Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ermittlungen in Niedersachsen: Steuerfreie Boni für Tierärzte
> Minister leitet Verfahren gegen den Präsidenten des Landesamts für
> Verbraucherschutz in Oldenburg ein
Bild: Bei Lebensmittelskandalen wie dem um Fipronil in Niedersachsen die erste …
OLDENBURG TAZ | Ein bisschen was bleibt immer hängen, wenn staatliche
Veterinäre zu Stallkontrollen ausrücken. Dafür bekommen sie eine
Schmutzzulage, maximal 175 Euro pro Monat, steuerfrei. Auch die Tierärzte
des Laves, des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit. Dafür sorgte sein Präsident, Eberhard Haunhorst.
Insgesamt 55 Laves-Veterinäre haben seit 2005 davon profitiert – was sich
bis heute auf exakt 195.157,01 Euro summiert. Das
Landwirtschaftsministerium in Hannover fordert die Summe nun zurück und hat
ein Disziplinarverfahren gegen Haunhorst eingeleitet.
„Schließlich geht es um Steuergeld“, sagt der scheidende Minister Christian
Meyer, der mit seiner grünen Agrarpolitik neue Maßstäbe gesetzt hat. Seiner
Ansicht nach hat Haunhorst Steuergeld ohne Rechtsgrundlage verteilt, denn
die Zulage habe Laves-Tierärzten nicht zugestanden. Meyer beruft sich auf
eine entsprechende Verordnung aus dem Jahr 1978. Die reklamiert allerdings
auch Haunhorst für sich. Das ist erstaunlich, denn laut Verordnungstext
steht eine „Entschädigung von besonderem Aufwand“ nur „beamteten Tierär…
und Assistenztierärzten bei den Landkreisen und kreisfreien Städten“ zu,
also Veterinären der unteren Landesbehörden.
So ist es auch nach einer Novellierung der Verordnung von 2015 ausdrücklich
vermerkt. Das Laves ist aber keine untere, sondern eine obere
Landesbehörde. „Damit war die Zulage rechtswidrig“, argumentiert der
scheidende Agrarminister. Im Jahr 2002 wurde Haunhorst Präsident des
neugegründeten Landesamts mit Hauptsitz in Oldenburg und sechs weiteren
Standorten in Niedersachsen. Der damalige Landwirtschaftsminister Ehlen
(CDU) hatte ihn seinerzeit ernannt. Die Verbundenheit zu den
Christdemokraten ist geblieben. Haunhorst kandidierte zur Kommunalwahl im
Herbst für die CDU, scheiterte aber.
Es blieb beim Job als Laves-Präsident. Ein durchaus verantwortungsvoller
Posten, schließlich geht es um nichts weniger als Verbraucherschutz. Beim
Läusemittel Fipronil im Ei und Dioxin im Mischfutter, bei Vogelgrippe und
Schweinepest – immer ist das Laves die erste Adresse.
Der 56-jährige Haunhorst ist Chef von gut 1.000 Mitarbeitern. In
Vorstellungsgesprächen soll er sogar ausdrücklich die steuerfreien Boni für
Veterinäre angesprochen haben, um Bewerbern den Job schmackhaft zu machen.
Belegt ist das allerdings nicht. Sicher ist dagegen, dass auch Haunhorsts
Ehefrau unter den Begünstigten war. Von 2006 bis zu ihrem Ausscheiden aus
der Behörde im Jahr 2012. Pikant dabei: Die Empfänger mussten die Zulage
stets neu beantragen, einen Automatismus gab es nicht.
Haunhorst verteidigt sich und seinen großzügigen Geldsegen auch mit einem
Verweis auf den niedersächsischen Landeshaushalt. Darin sei die
„Aufwandsentschädigung“ ausgewiesen. Das sei dem Ministerium bekannt und
vor allem auch von diesem genehmigt worden. Minister Meyer widerspricht
heftig. Die Summe wurde „verschleiert“, sagt er.
Auf Seite 167 des 259 Seiten starken Haushaltplans 2017/2018 für das
Niedersächsische Landwirtschaftsministerium findet sich unter dem Titel
45.910 neben Trennungsentschädigungen und Umzugsvergütungen auch ein Posten
„Pauschalentschädigungen für Aufwendungen im Dienst und Gebührenanteil der
beamteten Tierärzte“. Eine genaue Aufschlüsselung fehlt.
Knapp 200.000 Euro offenbar unrechtmäßig verteiltes Steuergeld und ein
Disziplinarverfahren gegen einen niedersächsischen Spitzenbeamten – das
interessierte auch die Oldenburger Staatsanwaltschaft. Sie prüfte den
Sachverhalt und kam zu einem verblüffenden Ergebnis: Das Verfahren gegen
Haunhorst wurde eingestellt, noch ehe es richtig begonnen hatte.
