# taz.de -- Trainer unter Missbrauchsverdacht: Abstieg der Olympier | |
> Ein Schwimmtrainer unter Missbrauchsverdacht kratzt am Image des | |
> Olympischen Sportbundes. Man sah sich als Vorbild im Kampf gegen sexuelle | |
> Gewalt. | |
Bild: Der Deutsche Olympische Sportbund hat seine eigene Richtschnur verraten. | |
BERLIN taz | Im April war alles bestens. Da ging es noch um Meilensteine. | |
Damals unterzeichnete Thomas Bach, Präsident des deutschen Olympischen | |
Sportbundes (DOSB), eine Vereinbarung zum Schutz gegen sexuelle Gewalt. Die | |
Olympier waren der erste Spitzenverband, der sich verpflichtete, mit dem | |
„Unabhängigen Beauftragten gegen sexuellen Kindesmissbrauch“ eng zu | |
kooperieren. „Die heutige Vereinbarung trägt dazu bei, den Kampf gegen | |
sexualisierte Gewalt weiter zu professionalisieren, sagte Bach. | |
Vier Monate später ist fast alles dahin. Denn ins Ende der Spiele von | |
London platzte die Meldung, dass ein Schwimmtrainer des Olympia-Teams | |
direkt nach Kiel reisen musste – um auf der Anklagebank in einem | |
Missbrauchsprozess Platz zu nehmen. Der Mann soll eine 16 Jahre alte | |
Schwimmerin zum Sex gezwungen haben. 18 sexuelle Übergriffe werden dem | |
40-Jährigen vorgeworfen. Der Prozess wurde am Ende erneut vertagt - er soll | |
am 10. September weitergehen. | |
Der Fall enthält alle Ingredenzien der Tragödie eines Missbrauchs. War es | |
etwa keine Vergewaltigung – weil „keine physische Gewalt“ angewendet word… | |
sei? Oder reicht dazu nicht auch der moralische Druck des Trainers | |
gegenüber seiner Schutzbefohlenen? Und wie geht es dem Opfer? Kümmert sich | |
auch jemand um sie? | |
Auch für den Olympischen Bund ist der Fall tragisch. Denn dessen | |
Erklärungen hatten nun gar nichts mit der verordneten neuen | |
Professionalität zu tun. Der Generaldirektor des DOSB, Michael Vesper, | |
fühlte sich von dem Trainer getäuscht – „wir hätten erwartet, dass er uns | |
von dem bevorstehenden Verfahren informiert“. | |
## „Es ist – auf Deutsch gesagt – zum Kotzen“ | |
Ein DOSB-Sprecher sagte der taz: „In laufenden Verfahren muss immer die | |
Unschuldsvermutung gelten.“ Die Schwimmer bewerteten den Fall ganz eigen: | |
„Es ist – auf Deutsch gesagt – zum Kotzen, dass so etwas gerade dann auch | |
noch an einem Tag aufkommt, an dem Thomas Lurz Silber gewinnt“, ärgerte | |
sich Schwimm-Generalsekretär Jürgen Fornoff. | |
Was der Sport machte, war genau das, was Institutionen (fast) immer tun, | |
wenn sexuelle Gewalt in ihren Reihen bekannt wird: Sie sorgen sich zunächst | |
um ihren Ruf. Sie stellen sich sodann vor den Täter und erklären ihn danach | |
gegebenenfalls als nicht mehr zugehörig. Von dem Opfer, seinem Befinden und | |
der furchtbaren Tat – kein Wort. | |
Ursula Enders, Leiterin der Kölner Missbrauchsstelle Zartbitter, sieht den | |
Fall als Katastrophe. „Die Idee war, dass Opfer im Sport vertrauensvolle | |
und kompetente AnsprechpartnerInnen finden“, sagte sie. „Doch dienen | |
derartige Absichtserklärungen des DOSB nur als Beruhigungspille für die | |
Öffentlichkeit.“ | |
## Ist der Geist der DOSB-Vereinbarung verletzt? | |
Mit ihren 08/15-Formeln haben die Sportfunktionäre das Ziel der | |
Vereinbarung vom April konterkariert: „ein Klima zu schaffen, das Kinder | |
und Jugendliche im Sport vor sexualisierter Gewalt schützt“. Im Moment | |
höchster Aufmerksamkeit, als alle Scheinwerfer an waren, haben sie nicht | |
Fingerspitzengefühl gezeigt, sondern den üblichen Sermon verbreitet. Ist | |
der Geist der DOSB-Vereinbarung verletzt? Dazu sagte Generalsekretär Vesper | |
der taz: „In der Vereinbarung geht es nicht um die Nominierung von | |
Olympiatrainern.“ | |
„Die Sensibilisierung in den Vereinen für das Thema sexueller Missbrauch | |
hat gerade erst begonnen“, erklärte der Psychotherapeut Jan Vespermann von | |
der Hamburger Initiative Dunkelziffer. Nicht nur in den Vereinen – auch | |
beim Olympischen Sportbund. | |
17 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
## TAGS | |
sexueller Missbrauch | |
Sexualisierte Gewalt | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
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