Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlingspolitik der Union: Ankunft nach Heidelberger Modell
> Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig bis zum bitteren Ende in derselben
> Einrichtung bleiben. Heidelberg wird als Vorbild genannt. Zu Unrecht.
Bild: Vorbild für die Pläne zur beschleunigten Abschiebung? Die ehemalige Hei…
Karlsruhe taz | Da haben sich Angela Merkel und Horst Seehofer getäuscht.
Als sie jüngst ihr Kompromisspapier zur Flüchtlingspolitik vorstellten,
präsentierten sie auch eine Einrichtung in Heidelberg als „Vorbild“ für
ihre Pläne zur beschleunigten Abschiebung. Doch das Land Baden-Württemberg
betont: „In Heidelberg haben wir ein Ankunftszentrum, kein
Abschiebezentrum.“ Noch.
Die Spitzen von CDU und CSU fordern, künftig alle deutschen Asylverfahren
in „Entscheidungs- und Rückführungszentren“ abzuwickeln. Die Flüchtlinge
sollen dort bis zur Entscheidung über den Asylantrag bleiben. Falls dieser
abgelehnt wird, sollen sie sogar bis zur Abschiebung in diesen Zentren
untergebracht sein. „Bei abgelehnten Anträgen ist eine Rückführung kaum
noch möglich, wenn einmal eine Verteilung auf die Kommunen erfolgt ist“,
behauptete Merkel.
Das Ankunftszentrum in Heidelberg war zwar ein Vorbild, aber nicht für
diese Pläne der CDU/CSU. Als die Flüchtlingszahlen im Sommer und Herbst
2015 massiv anstiegen, richtete Baden-Württemberg in der ehemaligen
Heidelberger US-Siedlung Patrick-Henry-Village ein Registrierungszentrum
für 5.000 Flüchtlinge ein. Nachdem sich dort auch das Bamf mit einer
Dependance ansiedelte, nannte man die Einrichtung „Ankunftszentrum“.
Inzwischen unterhält das Bamf bundesweit 25 solcher Ankunftszentren.
Derzeit werden in Heidelberg rund 70 Prozent der Flüchtlinge registriert,
für die Baden-Württemberg zuständig ist. Binnen zehn Tagen findet auf dem
Gelände auch die Anhörung zum Asylantrag statt. Über neue Asylanträge
entscheidet das Bamf derzeit in durchschnittlich zwei Monaten.
Wenn ein Flüchtling anerkannt wurde, wird er auf Landkreise und Kommunen
verteilt. Wird sein Antrag abgelehnt, bleibt er in Heidelberg oder er wird,
falls die Kapazität nicht ausreicht, an eine der zurzeit rund zehn
Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen (LEA) überwiesen. Die durchschnittliche
Aufenthaltszeit in Heidelberg ist nach Angaben des zuständigen
Regierungspräsidiums Karlsruhe vier bis sechs Wochen. Die derzeit 2.000
Plätze sind immer belegt.
## Mit dem Asylpaket gegen die Zeitgrenze
Eine Hürde für die CDU/CSU-Pläne ist die Zeitgrenze. Laut Asylgesetz können
Flüchtlinge maximal sechs Monate in den großen Ankunftszentren und LEAs
untergebracht werden, dann müssen sie verteilt werden. In dieser Zeitspanne
kann zwar das behördliche Asylverfahren abgewickelt werden. Allerdings
klagen zwei von drei abgelehnten Antragstellern gegen ihren Bescheid vor
Gericht.
Bis eine Abschiebung real möglich ist, vergeht oft viel mehr Zeit als sechs
Monate. Wenn ein Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde,
gibt es aber heute schon Möglichkeiten, die Verteilung auf die Kommunen zu
vermeiden. Wer aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ wie Kosovo oder Serbien
kommt, erhält zwar ein normales Asylverfahren, muss aber nach der Ablehnung
bis zur Ausreise in der LEA wohnen bleiben. Dies wurde im November 2015 im
Asylpaket I eingeführt.
Die Länder können seit März 2016 auch Besondere Aufnahmeeinrichtungen
(BEAs) schaffen. Hier müssen auch Migranten, die über ihre Identität
getäuscht haben oder die nach Ablehnung ihres Asylantrags einen Folgeantrag
gestellt haben, bis zur Ausreise wohnen bleiben. Von dieser im Asylpaket II
geschaffenen Möglichkeit hat bisher aber nur Bayern Gebrauch gemacht.
Seit Juli 2017 gibt es für die Länder zudem die Option, den Aufenthalt in
zentralen Einrichtungen für alle Antragsteller mit „offensichtlich
unbegründeten“ Asylanträgen auf 24 Monate, also zwei Jahre, auszuweiten.
Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen davon Gebrauch machen.
Auch Stuttgarts Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) erwägt dies. Falls
er sich damit in der grün-schwarzen Regierung durchsetzt, wäre Heidelberg
möglicherweise nicht mehr betroffen. Denn der Nutzungsvertrag für das
Patrick-Henry-Village endet im April 2018. Und Heidelberg möchte auf der
Fläche einen neuen Stadtteil schaffen. Das Ankunftszentrum könnte dann nach
Mannheim oder Schwetzingen verlegt werden.
Und hier geht es zu einem Text [1][über eine Unterkunft in Ingolstadt, in
die Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive gesteckt werden] – was Kritiker als
Abschiebelager bezeichnen.
26 Oct 2017
## LINKS
[1] /Fluechtlingspolitik-der-Union/!5456390
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
CDU/CSU
Asylsuchende
Abschiebung
Asylrecht
Schwerpunkt taz Leipzig
Abschiebung
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Flüchtlingszahlen in Deutschland: Jeder Fünfzigste ist ein Geflüchteter
Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge hat sich seit 2014 mehr
als verdoppelt. Klagen gegen abgelehnte Asylanträge nehmen stark zu.
Von Leipzig-Halle nach Afghanistan: Wieder Abschiebungen nach Kabul
Am Dienstagabend startete von Leipzig aus der jüngste Abschiebeflug nach
Afghanistan. Mit an Bord: ein sächsischer Asylbewerber.
Ungerechtfertigte Abschiebung: Zurück nach Deutschland
Ein junger Afghane wurde nach Bulgarien abgeschoben, obwohl es in seinem
Fall Anlass für einen Abschiebestopp gab. Er soll nun zurückgebracht
werden.
Flüchtlingspolitik der Union: Gestrandet im Transitzentrum
Bayern steckt Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive alle zusammen in
Unterkünfte. Kritiker bezeichnen diese als Abschiebelager.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.