# taz.de -- Verfassungsklage: Berlin gegen das Zensusgesetz | |
> Ab heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht Berlins Klage gegen das | |
> Gesetz zur letzten Volkszählung. Das Land verlor dabei 180.000 Menschen – | |
> und viel Geld. | |
Bild: Berlin wird immer voller? Nicht laut der letzten Volkszählung. | |
Die letzte Volkszählung hat große Städte wie Berlin benachteiligt, glaubt | |
der Senat der Hauptstadt – und hat deshalb gegen das zugrunde liegende | |
Gesetz geklagt. An diesem Dienstag verhandelt in Karlsruhe das | |
Bundesverfassungsgericht über die Berliner Klage. | |
Genaue Einwohnerzahlen sind für viele politische und rechtliche Fragen | |
wichtig, etwa für den Finanzausgleich zwischen den Bundesländern. Früher | |
besuchten bei einer Volkszählung Zehntausende Beamte jeden Haushalt, um den | |
beantworteten Fragebogen abzuholen oder ihn sogar gemeinsam mit den | |
Bewohnern auszufüllen. Das führte auch zu Sorgen um den Datenschutz. 1983 | |
stoppte das Bundesverfassungsgericht die Volkszählung, weil sie mit einer | |
Aktualisierung der Melderegister verbunden war. 1987 wurde die Volkszählung | |
dann durchgezogen, begleitet von heftigen Protesten. | |
## Registergestützter Zensus | |
2011 bekamen die meisten Bürger von der Volkszählung jedoch gar nichts mit, | |
denn sie wurde im Wesentlichen als „registergestützter“ Zensus | |
durchgeführt. In einem ersten Schritt lieferten die Meldeämter Daten über | |
die gemeldeten Einwohner, die Arbeitsagenturen über die Beschäftigen oder | |
Arbeitslosen und die Vermessungsämter über die Gebäude. Diese Daten wurden | |
dann verglichen. Ergänzend wurde im zweiten Schritt eine Stichprobe von | |
rund zehn Prozent der Bevölkerung im klassischen Stil von Volkszählern | |
besucht. Ziel war es, „Karteileichen“ auszusortieren, also Leute, die | |
längst anderswo wohnen, sich aber nicht abgemeldet hatten. | |
Diese Volkszählung ergab, dass Deutschland statt 81,8 Millionen nur 80,2 | |
Millionen Einwohner hat. Und Berlin schrumpfte dabei um 180.000 Personen | |
auf knapp 3,3 Millionen Einwohner. Das hat eklatante finanzielle Folgen: | |
Denn dadurch bekommt Berlin seit 2011 pro Jahr 470 Millionen Euro weniger | |
aus dem Länderfinanzausgleich. | |
## Ausgeprägtere Schrumpfeffekte | |
Gemeinsam mit Hamburg erhob Berlin 2015 Verfassungsklage gegen das zugrunde | |
liegende Zensusgesetz. Hauptargument der beiden Stadtstaaten: Die Methode | |
benachteilige große Städte. Denn nur in Kommunen mit mehr als 10.000 | |
Einwohnern musste die Registerauswertung durch eine stichprobenhafte | |
Befragung der Bevölkerung ergänzt werden. Deshalb seien auch die | |
Schrumpfeffekte bei großen Kommunen deutlich ausgeprägter als bei kleinen. | |
Insgesamt haben 362 Städte gegen die Ergebnisse der Volkszählung | |
Widerspruch oder Klage erhoben. Die Verfahren sind aber mit Blick auf die | |
Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Weil Berlin und | |
Hamburg rechtlich als Bundesländer gelten, mussten sie nicht den | |
Instanzenweg gehen und konnten direkt das Gesetz angreifen. Mit einem | |
Urteil wird erst in einigen Monaten gerechnet. | |
Berlin wird in Karlsruhe von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) | |
vertreten. Er machte im Vorfeld wenig Hoffnung, dass nun der Zensus 2011 | |
insgesamt für verfassungswidrig erklärt wird und Berlin deshalb Hunderte | |
Millionen Euro nachbezahlt bekommt. Es gehe aber auch darum, dass beim | |
nächsten Zensus 2021 die „schwerwiegende Ungleichbehandlung der | |
Stadtstaaten“ vermieden wird. | |
24 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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