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# taz.de -- Untersuchung zum Eier-Skandal in Bayern: Der lange Schatten des Hü…
> Ein Ausschuss des Landtags arbeitet den Salmonellen-Skandal von 2014 auf.
> Die Liste mit Vorwürfen gegen die Firma „Bayern-Ei“ ist lang.
Bild: Äußerlich sehen die Eier gut aus, doch was steckt drin?
München taz | Tirol im Sommer 2014. Zeit fürs Mittagsessen. Ein Rentner
bekommt es geliefert. Essen auf Rädern – an sich eine praktische
Einrichtung für ältere Menschen. Doch wenig später ist der Mann tot.
Salmonellenvergiftung. Das europäische Schnellwarnsystem RASFF meldet
weitere Fälle. Betroffen sind auch Frankreich, Deutschland, Großbritannien.
Von 186 Erkrankten ist die Rede. Mindestens.
Die Spur führt schnell nach Niederbayern, zur Firma Bayern-Ei. Auch der
Caterer, der den Mann in Tirol beliefert hat, hat Eier von dort
verarbeitet. Ob der Todesfall tatsächlich auf die verseuchten Eier
zurückzuführen ist, wird zwar aktuell noch von einem Gutachter geprüft,
gilt jedoch als sehr wahrscheinlich.
Jetzt beschäftigt sich auch ein Untersuchungsausschuss im bayerischen
Landtag mit dem Fall. Er nennt sich schlicht und bezeichnend: „Ei.“ Nachdem
es bisher um Formalien ging, steigen die Parlamentarier am Dienstag in die
inhaltliche Debatte ein.
Drei Standorte besitzt Bayern-Ei in Niederbayern, es wird aber auch in
Tschechien produziert. Rund eine Million Eier soll die Firma am Tag
ausliefern. Die Hennen werden in Käfigen gehalten und das unter
Bedingungen, die schon oft in der Kritik standen: Überbesatz, Tierquälerei,
völlig mangelhafte Hygiene. Auch bei den Mindesthaltbarkeitsdaten soll
getrickst worden sein. Die Liste der Vorwürfe gegen Bayern-Ei ist lang.
## „Schlechter kontrolliert als die Würstlbude um die Ecke“
Die Unternehmerfamilie Pohlmann, die hinter der Firma steht, hat schon
öfter von sich reden gemacht. Vater Anton Pohlmann wurde bereits in den
Neunzigern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer
Zahlung von 3,1 Millionen Mark verurteilt. Außerdem wurde ihm lebenslang
die gewerbliche Tierhaltung verboten. „Charakterlich ungeeignet.“
Pohlmann senior war wegen unterlassener Hilfeleistung, Tierquälerei und
zahlreicher Verstöße gegen das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht
angeklagt worden, noch in seiner niedersächsischen Heimat. Sein Sohn Stefan
kam damals mit einer Geldbuße davon und versuchte alsbald sein Glück im
Süden: Bayern-Ei – anderer Name, gleiches Geschäftsmodell.
Während Stefan Pohlmann demnächst in Regensburg der Prozess gemacht werden
soll, untersucht der Ausschuss die Fragen nach der Verantwortung von
Behörden und Politik. Mehr als 350 Fragen umfasst der Katalog, den die
Opposition aus SPD, Freien Wählern und Grünen erarbeitet hat. Sie lauten:
„Zu welchem Schluss sind die Behörden bei Ihrer Gefahreneinschätzung
gekommen?“ Oder: „Befanden sich Eier der Firma Bayern-Ei in Bayern im
Handel nach dem 01.07.2014?“ Aber zum Beispiel auch: „War Staatsminister
(StM) Dr. Marcel Huber mit Verantwortlichen oder Unterlagen der Firma
Bayern-Ei in Kontakt? Wenn ja, wann, wie und weswegen?“
Florian von Brunn sitzt in seinem Bürgerbüro im Münchner Stadtteil Sendling
und schimpft. „Die haben Bayern-Ei schlechter kontrolliert als die
Würstlbude um die Ecke.“ Von Brunn ist SPD-Abgeordneter, Umwelt und
Verbraucherschutz sind seine Spezialgebiete, er sitzt im
Untersuchungsausschuss „Ei“. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörde…
„Bei der Vorgeschichte des Unternehmens hätte man doch mal sagen müssen:
Wir schauen uns den Laden jetzt ganz genau an.“ Stattdessen habe man den
umstrittenen Hühnerbaron mit Samthandschuhen angefasst. „Wenn es um
Sanktionen ging, haben die immer das mildeste Mittel gewählt.“
## Eine viel zu unternehmerfreundliche Haltung
Vor allem, dass es keine öffentliche Warnung gegeben hat, nachdem die
ersten Salmonellen-Erkrankungen bekannt wurden, kreidet von Brunn den
Landratsämtern und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
an. Auch habe man sich bei der Auswertung von Proben sehr viel Zeit
gelassen.
