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# taz.de -- Die Immobiliengesellschaft Berlinovo: Wohnen auf dem Schuldenberg
> Die Berlinovo ist Berlins siebte eigene Wohnungsgesellschaft. Sie wurde
> einst gegründet, um die Schulden aus dem Bankenskandal abzutragen.
Bild: Immobilie der Berlinovo in Schöneberg
Bei der Berlinovo Immobilien Gesellschaft bekommen Gäste preisgünstiges
Mineralwasser aus Brandenburg aus der 1-Liter-Flasche angeboten. Während
andere Firmen aus Prestigegründen teures Wasser aus der Vulkaneifel in
Miniflaschen oder hippes im Bionade-Design reichen, zeigt sich das
landeseigene Unternehmen sparsam.
Und diese Sparsamkeit ist nicht nur auf Getränke beschränkt. Das
Wohnungsunternehmen hat sich auf ein paar Etagen in einem ehemaligen
Bahngebäude in Kreuzberg eingemietet. Die Mitarbeiterzahl liegt bei
schlanken 330 Beschäftigten, man hat zuletzt Personal abgebaut. Auch einen
Hausmeister gibt es nicht: Diese Dienste sind an eine Fremdfirma
ausgelagert. Betriebsratsvorsitzende ist die Anwältin des Unternehmens und
damit eine Führungskraft, also keine lästige Klassenkämpferin von Verdi.
Kurz: Die Berlinovo, die unbekannteste unter den insgesamt sieben
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, ist der Musterknabe von
SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen, der auch ihr
Aufsichtsratsvorsitzender ist.
Das Unternehmen, einst entstanden auf den Trümmern und vor allem dem
Schuldenberg der Berliner Bankgesellschaft, vermietet nur 20.500
Wohneinheiten. Vor allem aber hat es eine andere Aufgabe als die anderen
Landeseigenen: Es muss Geld verdienen, um Schulden abzubauen. Und das
scheint zu gelingen. Seit ihrer Gründung 2012 schreibt die Berlinovo
Gewinne. Die Schulden sind immer noch hoch, aber nicht mehr bedrohlich.
## Geräuschlose Verkäufe
Sogar fragwürdige Geschäfte wickelt die Berlinovo geräuschlos ab. Vor einem
Jahr verkaufte sie 28 Pflegeheime, verstreut über das ganze Bundesgebiet,
mit über 4.000 Plätzen. Käufer: der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen, der
derzeit mit seiner Klage gegen den Berliner Mietspiegel und Mieterschikanen
von sich reden macht. Öffentliche Kritik an dem Verkauf gab es so gut wie
keine. Ebensowenig daran, dass die 16 Quadratmeter kleinen
Studentenapartments, die die Berlinovo derzeit 2.500-fach in
Einfachbauweise hochzieht, stolze 340 Euro monatlich kosten sollen.
Früher, als das Unternehmen noch Berliner Immobilienholding (BIH) hieß,
steckte es tief im Schlamassel. Die BIH war überschuldet und hätte
normalerweise in Insolvenz gehen müssen. Aber normal war an der BIH gar
nichts: In ihr hatte der Senat die maroden Immobilienfonds der Berliner
Bankgesellschaft geparkt, die im Jahr 2001 den Berliner Bankenskandal
auslösten.
Dabei hätte es die Berlinovo gar nicht geben sollen. Der damalige
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) strebte vor sieben Jahren
den Verkauf der BIH an eine Investorengruppe an. Damit wollte er die
Risiken und natürlich die Schulden, die auf den Immobilien lasteten,
loswerden.
Was dann passierte, kann man getrost als Sternstunde des Parlamentarismus
bezeichnen. Einfache SPD-Abgeordnete um den heutigen Fraktionschef Raed
Saleh widersetzte sich den Privatisierungsplänen. Der damalige
Fraktionsvorsitzende befürwortete den Verkauf. Er hieß Michael Müller.
## Kein Instrument der Mietenpolitik
Heute schmückt sich der Senat gern mit der Berlinovo, die in Berlin 14.000
Wohnungen und 6.500 Apartments unterhält. In seiner „Roadmap“ zum
Wohnungsbau strebt das Land Berlin an, 2016 400.000 eigene Wohnungen zu
besitzen. Das ist ein, vorsichtig formuliert, ambitioniertes Ziel, denn
aktuell sind es nur 300.000. Damit die Marke 400.000 einigermaßen
realistisch ist, hat der Senat die 20.000 Berlinovo-Wohneinheiten einfach
in der Rechnung dazugeschlagen – sogar die Apartments, die teuer und auf
Zeit vermietet werden.
Dabei ist die Berlinovo kein Instrument der Mietenpolitik. Sie ist weder
Teil des Mietenbündnisses noch der aktuellen Kooperationsvereinbarung
zwischen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Senat, die
Mietsteigerungen dämpfen soll. Und sie kann gar nicht als normales
landeseigenes Unternehmen handeln. Denn die Fonds, die immer noch im
Unternehmen stecken, machen die Besitzverhältnisse kompliziert. Private
Eigentümer reden bis heute mit. Sie interessieren sich wenig für soziale
Mietenpolitik, sondern wollen Rendite sehen. Die Berlinovo, das Wunderkind
des Finanzsenators, ist mietenpolitisch eine Mogelpackung.
17 Nov 2017
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
Banken
Mietenpolitik
Banken
Katrin Lompscher
Immobilienmarkt
Koalitionsverhandlungen
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