Es „sei davon auszugehen, dass der Hauptverantwortliche eine juristische
Überprüfung veranlasst hat“. Wenn die fehlerhaft sei, erklärt ein Sprecher
der Ermittlungsbehörde auf Nachfrage, dann „kann man zu seinen Gunsten
davon ausgehen, dass er von der Rechtmäßigkeit der Auszahlungen überzeugt
war“. Ein Vorsatz sei jedenfalls nicht erkennbar.
Haunhorst hat sich offenbar drei Mal juristischen Rat eingeholt – in den
Jahren 2012, 2015 und 2017. Allerdings keinen externen, sondern immer im
eigenen Haus – ein Freibrief direkt aus der Laves-Rechtsabteilung.
Restzweifel müssen aber geblieben sein: Haunhorst selbst verzichtete auf
die Zulage. Da war er offensichtlich gut beraten.
Im Jahr 2012 hatte der Laves-Präsident schon einmal ein massives Problem.
Bei einer alle drei Jahre anstehenden routinemäßigen Beurteilung hatte er
seine Mitarbeiter zum überwiegenden Teil glänzend bewertet. Und – je besser
die Bewertung ausfällt, umso größer sind die Karrierechancen. Im
Ministerium sorgten die überdurchschnittlichen Noten für Unmut. Haunhorst
wurde ministeriell angewiesen, die Noten pauschal nach unten zu
korrigieren. Er fügte sich.
In einem persönlichen Brief an seine Mitarbeiter bat er damals um
Verständnis. Klare Anweisungen aus Hannover sind ihm also nicht fremd. Aber
ein offizielles Disziplinarverfahren, das ist neu und kann gefährlich
werden. Das grüne Landwirtschaftsministerium hat es im Oktober eingeleitet,
nachdem fast ein halbes Jahr lang Verantwortlichkeiten gründlich geprüft
wurden.
So ein Verfahren kann mit einem Verweis enden oder mit Bußgeld, im
schlimmsten Fall sogar mit der „Entfernung aus dem Amt“. Es könnte jetzt
aber auch eingestellt werden. Denn in Hannover hat sich der Wind gedreht.
Am Mittwoch wird Barbara Otte-Kinast von der CDU als neue niedersächsische
Landwirtschaftsministerin vereidigt. Haunhorst könne sich deshalb sogar
einen Job als Staatssekretär vorstellen, heißt es auf den Fluren des Laves.
Zumindest den passenden Stallgeruch hätte er.
19 Nov 2017
## AUTOREN
Christina Gerlach
## TAGS
Verbraucheraufklärung
Niedersachsen
Schwerpunkt Korruption
Verbraucherschutz
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Monsanto
Ei
Salmonellen
Gammelfleisch
Eier
Fipronil
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anwälte bezahlten Glyphosatgegner: Neues Gift im Pestizidstreit
In der nächsten Woche will die EU über die Zulassung von Glyphosat
entscheiden. Ein Kritiker berät Juristen bei Klagen gegen den Hersteller
Monsanto.
EU-Abgeordnete fordern U-Ausschuss: Beeinflusst Monsanto die Forschung?
Abgeordnete des Europaparlaments haben einen Untersuchungsausschuss zu
Monsanto gefordert. Die Sicherheit von Glyphosat sei nicht ausreichend
geklärt.
SPD-Abgeordneter zum Ei-Skandal: „Was wusste Horst Seehofer?“
Ein Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag soll klären, warum sich
die Lebensmittelskandale häufen. Daran beteiligt ist der SPD-Mann Florian
von Brunn.
Untersuchung zum Eier-Skandal in Bayern: Der lange Schatten des Hühnerbarons
Ein Ausschuss des Landtags arbeitet den Salmonellen-Skandal von 2014 auf.
Die Liste mit Vorwürfen gegen die Firma „Bayern-Ei“ ist lang.
Lebensmittelskandal im Großbritannien: Gammelfleisch aufgefrischt
Beim größten britischen Geflügelproduzenten bekamen alte Hühnchen neue
Etiketten. Außerdem wurde die Herkunft der Tiere gefälscht.
EU beruft Krisensitzung ein: Fipronil-Eier in zwölf Ländern
EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis will den Fipronil-Skandal noch im
September aufklären. Mittlerweile sind zwölf Länder betroffen.
Belgische Behörden und Eier-Skandal: Fipronil-Verdacht länger bekannt
Millionen Eier wurden vernichtet, verarbeitete Produkte werden
zurückgerufen. Der Fipronil-Skandal verunsichert Verbraucher, schadet
Landwirten und Händlern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.