| # taz.de -- Gegen die „Repression Madrids“: Katalanen machen Krach | |
| > Acht frühere Minister der Autonomieregierung sind festgenommen, fünf sind | |
| > in Belgien flüchtig. Dagegen protestieren nicht nur Separatisten. | |
| Bild: Demonstranten protestieren gegen die Haftbefehle ehemaliger katalanischer… | |
| Madrid taz | Seit Donnerstagabend machen viele Katalanen wieder Krach. | |
| Punkt 22 Uhr gehen sie auf ihre Balkons und schlagen 15 Minuten lang auf | |
| Kochtöpfe. Sie protestieren so gegen die Verhaftung von Vizeregierungschef | |
| Oriol Junqueras und sieben seiner Minister am Donnerstag. Die Festnahmen | |
| waren vom spanischen Sondergerichtshof für Terror und Bandenkriminalität | |
| angeordnet worden, der Audiencia Nacional. | |
| Für die Protestierenden ist das die „Repression Madrids“, gegen die sie | |
| genauso auf die Straße gehen wie schon nach den Durchsuchungen bei der | |
| Autonomieregierung Kataloniens im September oder nach den brutalen | |
| Polizeieinsätzen beim verbotenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober. | |
| Fünf weitere Mitglieder der auf Anweisung Madrids abgesetzten Regierung | |
| werden per europäischem Haftbefehl gesucht, unter ihnen Regierungschef | |
| Carles Puigdemont. Sie befinden sich in Belgien. In den nächsten Tagen muss | |
| die belgische Justiz entscheiden, ob sie sie festnehmen lässt und | |
| ausliefert. | |
| Der Minister für Unternehmensfragen, Santi Vila, ist wieder auf freiem Fuß. | |
| Für ihn hatte Richterin Carmen Lamela eine Kaution von 50.000 Euro | |
| eingeräumt. Er war am Vorabend der Unabhängigkeitserklärung am 27. Oktober | |
| zurückgetreten. Das wirkte sich erleichternd aus. Bei seiner Entlassung | |
| beklagte er „die furchtbare Situation, die mit inhaftierten Politikern | |
| geendet“ habe. „Das Problem kann nur mit Politik gelöst werden“, mahnt | |
| Vila. Allen Betroffenen wird „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuun… | |
| vorgeworfen. | |
| Noch am Donnerstag protestierten spontan überall in Katalonien Tausende auf | |
| den Rathausplätzen. In Barcelona kamen rund 20.000 Menschen vor das | |
| Parlament. „Puigdemont ist unser Präsident!“ und „Freiheit!“, riefen s… | |
| ## Gewerkschaften beraten über Generalstreik | |
| Am Freitagmorgen dann wurden überall friedlich Autobahnen und | |
| Nationalstraßen, mindestens drei Grenzübergänge nach Frankreich und Andorra | |
| und westlich von Barcelona auch eine Bahnlinie blockiert. Für den Abend | |
| waren weitere Proteste für die sofortige Freilassung der acht sowie der | |
| bereits vor über zwei Wochen inhaftierten Vorsitzenden der beiden | |
| wichtigsten Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung, der Katalanischen | |
| Nationalversammlung (ANC) und Òmnium, Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, | |
| angekündigt. | |
| Die Gewerkschaften beraten über einen Generalstreik. Für Sonntag, den 12. | |
| November ist eine Großdemonstration in Barcelona geplant. | |
| Die angespannte Ruhe, die in Katalonien herrschte, nachdem der spanische | |
| Ministerpräsident Mariano Rajoy per Verfassungsartikel 155 die | |
| Autonomieregierung absetzte, die Verwaltung übernahm, das | |
| Autonomieparlament auflöste und für den 21. Dezember Neuwahlen ausrief, ist | |
| damit vorbei. | |
| Der Wahltermin hatte die Unabhängigkeitsbewegung überrascht. Sie war auf | |
| eine längere Phase zivilen Ungehorsams gegen die Zwangsmaßnahmen | |
| vorbereitet – fand sich stattdessen aber plötzlich im Vorwahlkampf. Erste | |
| Widersprüche über den Umgang mit dem von Madrid angesetzten „illegitimen“ | |
| Urnengang tauchten auf. Die Verhaftungen vom Donnerstag lösten diese | |
| Schockstarre. | |
| „Als legitimer Präsident fordere ich die Freilassung der Inhaftierten“, | |
| erklärte Puigdemont. Die Verhaftungen seien „ein sehr ernster Angriff auf | |
| die Demokratie“ und „ein Akt gegen die Wahlen“. Sie würden „jetzt in e… | |
| Klima beispielloser Repression stattfinden.“ | |
| ## Die Kritik mehrt sich | |
| Aber auch von Katalanen, die nicht selbst zur Unabhängigkeitsbewegung | |
| gehören, mehrt sich die Kritik. Der Stadtrat Barcelonas erkennt in einer | |
| Abstimmung Puigdemont als „legitimen Chef der Autonomieregierung | |
| Generalitat“ an. Bürgermeisterin Ada Colau wirft der Regierung Rajoys | |
| „autoritäres Verhalten“ vor und fordert Amnestie und Dialog. Der FC | |
| Barcelona zeigte sich in einem Kommuniqué „bestürzt“ und erklärte seine | |
| „Solidarität mit den Betroffenen und deren Familien“. | |
| Der sozialistische Bürgermeister der viertgrößten katalanischen Stadt | |
| Terrassa, der Sozialist Jordi Ballart, legte sein Amt nieder und gab das | |
| Parteibuch zurück. Die Sozialisten seien mitverantwortlich, da sie der | |
| Anwendung des Artikels 155 im spanischen Senat zugestimmt haben. Für den | |
| baskischen Ministerpräsidenten Iñigo Urkullu zeugt der Fall „vom völligem | |
| Fehlen politischer Intelligenz“. | |
| Die Anwälte der verhafteten Minister beklagen, dass ihren Mandanten die | |
| Vorladungen weniger als 24 Stunden vor der Anhörung zugestellt wurden und | |
| somit keine Zeit zur Vorbereitung war. Anders als die Audiencia Nacional | |
| verschob deshalb der Oberste Gerichtshof die Anhörung der Mitglieder des | |
| Präsidiums des Autonomieparlaments um eine Woche. Es geht dabei um exakt | |
| die gleichen Straftatbestände. | |
| 3 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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