besser, wenn Frauen, die sich bereits sicher sind, dass sie das | |
Kind nicht bekommen wollen, sich diesen Umweg sparen könnten. Denn in der | |
Regel wissen sie nicht, welche Haltung der Gynäkologe oder die Gynäkologin | |
zum Thema hat. Es gibt auch heute noch Frauenärzt*innen, die ungebeten den | |
Herzschlag des Fötus auf dem Ultraschallmonitor zeigen und die Frau | |
auffordern, das Kind auszutragen. | |
Ob die Praxen und Kliniken allerdings tatsächlich die Informationen ins | |
Netz stellen, wenn dies nicht mehr verboten ist, ist nicht gesagt. | |
Schließlich riskieren sie damit, in den Fokus von Abtreibungsgegner*innen | |
zu geraten. Gerade Kliniken – in manchen Bundesländern finden dort die | |
Hälfte aller Abbrüche statt – werden sich das drei Mal überlegen, denn sie | |
werben lieber mit ihren besonders liebevoll gestalteten Kreißsälen als mit | |
Abtreibungen. | |
Denn diese sind in Deutschland nach wie vor extrem tabuisiert – was auch am | |
rigiden Abtreibungsgesetz liegt. Daher birgt die große Empörung darüber, | |
dass das allwissende Internet seriöse Informationen über | |
Schwangerschaftsabbrüche nicht hergibt, eine große Gefahr: Dass das | |
eigentliche Problem vergessen wird. Und das ist nach wie vor der Paragraph | |
218, der Abtreibungen als Tötungsdelikt unter Strafe stellt und damit | |
Fundamentalist*innen in ihrem Feldzug gegen Abtreibungsärzt*innen | |
legitimiert. | |
Einer ihrer Erfolge ist, dass immer weniger Ärzte und Ärztinnen bereit | |
sind, diese medizinische Dienstleistung anzubieten und Frauen deswegen in | |
manchen Regionen [2][100 Kilometer und mehr für einen Abbruch fahren | |
müssen]. Dieses Thema wäre doch auch mal eine Aufregung wert. | |
24 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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