# taz.de -- Schlechte Stadtluft durch Chemikalien: Haarspray statt Auspuff | |
> Luftpartikel aus Putzmitteln, Druckertinte, Farbe oder Teppichklebstoffen | |
> sind in erstaunlich hohem Ausmaß für miese Stadtluft verantwortlich. | |
Bild: Nicht zum Lachen: Luftverpester Haarspray | |
Es ist nicht nur der Autoverkehr. Zur Luftverschmutzung in den Städten | |
tragen in überraschend hohem Ausmaß auch frei fliegende Chemikalien aus | |
Putzmitteln, Haarsprays, Druckertinte, Farben sowie Klebstoffe von | |
Teppichen oder Möbeln bei. Laut neuen Studien aus den USA stammen | |
mittlerweile rund 40 Prozent der sogenannten VOC-Emissionen in der | |
Stadtluft aus Konsumartikeln, „nur“ 50 Prozent kommen noch aus dem Verkehr. | |
VOCs, das sind flüchtige Kohlenwasserstoffe („volatile organic compounds“), | |
deren Konzentration der Umweltingenieur Brian McDonald mit der | |
US-amerikanischen Klima- und Wetterbehörde NOAA und der Universität Boulder | |
in Los Angeles gemessen hat. | |
Früher war der Verkehr Hauptverursacher für dicke Luft in Industriestädten. | |
Aber: Durch strengere Gesetze hat die Belastung durch Autoabgase in den | |
vergangenen Jahrzehnten in USA und Europa abgenommen, während die durch | |
VOCs zulegte. Laut Umweltbundesamt (UBA) emittieren Pkws heute 86 Prozent | |
weniger VOCs als 1995. | |
Während Motoren vor allem Alkane, Aromaten und polyaromatische | |
Kohlenwasserstoffe (PAK) hinterlassen, erkennt man die Emissionen aus | |
Konsumartikeln an Azeton und Ethanol. Aldehyde können aus Küchendämpfen | |
stammen. „Auch Bäume emittieren VOCs, vor allem Terpene“, sagt Thomas Karl | |
vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften an der | |
Universität Innsbruck. Je nach Baumart können diese flüchtigen Stoffe mit | |
Stickoxiden aus dem Straßenverkehr sogar eine giftige Melange bilden. | |
In der Summe werden VOCs egal welcher Herkunft vor allem in Städten | |
gefährlich: Sie oxidieren und kondensieren hier in sehr kleinen und | |
besonders giftigen ultrafeinen Feinstaub-Partikeln mit einem Durchmesser | |
von weniger als 2,5 Mikrometern, können aber auch die Ozonbelastung | |
verstärken. Dies kann Husten oder Asthma verursachen. „Das Ozon bereitet | |
uns Sorge“, sagt Marion Wichmann-Fiebig vom UBA. „Vor allem in den | |
städtischen Randgebieten werden die Zielwerte für den Schutz der | |
menschlichen Gesundheit häufig überschritten.“ Gibt es dort auch noch | |
Feinstaub, steigt das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes und bestimmte | |
Krebsarten. | |
## Auch die Innenraumluft wurde gemessen | |
Auch im Haushaltsbereich hat es gesetzliche Verbesserungen gegeben, etwa | |
bei Farben und Lacken. Seit rund 15 Jahren deckeln EU-Normen | |
Schadstoffausdünstungen aus vielen Produkten. Darum sind etwa die | |
Lösungsmitteldämpfe aus Anstrichen, etwa Benzol oder Toluol, heute seltener | |
in der Stadtluft zu finden. Dies hat eine aktuelle Studie des Innsbrucker | |
Forschers Thomas Karl nachgewiesen. In der Luft der österreichischen Stadt | |
entdeckte er dabei aber überraschend viele Silikonöle und andere | |
Substanzen, die aus Kosmetika oder Reinigungsartikeln stammen dürften. | |
Bei der US-Studie wurde auch die Innenraumluft in Wohnungen gemessen: Hier | |
waren die VOC-Werte aus Haushaltsprodukten sieben- bis zehnmal so hoch wie | |
in der Außenluft. Allerdings beliefen sich die Werte im schlimmsten Fall | |
auf 0,012 Milligramm pro Kubikmeter Luft. Als gefährlich gelten erst 3 | |
Milligramm pro Kubikmeter. Auch das UBA hat innen untersucht, | |
„üblicherweise“ seien hier die „einzelnen VOC-Konzentrationen sehr gerin… | |
gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu befürchten.“ Stark erhöhte | |
Werte können zu Kopfschmerzen oder Schwindel führen – bekannt als | |
Sick-Building-Syndrom. | |
Das Problem: „Viele Einzelsubstanzen wie die Silikonöle sind kaum | |
erforscht“, sagt Karl. Verbindliche Grenzwerte gibt es darum nicht. Auch | |
über Wechselwirkungen weiß man wenig. Wer vorsorgen will, kann nur | |
insgesamt weniger Reinigungsmittel und Kosmetika verwenden. Auch Duftlampen | |
oder ein offener Kamin sind problematisch. Häufiges Lüften und Wischen (nur | |
mit Wasser) reduzieren hingegen die schlechte Luft in Wohnungen. | |
Ein Persilschein für Autos sind die Untersuchungen freilich nicht. Diese | |
emittieren nämlich nicht nur VOCs, sondern auch Stickoxide, Kohlenmonoxid | |
und Rußpartikel. „Fossile Verbrennung trägt nach wie vor am meisten zur | |
Verschmutzung bei“, sagt Frank Gilliland, Gesundheitswissenschaftler an der | |
University of Southern California. Von was auch immer verpestete Luft stuft | |
die Weltgesundheitsorganisation WHO als das größte auf | |
Umwelt-Gesundheitsrisiko weltweit ein – mit etwa sieben Millionen Toten | |
jährlich. | |
31 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Kathrin Burger | |
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