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# taz.de -- Neuer Teil der Reihe „Assassin's Creed“: Einbalsamieren für An…
> „Assassin's Creed Origins“ spielt im alten Ägypten. Der neue
> Erkundungsmodus lässt die Grenze zwischen Spiel und Lernsoftware
> verwischen.
Bild: Das Eintauchen in die Vergangenheit gelingt im Spiel dank großer histori…
Die „Assassin’s Creed“-Reihe hat in den letzten Jahren mehr Prügel
eingesteckt, als ein Shitstorm Beleidigungen hat. Die Gemeinschaft der
„Core-Gamer“, also der Videospieler, die viel Zeit für ihr Hobby verwenden,
fluchte bildreich über die Story, über Fehler in der Programmierung,
fehlende Multiplayermodi und allgemein über den irgendwie irrelevanten
letzten Teil in 2015 – dabei hatte dieser den bis heute tiefgängigsten
Soundtrack.
Die Härte der Kritik war unangemessen. Mit dem zehnten Teil der Serie,
„Assassin’s Creed Origins“, wollen die kanadischen Entwickler von Ubisoft
der Reihe dennoch neues Leben einhauchen und führen Spieler ins Ägypten des
Jahres 49 v. Chr. Während im Kampagnenmodus gesammelt, gejagt, gekämpft und
geredet wird, bietet der neue Erkundungsmodus die Möglichkeit, ganz in Ruhe
durch die schönste digitale Darstellung des alten Ägyptens zu wandern, die
es auf einer Spielekonsole derzeit zu sehen gibt.
## Bis in die Viktorianische Ära
Die „Assassin’s Creed“-Reihe begann 2007 unter der Federführung von Jade
Raymond, einer kanadischen Spieleproduzentin, die bis dato nur wenigen als
Programmiererin kleinerer Computerspiele bekannt war. Der erste Teil drehte
sich um einen über Jahrhunderte im Verborgenen agierenden Geheimbund, die
Assassinen. Er lehnte lose an den Roman „Alamut“ des slowenischen Autors
Vladimir Bartol an und machte Raymond über Nacht szeneweit bekannt.
Weltkriegsballerei und Piratenspiele kannte man schon, die Spielwelt von
„Assassin’s Creed“ jedoch ließ die Spieler ins Jerusalem um das Jahr 1191
eintauchen. Und das sah für die damalige Zeit nicht nur herausragend gut
aus, es war auch voller Leben mit seinen Basaren, Marktplätzen und Parks.
Bis heute sind, mobile gaming nicht mitgezählt, neun Teile erschienen, die
die Spieler vom Italien der Renaissance über Amerika zur Zeit des
Unabhängigkeitskrieges bis nach Paris während der Französischen Revolution
führen.
Jeder Teil bettet seine Handlung in tatsächliche historische Begebenheiten.
Dabei werden in der jeweiligen Epoche einflussreiche Persönlichkeiten eng
in die fiktionalen Ereignisse eingebunden. So ist die wirklich
stattgefundene schwere Kieferverletzung Robespierres, beigebracht 1794
wahrscheinlich durch einen gescheiterten Suizidversuch, in „Assassin’s
Creed Unity“ das Werk einer der Hauptfiguren. Solche Beispiele für die
Verschmelzung von als gesichert geltenden Annahmen mit dem Spieleplot gibt
es in jedem Teil der Serie. Die aufwendige digitale Rekonstruktion von
Schauplätzen, Figuren und Ausstattungen trägt dabei immens zur
Atmosphärenbildung bei und macht für viele Fans den Reiz an der virtuellen
Zeitreise aus. Doch was bleibt bei Spielern hängen, wenn die Informationen
so zahlreich und ab und an aus dramaturgischen Gründen angepasst werden?
## Lernen, ohne es zu merken
In einem Beitrag für den Blog PlayThePast.org schreibt die Anthropologin
Katy Meyers: „Die Spieler lernen bei ‚Assassin’s Creed‘ etwas über
geschichtsrelevante Gruppierungen wie den Templerorden sowie über wichtige
Umbrüche, etwa die Kreuzzüge, ohne dass ihnen das Wissen per Schulbuch und
Quizmethoden in die Köpfe gehämmert wird.“ Zudem nehmen Spieler aus der
ganzen Welt in Onlineforen akribisch jedes Detail jeder Episode
auseinander, auf der Suche nach Ungenauigkeiten und Fehlern, vergleichen
Städte mit ihren virtuellen Nachbildungen und die Mode im Spiel mit
Gemälden aus der Zeit. Gamification, die Nutzung von Videospielelementen in
einem außerspielerischen Kontext, erreicht hier ein neues Level der
Einflussnahme auf den Nutzer. Lernen, ohne es zu merken. Und ohne die
didaktische Überfrachtung einer Doppelstunde Geschichte.
