# taz.de -- Urteil zu entlassenem Berliner Beamten: Neonazi darf kein Polizist … | |
> Es klingt trivial, war aber kompliziert: Nach rund zehn Jahren zähem | |
> Streit vor Gericht darf Berlin einen Polizisten mit Nazi-Tattoos | |
> entlassen. | |
Bild: Kein Platz für Horst-Wessel-Tattoos: Berliner Polizei | |
Leipzig taz | Fast ohne Konsequenzen ist er durch mehrere Instanzen | |
gekommen, aber am Bundesverwaltungsgericht war Schluss. Der Berliner | |
Polizist Andreas T., der die Noten des Horst-Wessel-Liedes als Tattoos | |
trägt, der auf Fotos den Hitlergruß zeigte, neben einer Hakenkreuzfahne | |
posierte und ein Bild von Hitler an seiner Wohnzimmerwand aufhängte, darf | |
aus dem Dienst entfernt werden. Damit ist das Land Berlin in seiner Klage | |
gegen den Polizeikommissar nach einem zehn Jahre dauernden Verfahren | |
erfolgreich. | |
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist richtungsweisend für künftige | |
Prozesse: Die Frage, ob ein Polizist mit Nazi-Tattoos gegen die | |
Verfassungstreue verstößt, ist nun auch gerichtlich geklärt. „Beamte stehen | |
in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis“, | |
sagte der vorsitzender Bundesverwaltungsrichter Ulf Domgörgen bei der | |
Urteilsverkündung am Freitagmorgen. Sie haben hoheitliche Befugnisse, | |
deshalb müssen sie sich zu der Verfassung, auf die sie einen Eid schwören, | |
auch bekennen und für sie eintreten. „Das beinhaltet nicht allein, die | |
Treue zum Staat verbal zu bejahen, sondern die Treuepflicht fordert von | |
Beamten auch, die Verfassung nicht zu bekämpfen oder zu diffamieren“, so | |
Domgörgen. | |
Wer also die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche | |
Ordnung des Grundgesetzes ablehnt, ist für die Ausübung eines öffentlichen | |
Amtes nicht geeignet, entschied das Gericht. „Auf die Strafbarkeit | |
treuepflichtwidriger Verhaltensweisen kommt es dabei nicht an“, fügte das | |
Gericht hinzu. Denn Andreas T. hatte es bisher trotz dokumentierter | |
Vergehen geschafft, im Verlauf all der Verfahren seit 2007 einzig mit einer | |
Geldbuße von 300 Euro wegen ungenehmigter Nebentätigkeiten davonzukommen. | |
Die „Nebentätigkeit“ war pikant und ist ein gutes Beispiel dafür, wie | |
schwer zu fassen die eigentlich offensichtlich rechtsextreme Gesinnung von | |
Andreas T. ist: Er hatte an CDs und Booklets mit volksverhetzenden Texten | |
mitgewirkt. Vom Vorwurf der Volksverhetzung wurde er aber freigesprochen, | |
weil nicht nachgewiesen konnte, dass sich ein Schmählied auf das Tagebuch | |
der Anne Frank bezog. Und das Ermittlungsverfahren wegen eines Fotos, auf | |
dem der Polizist den Hitlergruß zeigt, musste eingestellt werden, weil man | |
ihm nicht nachweisen konnte, dass das Foto in Deutschland aufgenommen | |
wurde. | |
## Tattoos als Dekoration und Kommunikation | |
Bei den Tätowierungen war dann eine Grenze des Herausredens erreicht. | |
Richter Domgörgen hatte in der Verhandlung am Donnerstag den Beamten auf | |
die tätowierten Noten auf seiner Brust angesprochen. Als der sich unwissend | |
stellte, erklärte der Richter, dass auf der Richterbank durchaus Leute | |
säßen, die Noten lesen könnten, und das Horst-Wessel-Lied erkannt haben – | |
die verbotene NSDAP-Parteihymne. Ein klares, sichtbares, verewigtes | |
Bekenntnis. | |
Das berücksichtigte dann auch das Gericht. „Die Treuepflicht eines Beamten | |
kann auch durch das Tragen von Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt | |
verletzt werden“, urteilt das Gericht. Zwar sei eine Tätowierung zunächst | |
nur Körperdekorierung – doch werde der Körper bewusst als | |
Kommunikationsmedium eingesetzt. „Mit einer Tätowierung ist eine plakative | |
Kundgabe verbunden, zu der sich der Träger schon angesichts ihrer | |
Dauerhaftigkeit in besonders intensiver Weise bekennt“, so die Begründung. | |
Identifiziere sich ein Beamter derart mit einer verfassungswidrigen | |
Organisation oder Ideologie, dass er sich entsprechende Symbole | |
eintätowieren lässt, ziehe er außenwirksame Folgerungen aus seiner | |
Überzeugung und bringt seine Ablehnende Einstellung zur Verfassung zum | |
Ausdruck. Und genau das kann im Disziplinarverfahren geahndet werden. | |
Erfreulich für das Land Berlin: Das musste seinem unliebsamen | |
Polizeikommissar bis zum heutigen Urteil seinen vollen Beamtensold zahlen. | |
Das hat nun ein Ende. | |
17 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Helke Ellersiek | |
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