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# taz.de -- Feinstaub-Forschung in Leipzig: Pekinger Atmosphäre
> Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung kann bald simulieren, wie
> sich Feinstaub in der Luft verhält. Diese hat sich in Leipzig jüngst
> verbessert.
Bild: Die Luft über Leipzig: So manches gesundheitsgefährdendes Partikel sink…
LEIPZIG taz | Im Leipziger Osten entsteht in Gebäude 23.6 bald eine neue
Atmosphäre. Von außen wirkt dieses Gebäude wie eine Sammlung von Containern
mit großen Fenstern, die aufeinandergestapelt wurden. Im Innern führen
dunkelblaue Flure in Labore mit blubbernden Reagenzgläsern und
Laserstrahlen. Das Herzstück von 23.6 befindet sich in der Mitte: eine
deutschlandweit einzigartige Doppelkammer, in der eine Atmosphäre erzeugt
werden kann.
„Eigentlich funktioniert die Kammer wie ein großes Solarium“, sagt Hartmut
Herrmann. Er hat das neue Gebäude konzipiert, seit Anfang November gehört
es zum Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (Tropos). Seit knapp
zwanzig Jahren ist Herrmann Professor für Atmosphärenchemie an der
Universität Leipzig, daneben leitet er die Chemieabteilung am Tropos.
Herrmann ist ein vielgefragter Mann, im Bereich der Atmosphärenchemie ist
er weltweit eine Instanz. Von Laienfragen lässt er sich dennoch nicht aus
der Ruhe bringen: Ausdauernd und gelassen versucht er dem Autor die
chemischen Zusammenhänge anschaulich zu erklären. Das ist auch bitter
nötig, denn wie, bitte schön, erzeugt man eine künstliche Atmosphäre?
In der Doppelkammer stehen dazu auf einem Podest zwei große
Aluminiumwürfel, in deren Mitte jeweils ein 19 Kubikmeter großer Teflonsack
hängt, der lichtdurchlässig ist. „Den füllen wir dann mit verschiedenen
Gasen, schalten die Solariumstrahler ein und schauen, wie sie miteinander
reagieren“, sagt Herrmann. Wenn die Doppelkammer im Frühjahr einsatzbereit
ist, könne man etwa die Atmosphäre in Peking simulieren und so
nachvollziehen, welche chemischen Prozesse dort ablaufen. Und das sind eine
ganze Menge.
Lange Zeit glaubte man, dass die Atmosphäre wie eine Art Müllhalde
funktioniert: Stoffe, die in die Atmosphäre gelangen, bleiben auch dort.
Neuere Forschungen ergaben hingegen, dass einzelne Stoffe wieder absinken
und an Feinstaubpartikel andocken können. Das macht sie mitunter sogar
gesundheitsschädlicher als vorher. Bei der Verbrennung von Holz und
Briketts im Ofen entstehen etwa sogenannte polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe, die in der Atmosphäre dann zu krebserregenden Stoffen
umgewandelt werden können. Vor allem diese Stoffe werden in der
Doppelkammer untersucht.
## Je kleiner die Partikel, desto gefährlicher
Neben chemischen Prozessen analysieren die Forscher in den Laboren von 23.6
künftig auch Feinstaubproben. Feinstaub ist unsichtbar, die Partikel
besitzen einen Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern. Dabei handelt es
sich um Reifen- und Bremsenabrieb, Rußpartikel, Pollen oder
Baustellenstaub. Je kleiner der Partikel, umso gesundheitsschädlicher kann
er sein. Während größere Teile im Nasen- und Rachenbereich hängen bleiben,
landen die kleineren Partikel in den feinen Verästelungen der Lunge oder
gelangen sogar bis ins Blut. Asthma, Schlaganfälle und Lungenkrebs werden
so laut neueren Forschungen begünstigt.
Um diese Feinstaubpartikel zu untersuchen hat das Institut eine Wohnung an
der Ecke Hermann-Liebmann-Straße/Eisenbahnstraße gemietet. Seit 15 Jahren
messen die Forscher an der vielbefahrenen Kreuzung. „Jetzt im Winter
besteht eine Probe aus circa 20 Prozent Diesel- und Ofenruß“, sagt
Herrmann. „Bis zu 10.000 weitere Substanzen können in einem einzigen
Partikel enthalten sein.“
Nach der Probenanalyse können die Forscher direkt sagen, ob die gesetzlich
vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden oder nicht. Der
Tagesgrenzwert für Feinstaub liegt bei 50 Mikrogramm pro einem Kubikmeter
Luft. An höchstens 35 Tagen im Jahr darf dieser Grenzwert überschritten
werden. An der Ecke Eisenbahnstraße/Hermann-Liebmann-Straße hat sich die
Luftqualität in den letzten Jahren indes verbessert, sagt Herrmann. Das
liege vor allem daran, dass die Eisenbahnstraße anders als zu Beginn der
2000er Jahre nicht mehr vierspurig sei.
Auch an anderen Verkehrsknotenpunkten wie der Lützner Straße werden die
Tagesgrenzwerte seltener überschritten, laut einer Statistik des
Sächsischen Landesamtes für Umwelt bislang 22 Mal dieses Jahr; 2006 waren
es noch mehr als 70 Tage. Eine komplette Entwarnung kann der
Wissenschaftler aber nicht geben. Neben Feinstaub seien noch zu viele
Stickoxide in der Luft. Vor allem ältere Dieselmotoren stoßen vermehrt das
gesundheitsschädliche Gas aus, dürfen dank Abgasnorm Euro 4 und grüner
Plakette aber nach wie vor in die Leipziger Innenstadt fahren.
9 Dec 2017
## AUTOREN
Denis Giessler
## TAGS
Schwerpunkt taz Leipzig
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Feinstaub
Umwelt
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Feinstaub
Emissionen
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