Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der große Auftritt eines Straßenmusikers: Singen gegen Joko & Kla…
> Der Straßenmusiker Sinan Öztürk tut alles für Musik – sogar zum
> Spontanauftritt bei Joko und Klaas’ neuer Show ließ er sich hinreißen.
> Warum tut man sich das an?
Bild: Sinan Öztürk macht Straßenmusik aus Leidenschaft, obwohl er eigentlich…
Vom Sitz aufzustehen und selbst bei der ProSieben-Trash-Sendung „Die beste
Show der Welt“ aufzutreten, war für den Bremer Sinan Öztürk „eine
Entscheidung vom Bruchteil einer Sekunde.“ Im richtigen Moment habe er
einen Buzzer gedrückt und wurde Teil des Spektakels, das von Joko
Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf moderiert wird. Am Samstagabend wird
er darin vor einem Millionenpublikum zu sehen sein. Doch was erhofft sich
ein 28-jähriger Sozialpädagoge davon, zwischen Hodenschussbingo und
Kissenschlachtcontests Coversongs vor Millionen Zuschauern zu singen?
Wer Öztürk trifft, weiß, wie es sein muss, neben einem Riesen zu stehen.
Wenn der Zwei-Meter-Mann bei fünf Grad Celsius in der Sögestraße mit einer
Gitarre in der Hand vor einer Häuserzeile steht, wirkt das Instrument wie
Kinderspielzeug. Dennoch laufen die Passanten geraden Blickes vorbei, als
Öztürk seine Gitarre anstimmt. Er selbst beschreibt sich als den Typen,
dessen „peinlichen Auftritt man sich nicht entgehen lassen sollte“.
Und tatsächlich, als er zu singen anfängt, durchdringt seine tiefe Stimme
den vorweihnachtlichen Geräuschpegel und übertrumpft sogar den hohen Ton
einer konkurrierenden Klarinette. Die meisten Fußgänger schauen, viele
bleiben kurz stehen und einige werfen im Vorbeilaufen Geld in seine Tasche.
Eine junge Frau mit dicker Wollmütze wartet vor einer Haustür bis zum Ende
des Liedes, bevor sie ein Zwei-Euro-Stück in seine Gitarrentasche wirft.
Nach drei Minuten liegen fünf Euro in Öztürks Gitarrenhülle.
In der Wärme eines Cafés erzählt Öztürk von seinen Erfahrungen als
Straßenmusiker. „Die Straße ist das schwierigste Publikum, du musst die
Leute beim Einkaufen und im Stress auf dich aufmerksam machen.“ Das erste
Mal, als Öztürk in der Fußgängerzone stand, um Musik zu machen, sei die
Aufregung groß gewesen. „Ich habe richtig Angst gehabt. Ich dachte, die
Leute werfen mit Tomaten.“ Der Auftritt bei Joko und Klaas sei einfacher
gewesen, „das Publikum ist viel weiter weg. Die Leute können nichts auf
dich werfen, wenn du schlecht bist“.
## Sozialpädagogik als Broterwerb
Seit seinem ersten Auftritten als Straßenmusiker hat Öztürk sich jahrelang
mit Musik in Parks und an öffentlichen Plätzen über Wasser gehalten. Mit 21
Jahren hat er mit einem Freund in einem heruntergekommenen Passat eine
Straßenmusiktour von Heidelberg nach Hamburg gemacht.
Sein Studium und sein Job als Sozialpädagoge sind nur Mittel zum Zweck:
Zwar mag Öztürk seine Arbeit, bei der er benachteiligte Jugendliche während
ihrer Ausbildung unterstützt, doch letztlich ist sie nur Broterwerb, um
weiter an Songs schreiben und sie singen zu können. „Wenn mir hier und
jetzt jemand sagen würde: Pack deine Sachen, wir machen das mit der Musik.
Ich würde mit der Unterhose, die ich anhabe, losfahren.“
Öztürk macht melancholische Pop- und Soulmusik. „Ich verarbeite Erlebnisse.
Als 28-Jähriger kann ich nicht mehr über pubertäre Probleme singen.“ Seine
letzte Single „Farben“ handelt von einer aussichtslosen Liebe. Für
fröhliche Texte sieht er keinen Anlass: „Wenn alles gut ist, gibt es keinen
Grund zu schreiben.“ Menschen sollen sich in den Erlebnissen und Gefühlen
seiner Lieder wiederfinden. Da dabei politische Themen im Weg stehen
können, klammert er sie aus.
## Früher war mehr HipHop
Öztürk ist ein Glücksritter. Er hat sich daran gewöhnt, dass nicht jeder
seine Musik mag. Ihm reicht die Unterstützung von Freunden, seinen Eltern
und immerhin fast 1.500 Facebook-Fans. Mangelndes Selbstbewusstsein ist
nicht das Problem von Sinan Öztürk. Erarbeitet habe er sich das nicht nur
mit Gesang: Schon als Fünfjähriger habe er getanzt. „Hip-Hop hat mich von
einer Menge Unsinn abgehalten“, sagt er. Als Schüler hat er Tanz-Unterricht
gegeben und internationale Hip-Hop-Wettbewerbe gewonnen. „Tanzen und
Singen, das sind zwei gegensätzliche Welten. Hip-Hop ist mein anderes
Gesicht. Da spiele ich den harten Typen.“
Welches der beiden Gesichter die Zuschauer am Samstagabend sehen können,
darüber will er noch nichts sagen. Da die Sendung noch nicht ausgestrahlt
sei, darf und will er nichts verraten.
Öztürk hofft, dass durch die Coversongs, die er bei „Joko und Klaas“ sing…
auch seine eigenen Lieder Hörer finden. Dass es dafür Fernsehauftritte wie
den bei „Die beste Show der Welt“ braucht, ist traurig. Vielleicht schreibt
er auch mal ein Lied darüber.
2 Dec 2017
## TAGS
Straßenmusik
ProSieben
Bremen
Musik
Pop
Klaas Heufer-Umlauf
Krakau
Schwerpunkt Antifa
Mauerpark
DDR
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Berlin Late Night“ auf ProSieben: Notariat trifft Weinhandlung
Die neue Show mit Klaas Heufer-Umlauf ist gestartet. Und wir haben
natürlich jetzt schon was zu meckern – aber konstruktiv! Unsere sechs
Tipps.
Musikfestival in Polen: Flower-Power, polyrhythmisch
Das Unsound-Festival in Krakau ist auf der Suche nach neuen Klängen. Dort
ist nun auch die Musik des Komponisten Moondog angekommen.
Antifa-Pop von Irie Révoltés: Allez, allez! Alerta, alerta!
Irie Révoltés haben den Antifaschismus auf die Bühne gebracht. Nach 18
Jahren ist nun Schluss – allerdings nur mit der Musik.
Speedjazz bei der Fête de la Musique: Überdosis im Mauerpark
Der Körper kommt kaum mit: Der HipHop-Erneuerer Flying Lotus spielte ein
seltenes Konzert bei der Fête de la Musique in Berlin.
Buch über Rebellion in der DDR: Die Harmlosigkeit einer Revolution
Wie ein paar junge Leute das bornierte System des „Sozialismus“ in Leipzig
ins Wanken brachte, erzählt das neue Buch von Peter Wensierski.
Verdrängung aus der Innenstadt: Sperrgebiet für Musiker
In Hannover dürfen Straßenmusiker nur noch wenige Stunden am Tag spielen.
Die Stadt Hamburg erlässt gleich ein Spielverbot.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.