| # taz.de -- Doku über Gewalt an Frauen: Das „afrikanische Heft“ | |
| > Vergewaltigung und Vertreibung: In „Cahier africain“ hat Heidi Specogna | |
| > Frauen aus der Zentralafrikanischen Republik über Jahre begleitet. | |
| Bild: Specogna hat ihren Film den „Mädchen und Frauen aus der Zentralafrikan… | |
| Jeder Fünfminutenbeitrag im „Weltspiegel“ hat mehr Kommentartext als dieser | |
| zweistündige Dokumentarfilm. Die in Berlin lebende Schweizerin Heidi | |
| Specogna lässt lieber andere sprechen. Der Filmtitel – „Cahier africain“… | |
| aber bedarf einer Erklärung. | |
| In dem „afrikanischen Heft“, das dem Film seinen Titel gibt, dokumentieren | |
| 300 Frauen, Mädchen und Männer Plünderungen, Vergewaltigungen, | |
| Verstümmlungen – Verbrechen, die die Privatarmee des kongolesischen | |
| Politikers Jean-Pierre Bemba 2002 und 2003 in der benachbarten | |
| Zentralafrikanischen Republik begangen hat. | |
| Von den Ermittlungen dazu im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs | |
| handelte vor Jahren schon Specognas Film „Carte Blanche“. Und während die | |
| Magazin- und Nachrichtenjournalisten zum nächsten Brandherd weiterziehen, | |
| beweist sie den jahrelangen Atem der Langzeitdokumentaristin. | |
| Filme können aufklären – und sie können etwas bewirken. „Carte Blanche“ | |
| handelte unter anderem von der 15-jährigen Arlette und ihrer chronisch | |
| schmerzenden, schlecht versorgten Schussverletzung. Zuschauer | |
| organisierten, dass das Mädchens in der Berliner Charité operiert werden | |
| konnte. Heidi Specognas Sohn Florian Hoffmann hat darüber einen Film | |
| gedreht ([1][„Arlette – Mut ist ein Muskel“]); bei „Cahier africain“ … | |
| der Regieassistent seiner Mutter. | |
| ## Fliegen an offenen Wunden | |
| Deren sparsam eingesetzter Kommentar ist immer lakonisch, meistens | |
| distanziert empathisch, gelegentlich sarkastisch bitter: etwa, wenn sie das | |
| beschreibt, was sie „eine afrikanische Karriere“ nennt. Das Morden und | |
| Vertreiben nimmt kein Ende. Einander bekriegende muslimische und | |
| christliche Milizen machen da weiter, wo Bembas Söldner nur aufgehört | |
| haben, weil Bemba sich im Kongo mit Präsident Kabila befehdete. | |
| Die Fliegen lassen sich nicht fernhalten von den offenen Wunden und den | |
| Toten. Schmerzlich lang hält die Kamera auf diese Toten, deren Namen der | |
| Zuschauer erfährt. | |
| Was anderes ist unter diesen Umständen das Einsetzen einer neuen | |
| Präsidentin, als die zynische Simulation politischer Kultur? „Was hat | |
| Madame Samba-Panza an diesem Tag wahrgenommen?“, fragt Specogna. „Erfasst | |
| ihr Blick, was sich draußen gerade abspielt? Und unbeeindruckt von der | |
| feierlichen Amtseinführung seinen Lauf nimmt.“ | |
| Eine weitere „afrikanische Karriere“ ist die von Bernadette Sayo, die sich | |
| am Anfang des Films als Aktivistin für Bembas Opfer einsetzt. „Im Tausch | |
| gegen ihr Engagement für die Rechte der Opfer“ wird sie bald | |
| Tourismusministerin und will vor der Kamera nur noch über Wasserfälle und | |
| Elefanten sprechen. Specogna: „Sie wird im ausgefransten Bildrand der | |
| Geschichte verschwinden. Und danach ebenso die Spendenkasse der | |
| Opferorganisation.“ | |
| ## Männer in der dritten Person | |
| Männer kommen in Heidi Specognas Film, den sie den „Mädchen und Frauen aus | |
| der Zentralafrikanischen Republik“ gewidmet hat, vor allem in der dritten | |
| Person vor. Als Täter. Als abwesende Väter von Töchtern, deren Mütter sie | |
| vergewaltigt haben. Es gibt ein Wiedersehen mit Arlette. Während der Reha | |
| hatte sie angefangen zu fotografieren. Die Kamera ist ihr auf der Flucht | |
| abgenommen worden. | |
| Das ganze Land scheint auf der Flucht zu sein. Für ein kleines Mädchen und | |
| seine Großmutter war kein Platz mehr auf dem Lkw. „Alle sind weg und haben | |
| uns zurückgelassen“, sagt das Mädchen. Eine einzige Träne kullert aus | |
| seinem Auge. „Cahier africain“ ist stellenweise ein Film zum Heulen. Auf | |
| das Heft selbst kommt die Filmemacherin erst ganz am Ende wieder zu | |
| sprechen: „Und das schmale Heft mit den vielen Fotos und Schicksalen? Es | |
| wartet immer noch auf seinen Auftritt.“ | |
| Heidi Specogna hat ihren Film im Winter 2015 fertiggestellt. Im Juni 2016 | |
| wurde Jean-Pierre Bemba in Den Haag zu 18 Jahren Haft verurteilt. Immerhin | |
| das. | |
| 4 Dec 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5250551/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
| ## TAGS | |
| Jean-Pierre Bemba | |
| Dokumentarfilm | |
| Zentralafrikanische Republik | |
| Gewalt gegen Frauen | |
| Milizen | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Afrika | |
| Den Haag | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Vergewaltigungsurteil im Kongo: Lebenslang für Milizionäre | |
| Erstmals wird in der Demokratischen Republik Kongo ein gewählter Politiker | |
| als Terrormilizchef verurteilt. Seine Kämpfer vergewaltigten massenhaft. | |
| Drama „Mudbound“ auf Netflix: Im Schlammbad | |
| Das Südstaatendrama „Mudbound“ legt nahe, dass der Streaminganbieter | |
| Netflix dem Kino auch noch die Oscars streitig machen will. | |
| Dokufilm „Arlette“: Bleib, wo du bist | |
| „Arlette“ begleitet ein kriegsversehrtes afrikanisches Mädchen in der | |
| Berliner Charité. Doch wohin soll sie nach der Behandlung? | |
| Doku „The Court“: Schockeffekte und Celebritys | |
| Die Doku „The Court“ zeigt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs | |
| in Den Haag. Es entsteht das Bild, Geschichte werde von großen Männern | |
| gemacht. |