# taz.de -- Verfassungsbeschwerde für Datenschutz: Volkszählung vor Gericht | |
> Am Sonntag soll ein Testlauf für den Zensus 2021 starten. Dabei werden | |
> umfangreiche Datensätze gesammelt. Aktivisten wollen den Versuch stoppen. | |
Bild: Eilantrag: Das Verfassungsgericht soll den Testlauf stoppen | |
BERLIN taz | Obwohl die Türen der meisten Behörden im Lande am Wochenende | |
geschlossen sein dürften, findet in einigen Ämtern ein ganz besonderer | |
Vorgang statt. Denn am Sonntag starten alle deutschen Meldeämter die | |
Übermittlung ihrer Datensätze hierzulande gemeldeter Personen an die | |
Statistikämter – ein „Testlauf“ für die Volkszählung 2021. | |
Unter anderem soll damit getestet werden, wie gut die Datenübertragung | |
klappt. Übermittelt werden im Probelauf aber schon die kompletten | |
Datensätze mit bis zu 25 Kategorien personenbezogener Angaben. In einer | |
nationalen Datenbank werden sie zusammengeführt. Das Gesetz dazu sieht vor, | |
dass die Angaben als Klardaten – also ohne Anonymisierung – übermittelt | |
werden. Dies ist jedoch stark umstritten. | |
In einem Eilantrag für das Bundesverfassungsgericht fordern Aktivisten | |
deshalb die Aussetzung des Zensus bis zum Ergebnis einer umfassenden | |
rechtlichen Prüfung, zumindest jedoch die Anonymisierung der übermittelten | |
Daten. „Der Gebrauch von fiktiven Daten zu Testzwecken ist in der | |
IT-Branche längst Standard“, sagt Malte Spitz. Er ist zusammen mit vier | |
Aktivisten des AK Zensus Beschwerdeführer des Antrags. Unterstützt werden | |
sie von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). | |
Die Beschwerdeführer kritisieren auch, dass der gesamte Testlauf erst vor | |
wenigen Wochen beschlossen wurde und die Anzahl der abgefragten Daten dabei | |
extrem ausgeweitet wurde. Waren bislang für den Zensus nur Name und Adresse | |
vorgesehen, so sind nun zusätzlich Geburtsdatum und Religionszugehörigkeit | |
umfasst, aber auch Umzug, Heirat, Scheidung, Name des Ehepartners oder der | |
Ehepartnerin sowie die Namen minderjähriger Kinder. Daraus lassen sich | |
Rückschlüsse auf Lebenslauf, Wohnsituation, Migrationshintergrund, | |
Partnerschaft und sozialen Status ziehen. | |
## Lohnendes Ziel für Hacker | |
Nach den vielen Datenlecks der letzten Monate und Jahre stehen die Themen | |
Datenschutz und -sicherheit aktuell stark in den Fokus. Eine Datei | |
umfangreicher personenbezogener Daten fast aller 82 Millionen im Land | |
lebenden Menschen könnte ein lohnendes Ziel für Angreifer sein. Opposition | |
und Teile der Regierungsfraktionen fordern deshalb, Datenschutz umfassend | |
umzusetzen. | |
Mit Blick auf die vergangenen Datenlecks sagt Konstantin von Notz, | |
stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen: „Wir können es uns | |
schlicht nicht leisten, nicht die höchsten Schutzstandards zu wählen.“ Die | |
Bundesregierung müsse Datenschutz und Datensicherheit endlich entschieden | |
verwirklichen – auch beim Zensus. | |
Die SPD hatte im Bundestag dem Änderungsgesetz zur Volkszählung zugestimmt. | |
Die SPD-Digitalpolitikerin Saskia Esken sagt zwar, ihre Partei könne die | |
Erforderlichkeit der zentralen Analyse der Daten „weder für den Testlauf | |
noch für den Zensus“ nachvollziehen, die Fraktion stimmte dem Gesetz am | |
Ende jedoch trotzdem zu – „unter Bauchweh“, wie Esken betont. Damit solle | |
ein Vertragsverletzungsverfahren mit der EU verhindert werden. | |
Der Eilantrag hält dem jedoch entgegen, dass EU-Vorgaben nicht dazu führen | |
dürften, ein Gesetz trotz gravierender Mängel durchzuwinken. Stattdessen | |
hätte das Gesetz im Vorfeld rechtlich sauber vorbereitet werden müssen. | |
Auch das Bundesverfassungsgericht hatte in früheren Entscheidungen bereits | |
angemahnt, dass beim Zensus das „Gebot einer möglichst frühzeitigen | |
Anonymisierung“ gelte. | |
11 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Kränzle | |
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