Insgesamt gebe es da in Bayern eine viel zu unternehmerfreundliche Haltung,
sagt der SPD-Politiker und erzählt eine Begebenheit, die sich am 12. August
2014 in der Regierung von Niederbayern zugetragen habe. Dort, so könne man
den Akten entnehmen, hätten vormittags einige Behördenvertreter
zusammengesessen und über das weitere Vorgehen nach den
Salmonellen-Erkrankungen beraten. Schon bald sei aber ein weiterer Mann
dazu gestoßen und habe mit diskutiert: Stefan Pohlmann.
Von Brunn spricht von „Kumpanei mit Unternehmen“, Ulrike Scharf, die
jetzige Umweltministerin, von einem völlig normalen Vorgang. Man habe eben
Maßnahmen beschlossen und sie dann gleich dem Betroffenen mitgeteilt.
„Dagegen spricht das Protokoll“, kontert von Brunn. „Die Behörden haben
sich um 9 Uhr getroffen, um 10.30 Uhr kam der Herr Pohlmann dazu, und die
Sitzung hat bis 14 Uhr gedauert. Frau Scharf kann mir nicht erzählen, dass
man dreieinhalb Stunden braucht, um jemandem das Ergebnis eines
anderthalbstündigen Gesprächs mitzuteilen.“ Er sehe auch keinen Grund,
warum man Pohlmann nicht schriftlich informiert habe.
## Opposition fühlt sich nicht ernst genommen
Am Dienstag nun steht bei der Ausschusssitzung ein Bericht des
Umweltministeriums auf der Tagesordnung. Darin sollten die ersten,
allgemeineren Fragen des Katalogs beantwortet werden. Gleich die erste
Frage zielt auf die Rechtsgrundlagen von Verbraucher- und Tierschutz in
Bayern.
Die Antwort des Ministeriums ist lang. Über 29 Seiten listet es Namen von
Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen auf. Kommentarlos. Darunter etwa die
„Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 über den Handel mit Robbenerzeugnissen“. Von
Brunn fühlt sich da nicht wirklich ernst genommen. „Das Ziel ist doch
klar“, sagt er. „Die wollen so viel Nebel erzeugen, dass man nichts mehr
sehen kann. Das drückt sehr deutlich den Unwillen der Regierung zur
Aufklärung aus.“
Immerhin eine Konsequenz hat die CSU-Regierung schon aus dem Skandal
gezogen: Ab dem 1. Januar 2018 gibt es eine neue Kontrollbehörde für
Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in Bayern, speziell zuständig für
die Überwachung von rund 800 Großbetrieben. Zu diesen dürfte auch Bayern-Ei
zählen. Denn die Firma hat mittlerweile zwar einen neuen Geschäftsführer,
doch die Produktion läuft weiter.
9 Oct 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Salmonellen
Ei
Bayern
Verbraucheraufklärung
Ei
Verbraucherschutz
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die Lebensmittelskandale häufen. Daran beteiligt ist der SPD-Mann Florian
von Brunn.
Ausbleibende Lebensmittelwarnungen: Na dann guten Appetit!
Verbraucher erfahren häufig zu spät oder gar nicht, dass Nahrungsmittel
belastet sind. Meist geht es um Salmonellen und Listerien.
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