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# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Skisport: Alltäglicher Missbrauch
> Ehemalige Athletinnen berichten über sexualisierte Gewalt im
> österreichischen Skiteam der 70er-Jahre. Der Verband sucht nach einer
> Position.
Bild: Österreichs Skisport muss sexualisierte Gewalt in seiner Vergangenheit a…
Bevor die Weltcup-Saison richtig angelaufen ist, bringt eine ehemalige
Skiläuferin den Betrieb mit Vorwürfen sexueller Nötigung in Verruf. Nicola
Werdenigg, 1975 als Nicola Spieß österreichische Abfahrtsmeisterin, brachte
mit einem [1][in der Tageszeitung Der Standard erschienenen Interview] eine
Debatte ins Rollen, die kein gutes Licht auf die Zustände im Skizirkus
wirft. Die heute 59-jährige Tirolerin sei mit 16 Jahren von einem
Mannschaftskollegen vergewaltigt worden. Ein Skifabrikant habe den Teenager
auf seine Knie gesetzt und begrapscht.
„Es hat Übergriffe gegeben. Von Trainern, von Betreuern, von Kollegen“, so
Werdenigg über ihre Zeit im Leistungssport. Sie erinnert sich an eine
versteckte Kamera im Kleiderschrank, mit der ein Läufer den ersten Sex
einer Kollegin mitgefilmt habe. „Ihm ist gar nichts passiert, sie hat sich
zu Tode geschämt und den Sport geschmissen. Die Frau war ruiniert“, so
Werdenigg.
Begonnen habe es schon im Unterstufeninternat, „wo ein Heimleiter
hauptsächlich Buben missbraucht hat“, ergänzte die einstige Olympiavierte
am Mittwoch im Ö1 Radio: „Der Heimleiter verabreichte ihnen Cognac, gab
ihnen Pornohefte und animierte sie zum Onanieren.“ Sexistischer
Machtmissbrauch sei von einer Tiroler Skihauptschule bis zu den
Unterkünften der Spitzensportlerinnen im Weltcup an der Tagesordnung
gewesen.
Nach Werdeniggs Tabubruch meldete sich in der Redaktion des Standard eine
weitere ehemalige Weltcupläuferin, die aus Rücksicht auf ihre Familie
anonym bleiben will: „Ich kann das nur bestätigen, und zwar zu hundert
Prozent.“ Sie erinnert sich besonders an ein Erlebnis in Übersee: „In
unserem Hotel ging ich am helllichten Tag über den Gang, als sich eine Tür
öffnete, ich von einem Trainer gepackt und in ein Zimmer gezerrt wurde. Er
sagte, ich sei heute dran. Ich dachte, bitte nur der nicht. In dem Raum war
noch ein weiterer Mann. Ich wurde aufs Bett geworfen, sie waren betrunken,
es war ganz brutal.“ Manche Trainer hätten die teils minderjährigen
Fahrerinnen als „ihre Mädchen“, also als Freiwild betrachtet.
## Relativierung im Privatfernsehen
In den 1970er Jahren habe im Weltcup-Betrieb große sexuelle Freizügigkeit
geherrscht. Das bestätigen alle, die sich bisher zu Wort gemeldet haben.
Auch die 64-jährige Skilegende Annemarie Moser-Pröll, die im privaten
Servus TV die von der einstigen Kollegin vorgebrachten Fälle bedauerte,
aber gleichzeitig relativierte: „Solange ich im aktiven Rennsport mit dabei
war, hat sich bei uns überhaupt nichts zugetragen, nicht das Geringste. Ich
hätte mich zu wehren gewusst.“ Schließlich sei es „ja nicht so aus der
Welt, dass sich nicht auch Pärchen finden im Kader. Nehmen wir eine Rosi
Mittermaier oder einen Christian Neureuther, die haben sich auch
kennengelernt durchs Skifahren. Oder eine Marlies Schild oder ein Benni
Raich, die sind auch nicht vergewaltigt worden. Da gehören immer zwei
dazu.“
Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV),
wollte sich zunächst zu den Zuständen, die vor seiner Zeit geherrscht
hätten, gar nicht äußern. „Das eine oder andere Pantscherl“ (Liebesaffä…
könne er nicht ausschließen: „Aber ein Pantscherl ist ja auch kein
Übergriff.“ Doppelolympiasiegerin Petra Kronberger, die jetzt als
Konsulentin für Damensport im ÖSV angestellt ist, begrüßt es, dass jetzt
eine Debatte losgetreten sei, bescheinigt aber: „In den 90er Jahren hat
sich das deutlich gebessert“.
Persönlich könne sie sich an keine Übergriffe erinnern: „Es hat schon einen
rauen Ton gegeben, aber selbst zu meiner Zeit war es schon anders als vor
40 Jahren, und bis heute hat sich vieles verbessert“, so Kronberger im Ö1.
„Es gibt auch gute Trainer, die gutes Gespür haben und auch wissen, wie sie
ihre Worte wählen“. Nächste Woche soll es ein Gespräch mit ÖSV-Präsident
Schröcksnadel geben, bei dem überlegt werden soll, „was wir als erste
Schritte setzen und anbieten“, damit sich sexuelle Gewalt im Skibetrieb
nicht wiederholen könne.
23 Nov 2017
## LINKS
[1] http://derstandard.at/2000068105376/Sexualisierte-Gewalt-im-Skisport-Ich-ka…
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
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