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# taz.de -- Olympische Spiele den Sportlern: Eine Hymne für alle
> Wer bei Olympia startet, soll den Ruhm mehren und wird zum Beschiss
> verführt. Wie schön wäre es, den Nationenwettbewerb zu beenden.
Bild: Kann das so bleiben? Muss das jetzt weg? Models präsentieren Ende Novemb…
Berlin taz | Die Russen haben beschissen. In staatlichem Auftrag wurde ein
Dopingsystem installiert, das ohne Beispiel ist in der modernen Sportwelt.
Es ist aufgeflogen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat eine
Strafe ausgesprochen. Russland gehört fürs Erste nicht mehr zur olympischen
Familie, Witali Mutko, der ehemalige Sportminister, der auch wegen seiner
fragwürdigen Verdienste für den russischen Sport zum stellvertretenden
Ministerpräsidenten befördert wurde, darf sich nie wieder bei Olympischen
Spielen blicken lassen.
Nur russische Athleten, die nachweisen können, sich gemäß der
Antidopingbestimmungen verhalten zu haben, dürfen im Februar bei den
Winterspielen in Pyeongchang an den Start gehen – unter neutraler Flagge
wohlgemerkt.
Es ist ein hartes Urteil. Eines, das in der Sportwelt, die für gewöhnlich
nicht allzu kritisch mit sich selbst umgeht, seinesgleichen sucht. Und doch
wird es scharf kritisiert. Allzu glimpflich seien die Russen davongekommen,
heißt es dann. Es kursieren die wildesten Bestrafungsfantasien.
Der Wunsch nach dem Endsieg über Putins verbrecherische Sportarmee durch
eine Entscheidung am grünen Tisch wird relativ unverhohlen geäußert.
Argumentiert wird dann gern mit der Integrität des Sports, mit dem sauberen
Sport, den es zu schützen gelte. Das sei eben nur ohne Russen zu erreichen.
Sauberer Sport? Integrität? Fairness? Moment mal. Selbst die größten
Sportnarren, solche, die den Wecker stellen würden, um nur ja nicht zu
verpassen, wie sich Felix Loch auf seinem Rennschlitten im Eiskanal von
Pyeongchang schlägt, glauben schon lange nicht mehr an die Ideale, die rund
um das Urteil des IOC über Russland beschworen werden.
## Nur eine Illusion von Fairness
Ja, es gibt diesen Antidopingkampf, zu dem sich die Sportwelt
zusammengeschlossen hat, als 1999 die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada)
gegründet worden ist. Und ja, seitdem sind etliche Sportler der Einnahme
verbotener Mittel überführt worden.
Und doch ist klar: Die Wada konnte nie mehr herstellen als eine Illusion
von Fairness. Motto: Schaut her, wir tun doch etwas! Den Sport von jeder
Art von Doping zu säubern hat die Agentur nie vermocht. Im Gründungsjahr
der Wada hat Lance Armstrong sich zum ersten seiner sieben
Tour-de-France-Siege gedopt. Jahrelang ist er munter an den Dopingjägern
vorbeigeradelt. Noch Fragen?
Sportfunktionäre aller Länder, die schon immer lieber über Medaillen
gejubelt haben, als dafür zu sorgen, dass ihre Athleten nur ja keine
verbotene Pille einschmeißen, waren noch nie glaubhafte Kämpfer für die
Fairness im Sport. Wenn ein Athlet überführt wird, dann zeigen sie mit dem
Finger auf ihn. Solange er nicht überführt wird, ist ihnen scheißegal, was
er spritzt oder via Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt. Ein Trainer ist
erst dann so richtig anerkannt, wenn sein Stützpunkt als Medaillenschmiede
gefeiert wird.
Es gibt gewiss auch die sogenannten sauberen Athleten, die sich in diesem
System ohne Hilfsmittel zu behaupten versuchen, diejenigen, die sich zu
Recht verarscht fühlen, wenn ihnen bis unter die Haarspitzen gedopte
Konkurrenten davonlaufen. Einen Generalverdacht zu formulieren ist nur
allzu billig. Was es indes gibt, ist eine Generalversuchung. Wer bei
Olympia startet, soll gefälligst den Ruhm der Nation mehren. Millionen
investiert auch die Bundesrepublik in die Spitzensportförderung, bei
Bundespolizei und Bundeswehr sind Sportler in Lohn und Sold, deren einzige
Aufgabe es ist, im Sinne eines nationalen Marketings Erfolge für
Deutschland einzuheimsen.
