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# taz.de -- Kolumne Heult doch!: Kind krank! Darauf 'nen zweiten Kaffee
> Grippezeit, und schon ist auch das eigene Kind ist krank und kann nicht
> in die Kita. Was tun mit den 30 wichtigen Terminen im Smartphone?
Bild: Auch öfter mal krank: Teddys
Am Montagabend hoffe ich noch – wie ich insgeheim weiß, vergebens –, mich
getäuscht zu haben: Ein bisschen blass sitzt der Dreijährige am
Abendbrottisch, verlangt leicht nasal nach „Honigbrot!“ (es gab dann wie
immer Käsestulle), isst schließlich gar nichts und findet es eine gute
Idee, nach dem Kika-„Sandmann“ schlafen zu gehen. Normalerweise krakeelt er
sich nach dem Gute-Nacht-Sagen noch eine Weile durch sein
Kinderliederbuch-Repertoire.
Doch an diesem Abend schafft er nur die ersten anderthalb Strophen von „Ein
Männlein steht im Walde“, niest dreimal laut und schläft ein. Ein paar
Stunden später kriecht ein heißes, hustendes Kind unter meine eigene
Bettdecke, am nächsten Morgen ist klar: Dieses Kind ist krank.
„Jaja, Erkältungszeit, sind gerade alle ein bisschen schnupfig“, flötet d…
Kita-Erzieherin ins Telefon. „Gute Besserung!“ Ja, danke. Vor allem auch an
alle Eltern, die ihre Kinder mit grüngelb schillernden Rotznasen und einer
Paracetamol gedopt in die Kita schieben. Letztes Jahr um diese Zeit hatte
die Kita-Leitung eine Mail über den Eltern-Verteiler geschickt. Man möge
doch bitte die kleinen Virenschleudern zu Hause verarzten, eine
Kita-Erzieherin ist schließlich keine Krankenschwester, und vor allem: Die
Eltern der noch gesunden Kinder danken recht herzlich.
Ich rege an, diese Mail sehr groß auszudrucken, von den Kindern mit
Wachsmalern rot anmalen zu lassen und jedes Jahr ab 1. Oktober gut sichtbar
neben das Gummistiefelregal am Kita-Eingang zu hängen. Gleich neben den
Daueraushang „Achtung, wir haben Läuse!“.
## Sorgsam austarierter Alltag
Wobei ich natürlich grundsätzlich ein tiefes Verständnis für die
elterlichen Nöte fiebernder Kleinkinder hege. Es ist schon erstaunlich, wie
schnell einem der sorgsam austarierte Alltag um die Ohren fliegen kann,
wenn das kleine, aber entscheidende Zahnrädchen „Kind“ nicht läuft wie
geschmiert. Und trotzdem, liebe Eltern: Relaxt, kocht euch einen zweiten
Kaffee, freut euch darüber, dass es so etwas wie bezahlte Kind-krank-Tage
in unserem Sozialsystem gibt, und noch keine Karriere so fix an
Kinderschnupfen zugrunde gegangen ist (LeserInnenbriefe, die mich einer
schlechteren Welt belehren, sind willkommen).
Ich habe meine schlauen Ratschläge übrigens selbst am meisten nötig. Wenn
sich nachts ein fieberheißes Füßchen gegen mein Schienbein drückt und klar
ist, dass ich um zehn Uhr morgens Tee mit Honig kochen werde, anstatt in
der Redaktionskonferenz zu sitzen, wische ich in meinem schlaftrunkenen
Kopf bereits hektisch durch meinen Smartphonekalender. Welches Interview
fällt flach, welche Recherche verschiebt sich auf die nächste Woche? Das
Ergebnis: Irgendwas ist immer. Aber meistens ist es auch gar nicht so
schlimm, wenn dieses „irgendwas“ nicht stattfindet. Wenn ich darüber
nachdenke – keines dieser nicht geführten Interviews hat mir je wirklich
gefehlt.
Die Diskussion mit meinem Mann, wer gerade weniger superdringende Dinge
auf Arbeit zu erledigen hat, fällt an diesem Dienstagmorgen jedenfalls aus
– er ist bereits früh um sechs Uhr zur Arbeit gehetzt. Irgendeinen Kollegen
früher aus der Nachtschicht auslösen, der wiederum zu seinen Kindern muss:
Erkältungszeit.
## Entweder Schwiegermutter – oder wer?
Der große Notfallplan hätte jetzt einen Anruf bei der Schwiegermutter um
6.30 Uhr, gleich nach dem ersten Fiebermessen, beinhaltet („Ah sorry, habe
ich dich geweckt? – Äh ja, genau. – Kannst du kommen?“). Alternativ hät…
mein Mann und ich die „Wer-ist-heute-wichtiger“-Diskussion morgens um 7 Uhr
am Telefon nachgeholt, und ich hätte dieses Mal nicht gewonnen, weil mein
Smartphone-Kalender tatsächlich nichts Unaufschiebbares hergibt.
Ich beschließe, dass mir heute keines der nicht bearbeiteten Themen länger
als ein Erkältungstee fehlen wird, und bleibe zu Hause. Das Kind sitzt im
Zimmer des großen Bruders, fährt auf dessen Drehstuhl Karussell, grölt alle
Strophen von „Ein Männlein steht im Walde“ und freut sich, dass er nicht
gleich vom Bruder rausgeschmissen wird, denn der ist in der Schule.
Ich wische aus Langeweile den Kühlschrank aus und fange an, mich an den
Kalkflecken im Bad zu stören. Was man alles machen müsste! Und vieles davon
ist echt nicht so wichtig.
29 Oct 2017
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Grippe
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