Die dafür wichtige Balance zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und
den Möglichkeiten der spielerischen Interaktion in einer virtuellen
Umgebung versucht der „Erkundungsmodus“ in „Assassin’s Creed Origins“…
finden: Anders als bei der klassischen Spielekampagne, aufgeteilt in
Kapitel und Missionen, gibt es keine Aufgaben, keine versperrten Passagen,
keine Feindseligkeit und keine Kämpfe. Stattdessen ist die gesamte
Spielewelt des alten Ägyptens frei zugänglich, dicht bevölkert von Dorf-
wie Stadtbewohnern, die alle ihrem Tagewerk nachgehen. Spieler gehen, wohin
sie möchten, und schauen sich an, was sie interessiert.
„Der Erkundungsmodus ist ein virtuelles, interaktives Open-World-Museum,
das wir in Zusammenarbeit mit dem British Museum und einem Team aus
Historikern, Linguisten und Ägyptologen entwickelt haben“, sagt Matthew
Zagurak, Associate Narrative Director bei Ubisoft, der taz. „Das Highlight
sind die geführten Touren. Wenn man zum Beispiel einen Tempel betritt und
dort eine Einbalsamierung beobachtet, kann man eine dieser Touren starten
und erfährt in zwanzig Minuten alles zu den angewandten Techniken, den
Methoden, aber auch Einzelheiten zu den religiösen Hintergründen dieser
Episode der ägyptischen Geschichte. Es gibt Fotografien, Audiodateien mit
Erzählerstimme, Texttafeln und so weiter.“ Man habe schon lange an einer
solchen Möglichkeit gearbeitet, die bei der Spieleproduktion unweigerlich
entstehende Datenbank in einen didaktischen Kontext einzubringen, so
Zagurak weiter.
## Interaktion ist Integration
Zur lehrreichen Veranschaulichung rekonstruierte historische Schauplätze,
das bedeutet in der Schule meistens: Man sieht sich Lehrfilmchen an. Im
Gegensatz zum passiven Filmkonsum bietet die computergenerierte Umgebung
aber einen innovativen Zugang über ein interaktives Medium, das die meisten
Schüler aus der eigenen Freizeit kennen. Im Falle von „Assassin’s Creed“
spielt den Entwicklern dabei eine der herausragenden Stärken der
Spielereihe in die Hände: die lebendige, wuselige Atmosphäre der Städte,
voll von Menschen, die ihrer Zeit entsprechend gekleidet sind und sich
gemäß ihrem gesellschaftlichen Stand verhalten.
Schon „Assassin’s Creed Unity“ hängte 2014 die Messlatte für die Anzahl…
NPC, also Figuren, die vom Computer gesteuert werden und meist Statisten
sind, ein gutes Stück höher. Leider ein Stück zu hoch: Wer in das
pulsierende Pulverfass Paris kurz vor der ersten Phase der Französischen
Revolution eintauchte, war erst völlig von der Atmosphäre vereinnahmt und
später etwas genervt von den immer wieder sichtbaren Rechenfehlern. Denn
die Kapazitäten der damaligen Konsolengeneration wurde hier über Maß
beansprucht. Zwar waren die Straßen voll wütender Bürger und die Kulisse
bis auf das Detail konsistent, aber hin und wieder zuckten fehlerhafte
Figuren durch die Luft oder liefen endlos gegen Wände. „Assassin’s Creed
Unity“ war der Technik seiner Zeit einen großen Schritt voraus.
Es liegt nun am neuen Teil, zu beweisen, dass das Entwicklerteam aus
Fehlern gelernt, aber auch die großen Stärken der Franchise erkannt hat,
die das Eintauchen in die Vergangenheit so anziehend machen: eine offene
Spielwelt mit außergewöhnlicher Atmosphäre von großer historischer
Authentizität. Der dafür nötige Rechercheaufwand, der vor allem für
„Assassin’s Creed Origins“ betrieben wurde und der den Erkundungsmodus er…
möglich macht, braucht jedoch auf lange Sicht auch die Würdigung der
Spieler. Die australische Ägyptologin Claire Manning hat sich die Mühe
gemacht, die Hieroglyphen, die im Hintergrund eines Werbefotos zum Spiel
sichtbar sind, zu übersetzen – und kam [1][zu dem erstaunlichen Ergebnis],
dass dort neben optischem Füllmaterial tatsächlich diverse Sätze und
Sinnsprüche stehen, die Bezug auf den Plot des Spiels nehmen.
Erst wenn solch eine Detailversessenheit bei der Spieleentwicklung über die
Gemeinschaft der Core-Gamer hinaus Beachtung findet, dann schaffen es
Historienspiele auch in Zukunft, Spiel und Wissensvermittlung sinnvoll zu
verbinden. Denn Lernen und Spielen sind nicht das Gleiche. Aber sie
ergänzen sich wechselseitig zum Nutzen aller, die spielen und lernen
wollen.
1 Nov 2017
## LINKS
[1] https://storify.com/Clazzaranius/i-translated-the-assassins-creed-hieroglyp…
## AUTOREN
Pepe Delabar
## TAGS
Computerspiel
Ägypten
Weltgeschichte
Animation
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Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Sexismus
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