Wer zu langsam ist, nicht weit genug wirft, nach einer Verletzung den
Abschluss nicht halten kann, fliegt aus dem Fördersystem. Die Athletin, die
bei einer Leichtathletik-WM bei einem Zwischenlauf ausscheidet, gilt als
Versagerin. Sie wird systematisch in Versuchung geführt.
## Nicht nur ein russisches Problem
Das wird so bleiben – auch nach der Entscheidung des IOC im Fall Russland.
Und das wäre erst recht so geblieben, wenn die Olympier beschlossen hätten,
den Totalbann über das Land zu verhängen. Man hätte die Russen in die
Unterwelt des Sports verbannt und damit alle anderen in den Sporthimmel der
Gerechten erhoben. Man hätte das Thema Doping zu einem russischen Problem
gemacht, abgeheftet und mit einem Stempel „Erledigt“ versehen.
In Pyeongchang wird nun etwas anderes geschehen. Bei jedem Wettkampf, an
dem russische Athleten auftreten, wird das Fehlen der russischen Fahne
auffallen. Wenn bei einer Siegerehrung die olympische Hymne statt der
russischen erklingt, dann werden Berichterstatter und Zuschauer daran
erinnert, dass da etwas gewaltig schiefgelaufen ist im Weltsport. Es ist
vielleicht das Erstaunlichste an der Entscheidung des IOC. Dass der Sport
ein Dopingproblem hat, wird nicht mehr geleugnet. Das Thema Doping wird bei
den Winterspielen allgegenwärtig sein, gerade weil russische Sportler daran
teilnehmen dürfen.
Auch deshalb ist die Entscheidung des IOC im Fall Russland bemerkenswert.
Zu mehr ist dieser sonst so unbewegliche Tanker des Weltsports, in dem
Oligarchen, Scheichs und sinistre Strippenzieher ein- und ausgehen, nicht
imstande. Das peinliche Gerede vom olympischen Frieden und den Werten der
olympischen Bewegung werden die Sportfans weiter ertragen müssen, obwohl
sie genau wissen, dass vielen Funktionären ihr Posten wichtiger ist als der
Sport. Und auch wenn sich das IOC selbst verordnet hat, die Spiele nicht
weiter wuchern zu lassen, werden die Städte, die den Zuschlag für die
Ausrichtung von Olympia erhalten haben, weiter geknebelt und im Zweifel in
die Insolvenz getrieben. Gründe für ein grundsätzliches Umdenken im
olympischen Sport gibt es viele.
## Weg mit den Sportnationen!
Der Fall Russland zeigt da etwa, dass es hohe Zeit ist, den
Nationenwettkampf um Medaillen zu beenden. Wie schön wäre es doch, würde
bei jeder Siegeszeremonie die olympische Hymne erklingen! Weg mit den
Sportnationen! Warum soll ein Tischtennisdoppel nicht aus einem Chinesen
und einem Deutschen bestehen? Warum kann ein Eiskunstlaufpaar nicht aus
einer Ukrainerin und einem Franzosen gebildet werden?
Der Sport braucht Athleten und keine Kämpfer für den Ruhm ihrer Heimat. Die
Geschichten ihrer Herkunft, ihres ersten Vereins, ihrer ersten Erfolge
irgendwo und ihrer ersten großen Auftritte, man kann sie auch erzählen,
ohne die jeweilige Landesflagge dabei immer mitzudenken. Und unsägliche
Diskussionen darüber, ob sich ein Olympiasieger auch angemessen verhalten
hat, während seine Nationalhymne gespielt wird, so wie es nach Christoph
Hartings Diskusgold in Rio geschehen ist, blieben der Sportwelt dann auch
erspart.
Es gibt also gute Gründe, sich auf die Auftritte von Sportlern und
neutraler Flagge zu freuen. Vielleicht führen sie ja zu einem Weiterdenken
im Sport. Das wäre ebenso schön, wie es unwahrscheinlich ist. Schade
eigentlich.
6 Dec 2017
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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